13. Mai 2006

Gegenrecherche fehlt, Leser verwirrt

Die Usedom-Peene-Zeitung berichtete:
... Wie zu erfahren war, ist beim Finanzgericht Münster (Az.: 12 K 6263/03 E) eine Musterklage anhängig. Die Richter haben zu prüfen, ob der Solidaritätszuschlag verfassungskonform ist, „da das Gesetz nicht zeitlich beschränkt ist“, wie Dr. Franz Jeschek, Sachgebietsleiter im Finanzamt, unterstreicht. ...
Wer hat hier geschlafen, der Finanzbeamte oder Autor Tom Schröter?
Denn in der Pressemitteilung Nr. 12 vom 29.11.2005 des Finanzgerichtes ist nachzulesen:
Solidaritätszuschlag verfassungsgemäß
Keine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht
Es verstößt nicht gegen das Grundgesetz, dass auch mehrere Jahre nach der Wiedervereinigung ein Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer erhoben wird. Dies entschied in einem heute veröffentlichten Urteil der 12. Senat des Finanzgerichts Münster (Urteil vom 27.09.2005, Aktenzeichen 12 K 6263/03 E).

lupes Lesetipp

Hier ist nachzulesen:
... Hohe soziale Sicherheit gibt es nur, solange sie nicht wirklich benötigt wird, formuliert der Publizist und Soziologe Reinhard Kreissl rückblickend auf bessere Zeiten. Nun, wo der Ernstfall eingetreten sei, liefe alles darauf hinaus, dass ein jeder sehen möge, wo er bleibt. ...

Schleichwerbung ohne Ende

Schade, dass der dpa-Bericht
Kerner hebt ab, Beckmann sorgt vor
auf der Medienseite, jedoch nicht als Einzelbeitrag in der OZ-Onlineausgabe zu finden war. Im Archiv fand ich ihn schließlich.
Dennoch danke für den Bericht, der seit einer Woche fällig war.
Doch es gibt weitere Fälle von Schleichwerbung, über die auch berichtet werden müsste:
Gekaufte Berichte

Die EU bezahlt Journalisten, um ihr Image zu pflegen
Zum Thema

Die Bundesagentur für Arbeit zahlt, der öffentlich-rechtliche Rundfunk sendet

EU-Kommissarin für gezieltes Product Placement in Spielfilmen
Die Maßnahmen der ARD

Neue Vorwürfe im ARD-Schleichwerbeskandal

Oder hier auf den Nachdenkseiten:
Plasberg, hart aber wohl nicht fair!
„Eine politische Talk-Show ist schnelllebig. Auch in 90 Minuten bleibt oftmals keine Zeit, Aussagen der Gäste auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu prüfen. Deshalb hakt "Hart aber fair" nach und lässt einige Behauptungen von renommierten Experten unter die Lupe nehmen. Sind
sie wahr oder entbehren sie jeder Grundlage?

Oder hier im finblog:
Wirbel um Behörden-TV
Der NDR-Zapp-Bericht über Behörden, die öffentlich-rechtliches Fernsehen finanzieren (Finblog berichtete), zieht Kreise:Die Deutsche Rentenversicherung hat heute eine Art Gegendarstellung verbreitet, und zwar hier.

Ganz schön widersprüchlich

Widersprüchliches um Holtz
berichtete Eckhard Oberdörfer in er Greifswalder Zeitung:
... Unbestritten ein großer Wissenschaftler. Der Schatten, der auf ihn fällt, kommt aus der Politik. Historiker und Journalisten haben ihm Beteiligung an Menschenversuchen mit Kampfstoffen sowie Krebsforschungen mit Menschenversuchen vorgeworfen. ...
Dann kommt der Schatten, der im übertragenen Sinne auf ihn fällt, nicht aus der Politik, sondern Wissenschaftler und Journalisten werfen ihn. Auch die Versuche an Menschen planten nicht Politiker, sondern Wissenschaftler Holtz plante sie und ließ sie ausführen.

CDU-Mann entführte OZ-Geschäftskunden

Das Verhältnis zwischen Anzeigenkunden und Lokalchef und zwischen Lokalchef und einem Bundestagsabgeordneten zeigt dieser redaktionelle Beitrag in der Greifswalder Zeitung:
OZ-Partner zu Gast im Bundestag
Über 20 Anzeigenkunden hatte das Greifswalder Verlagshaus der OSTSEE-ZEITUNG Donnerstag nach Berlin eingeladen. ...
Stimmt das? Wenn ja, bezahlte die OZ die Reise oder MdB Adam?
Sachkundiger Führer durch das deutsche Abgeordnetenhaus war Bundestagsabgeordneter Ulrich Adam. Der CDU-Politiker ... entführte die OZ-Geschäftskunden nicht nur in den Plenarsaal ...
Wie viel Lösegeld mussten die Anzeigenkunden zahlen, damit der Entführer sie freiließ?

Und was geht das alles die Leser an? Hat das bereits mit der Landtagswahl im September zu tun?

Rhetorische Frage?

Eckhard Oberdörfer schickte die Leser der Greifswalder Zeitung mit dieser Frage im übertragenen Sinn in die vollendete Vergangenheit:
... Was war passiert?
Jetzt das Unglaubliche!
Derzeit wird in dem malerischen Vorort die Dorfstraße mit Findlingen gepflastert. Eine holprige Angelegenheit. Aber Wieck sicher angemessen. ...
So holprig diese Unsätze sind, so holpert der Autor von der vollendeten Vergangenheit in die Gegenwart und der Leser fragt sich verwirrt: "War in der Vergangenheit gepflastert worden oder wird jetzt gepflastert?" Wenn jetzt gepflastert wird, war Oberdörfers Frage überflüssig (ist sie auch so).
"Welch ein Durcheinander!", ruft der Leser und es tut ihm Leid, Geld für die Zeitung ausgegeben zu haben.

Leser genarrt

Nach lautem Knall stürzte Schornstein um,
lautete eine Schlagzeile in der Grevesmühlener Zeitung. Wer nun denkt, es sei ein Unglück geschehen, irrt.
... Dreimal blies Sprengmeister Stefan Küchler in seine Tröte, als Signal für die bevorstehende Sprengung des Schornsteins. Dann gab es einen lauten Knall und der fast 40 Meter hohe Betonschlot des ehemaligen Heizhauses krachte zu Boden. ...
So werden Leser genarrt.

Glockenflüsterer bleibt still

Lokalchef Peter Schlag ist wohl kein Glockenflüsterer mehr, denn wie ich beobachtete sind drei Wochenend-Ausgaben ohne seine Glockengespräche erschienen. Hat hier der neue Chefredakteur dem Lokalchef eine Beschränkung auferlegt?
Danke!

Übrigens, mit Kommentaren hält sich der Lokalchef auch zurück.
Nochmals danke!

Märchen-Schlagzeile

Ein Schlagzeilenschmied der Ribnitzer Zeitung wollte den Lesern weismachen:
Der Spargel wartet auf Stammkunden
Wer tatsächlich wartet, berichtete Christiane Lüdtke bereits im ersten Satz:
„Die Saison ist noch nicht gut angelaufen“, Wolfgang Becker ist seit fünfzehn Jahren für das Spargelfeld der Agrargenossenschaft Jahnkendorf verantwortlich und wartet zur Zeit auf Kundschaft. ...
Genau, Spargelbauer Becker wartet, denn Spargel kann nicht warten, auch wenn die Ribnitzer Redaktion ihren Lesern das vorgaukelt.

Strukturschwach und doch wohlhabend

Lokalchef Thomas Pult berichtete in der Rügener Zeitung:
Rügen müsste aus EU und Bundesrepublik aussteigen, um Sonderwirtschaftszone zu werden, sagen Mitarbeiter des Wirtschaftsministeriums.
Es gebe verschiedene Möglichkeiten der Förderung für strukturschwache Gebiete wie Rügen, unter anderem die so genannte Ziel-1-Förderung, mit der die am wenigsten wohlhabenden Regionen unterstützt werden sollen ...
Seit ich das las, frage ich mich, worin der Wohlstand der Insel Rügen besteht.

Doppelt hält besser

Der Greifswalder Lokalchef Reinhard Amler hatte eine Ankündigung verfasst, deren Anfang ich für missglückt hielt.
Im Text stand unter anderem:
... Vor dem Hintergrund dieser und weiterer alarmierender Fakten, die gestern Jörg Niemann von der Odebrecht-Stiftung in einem Pressegespräch im Dom St. Nikolai nannte, wird es in der Universitätsstadt erstmals eine Präventionswoche geben, die von annähernd 20 Partnern gemeinsam mit den Schulen vorbereitet wird. ... 40 thematische Veranstaltungen sind vom 24. bis 30. September geplant. ...
Heute wiederholte er die Ankündigung, anders formuliert und umfangreicher:
... Deswegen war es für Jörg Niemann auch keine Frage, sich an der Präventionswoche zu beteiligen, die erstmals vom 24. bis 30. September in Greifswald stattfindet. Sie hat zwei Schwerpunkte,
denen sie sich in über 40 Veranstaltungen widmen will.
...
Die Greifswalder Leser müssen diese Wiederholung ertragen und dafür auch noch Geld ausgeben.
Mal sehen, was Herr Niemann dazu sagt.

12. Mai 2006

Überflüssiger Text

Ich fand keine Erklärung dafür, dass dieser 262 Wörter lange Text in die Greifswalder Zeitung gelangen konnte:
Beschäftigung ist sein Ein und Alles
Peter Machule durfte schreiben:
Einst im niederschlesischen Bad Muskau aufgewachsen, begann Erich Hallaschk schon mit 13 Jahren eine Ausbildung zum Schlosser. Doch er trug bei der schweren Arbeit einen Wirbelsäulenschaden davon und schulte zum Elektriker um, wo er dann bis zu seinem 69. Lebensjahr, das war im Jahr 1986, in der dortigen Papierfabrik als Elektromeister arbeitete. ...
Bereits hier fiel ich fast vom Stuhl, ermüdet und gelangweilt.

Es gibt noch ein Gerücht

Reinhard Amler berichtete in der Greifswalder Zeitung:
Noch 30 Tage, dann beginnt die Fuß- ball-WM. In Greifs- wald startet dann ein Fußballfest, das es in dieser Größenord- nung noch nie gab.
... Es wird kein Entgeld für Stehplätze verlangt, sagte Mann und wies damit jegliche Gerüchte ab.
...
Und was ist mit dem Gerücht, die Veranstaltungen würden mit Videokameras überwacht?

Übrigens: Mich gruselt es schon heute wegen der bevorstehenden Berichterstattung über das sog. Fußballfest auf dem Marktplatz.

So spricht ein stummer Chirurg

Berichtete Christoph Hohlfeld in der Grimmener Zeitung über einen stummen Chirurgen?
... „Wir haben wie zu DDR-Zeiten die Altstadt links liegen lassen“, legt Wegner den Finger auf die Wunde.

"Qualität" heißt nicht "gut"

Schlagzeile in der Ribnitzer Zeitung:
Badewasser mit Qualität
Tja, so ist das, wenn der Redakteur die Bedeutung des Wortes Qualität nicht kennt:

a) Beschaffenheit; b) Güte, Wert

Nicht alles, was eine Beschaffenheit, Güte oder einen Wert aufweist, hat eine gute oder gar sehr gute Beschaffenheit, Güte oder einen guten Wert. Die Verhunzung stammt aus der Politikersprache.


Gemeint war:
Die Badewasserqualitätskarten des Landes Mecklenburg-Vorpommern weist für 2006 wieder sehr gute Werte aus. ...

Stoppt das "bei"!

Schlagzeile in der Rügener Zeitung:
Baustopp beim Speicher-Abriss in Lauterbach
Das scheußliche "bei" wäre zu vermeiden gewesen, hätte der Redakteur geschrieben:
"Speicher-Abriss in Lauterbach gestoppt" oder noch besser hätte er hinzugesetzt, wer den Abriss stoppte.

11. Mai 2006

Anmerkung

Greifswalder Zeitung:

In der Plasmatechnologie ist Greifswald dank des INP führend in Deutschland.

... „Für Greifswald sprach die Strategie von Prof. Weltmann, an einem Standort Plasmaphysik von der Forschung bis zur Herstellung von Produkten und nicht nur Prototypen zu vereinen“, lobt Prof. Kurt Becker vom US-amerikanischen Stevens Institute of Technology, den Direktor des Institutes für Niedertemperaturplasmaphysik (INP). ...

Autor Eckhard Oberdörfer hätte anfügen können: ein weiterentwickeltes Überbleibsel aus DDR-Zeiten.

Beschäftige mich mit dem Lesen der OZ

Grimmener Zeitung:
Erhard und Helga Angerhöfer betreiben ein seltenes Hobby. Die Grimmener beschäftigen sich mit der Aufzucht von Eichhörnchen.
War dem Redakteur die Aussage, "Die Grimmener züchten Eichhörnchen." zu schlicht, dass er die Angerhöfers sich mit der Aufzucht beschäftigen ließ?

Weissagung

Über
Italien auf dem Hinterhof
berichtete Claudia Haiplik in der Ribnitzer Zeitung.
Von vielen noch unbemerkt wird im Vineta-Museum eine Exposition vorbereitet, die wohl wieder für Furore in Deutschland sorgen dürfte. ...
Die Leser erfuhren nicht, welche Ausstellung des Vineta-Museums in Deutschland bereits Aufsehen erregte oder Beifall errang. Und kann Frau Haiplik ahnen, dass dies wieder geschehen wird? Nichts in dem Artikel deutete darauf hin. Die Autorin ging unter die Weissager.

Offene Fragen

Ich bleibe dabei: Nachfragen ist der wichtigste Bestandteil journalistischer Arbeit. Doch in der Ribnitzer Zeitung fand ich:
Kirchengemeinde arbeitet weiter an einem Kochbuch
... Nun sucht die Kirchengemeinde gemeinsam mit dem Förderverein für die Erhaltung der Kirche in Bad Sülze noch Rezepte, die in diesem Kochbuch veröffentlicht werden können. ...
Wie viele Kochbücher gibt es in Deutschland? Wie viele dieser Bücher können die Barther in ihrer Stadt kaufen? Gibt es Barther, die bereits Kochbücher besitzen oder wissen, wo sie welche leihen können?
Wer soll die Bücher der Kirchgemeinde kaufen, wenn doch die Barther aufgerufen sind, Rezepte beizusteuern? Wer wird für solch ein Buch Geld ausgeben? Wie viele Bücher müssen verkauft werden, um die Herstellungskosten zu decken?

Der Leser, mein Kumpel

Mitunter verwenden Redakteure der Heimatzeitung Umgangssprachliches, z. B. das Verb klauen. Heute fand ich in der Rügener Zeitung:
Jungs halfen Brand löschen
Der Plural lautet: die Jungen, umgangssprachlich auch: die Jungens und die Jungs.
Glauben die Redakteure, ihren Lesern kumpelhaft im übertragenen Sinn auf die Schultern klopfen zu müssen, damit die Abonnenten weiterhin die Heimatzeitung kaufen? Oder glauben die Journalisten, sonst nicht verstanden zu werden? Wer kann mich darüber aufklären?

Die Welt der Wirklichkeiten

Steffen Adler zitierte in der Usedom-Peene-Zeitung:

... „Im nächsten Schritt werden und müssen wir dann diese Vorstellungen den möglichen Realitäten anpassen“, blickt Bürgermeister Helmut Hilpert voraus. ...
Nun handelt es sich zwar nur um ein Zitat, doch wäre es unzumutbar gewesen, den Bürgermeister zu fragen, wie viele Realitäten (Wirklichkeiten) er kennt. Kennte er mehrere Wirklichkeiten, was ich bezweifle, könnte er eine zu seinen Vorstellungen passende auswählen und alles wäre gut.

Witzig fand ich, dass Hilpert das mit den Wirklichkeiten nicht sagte, sondern voraus blickte.
Ich stelle mir vor, wie Bürgermeister und Redakteur nebeneinander standen und voraus blickten, eine Hand über den Augen, um die Wirklichkeiten nicht durcheinander zu bringen, doch alle Wirklichkeiten durchschauend.

Lernen erlaubt

Auch vom "Tagesspiegel" können Journalisten der Heimatzeitung lernen:
Hier ein typisches Ostseethema:
Die verkaufte Vision

Der Ingenieur und der Konzern – erst Partner für Windkraft, jetzt Gegner. Zufall, oder macht Eon Politik?

... Denn zur Verhandlung steht indirekt ein Großprojekt von weit reichender Bedeutung für die deutsche Energieversorgung: 80
Windgeneratoren, jeweils fünf Megawatt stark, wollten die zerstrittenen Partner mitten in der Ostsee errichten. Im Arkona-Becken Südost, 35 Kilometer nordöstlich von Rügen, sollte bis zum Jahr 2008 Deutschlands erstes Großkraftwerk auf hoher See entstehen, umweltfreundlich und wegweisend für eine Stromversorgung ohne Atomkraft und klimaschädliche Kohlemeiler. Das war der Plan. Doch nun verkehren die Partner nur noch per Anwalt, und die Verwirklichung des Projekts steht in den Sternen.
...

Wer eine umfassende Schilderung des Sachverhaltes lesen möchte, kann dies im "Tagesspiegel" tun.
Da ich gerade beim Lernen bin. Auch dies können Journalisten im "Tagesspiegel" lernen, das Schreiben von Nachrufen.

Angler fischen mit Angeln


Ich habe mir immer wieder das Foto zu dieser Bildunterschrift in der gestrigen Rügener Zeitung angeschaut:
Carolin Rappe hilft ihrem Freund auf dem Rügendamm, die Heringe von der Sehne zu puhlen.
Ich vermute, der Text ist falsch. Die Angler, die von der Brücke zwischen Rügen und Stralsund (nicht vom Damm) Heringe fangen, tun dies nicht mit Netzen wie die Fischer. Deshalb müssen die Fische auch nicht aus den Maschen gepuhlt werden. Angler angeln mit Angeln und die Fische beißen auf Haken. Diese Haken müssen aus den Fischmäulern entfernt werden.

10. Mai 2006

Bitte nicht alles glauben!

Unter der Schlagzeile
Sehnsucht nach Freiheit steckt in Gospel-Songs
schrieb Annett Habermann für die Leser der Rügener Zeitung:
... „Diese Musik entstand bei den Sklaven in Amerika. Sie drückten ihre Hoffnungen und ihre Sehnsucht nach Freiheit in Gospelsongs aus“ ... Gospel kommt also aus Afrika. Denn europäische Eroberer brachten Sklaven aus den afrikanischen Kolonien mit nach Amerika. Diese konnten nichts mitnehmen außer ihre Musikalität. ... Kirchlich müsse man nicht unbedingt sein. Obwohl Gospel ursprünglich tatsächlich Kirchenmusik ist. Denn die Lieder erzählen Geschichten aus dem neuen Testament der Bibel. In den „Spirituals“ geht es eher um das Alte Testament.
Tatsächlich?

Negro Spiritual ist eine Musikrichtung, die in den USA mit Beginn der Sklaverei im 17. Jahrhundert entstanden ist. Die Spirituals sind als Wurzel des Gospels anzusehen. Die Spiritualtexte sind fast ausschließlich religiösen (!) Inhalts und erzählen von dem Leben geschlagener, geschundener und sehnsüchtiger Menschen (den Sklaven). Die Texte erzählen von der Hoffnung dieser Menschen und ihrem Glauben an Gott (!) ...

Eine typische Entstehungsgeschichte eines Spiritual, erzählt von einem unbekannten Schwarzen:
"Ich will Ihnen sagen, wie das geht. Mein Massa (master) ruft mich zu ihm und sagt, dass meine Ration gekürzt wird, und ich kriege 100 Schläge mit der Lederpeitsche. Meine Freunde sehen das und haben Mitleid mit mir. Als sie an dem Abend zu unserem Treffen kommen, singen sie davon. Und manche gute Sänger sind dabei, die können das. Und sie bringen das rein, verstehen Sie, bringen das einfach rein, bis es richtig ist. Und dann singen die anderen mit, als wenn sie den Song schon lange kannten, aber sie haben ihn nie vorher gehört. So geht das!"

Gospel

(von engl.: gospel = Evangelium, Gute Nachricht; hergeleitet vom mittelenglischen gOdspell, gOd = gut und spell = Erzählung, Nachricht) oder Gospelmusik bezeichnet nordamerikanische christliche (!) Musik des 20. und 21. Jahrhunderts. Im engeren Sinne wird unter Gospel die Kirchenmusik (!)afroamerikanischer Gemeinden verstanden, die sich durch Jazz- und Blueseinflüsse auszeichnet. In weiterem Sinne wird der Begriff auch für religiöse (!) Musik der Südstaaten der USA bis hin zu christlicher (!) Popmusik im allgemeinen verwendet.

Und die Geschichte mit dem alten und neuen Testament habe ich außer bei Frau Habermann nirgends gefunden.

Relativ: bald und groß

Unter der Schlagzeile
Gützkower Kanuten auf Jubiläumskurs
berichtete Stefan Brümmer im Vorspann:
... Weil vor 50 Jahren die erste Sektion gegründet wurde, gibt es bald eine große Fete am Bootsplatz.
Wie aus dem Text hervorgeht, meint der Autor mit "bald" Anfang September. Da ist es natürlich höchste Zeit, darüber zu schreiben, wie groß der Kanuverein feiern wird. Es ist ja kaum noch ein halbes Jahr Zeit. Jedoch über die Größe der Feier erfuhren die Leser nichts. Vielleicht wird das Fest so groß, wie es bald stattfindet.

Thema nicht erkannt

Thomas Mandt berichtete in der Ribnitzer Zeitung:
Die EU ganz nah erlebten gestern 100 Schüler im WossidloGymnasium. Sie diskutierten mit namhaften Politikern europäische Themen.
„Wieso tun sich die Ausländer denn so schwer, sich bei uns zu integrieren?“, will eine Schülerin wissen. ...
Darüber wunderte ich mich. Interessant ist doch die Frage, warum die Schülerin deutschen Politikern diese Frage stellt. Genau zu dem Thema wäre ein Artikel fällig: Warum kommen Schüler nicht auf die Idee, Ausländer danach zu fragen?

9. Mai 2006

Rätsel des Tages

Schlagzeile in der Ribnitzer Zeitung:
Literaturblick zum Badejubiläum
Das ist unverständlich. Was ist ein Literaturblick? Auch in der Ankündigung fand ich keine Erklärung, sondern:

Anlässlich des 125-jährigen Badejubiläums gibt es im Zingster Seniorenklub „Martha Müller-Grählert“ einen literarischen Nachmittag mit Dorothea von Saucken. Dabei wird in der Literatur von Zingst und
Darß geblättert.
...
Erhalten die Literaturfreunde vom Blättern einen Literaturblick?

Zu weit ausgeholt

Fast eine halbe Seite gönnte die Grevesmühlener Zeitung dem Bericht:
Im Ostseebad Boltenhagen laufen die Vorbereitungen für die 203. Badesaison, die am Sonnabend mit einem bunten Fest eröffnet wird.
Warum die Vorbereitungen Beine bekamen, ist klar: Der Vorspannschreiber litt an Substantivitis. Hätte er jemanden die Saison vorbereiten lassen, wäre das nicht passiert.
Kerstin Schröder begann den langen Text so:
Die Badesaison ist es, auf die die Mitarbeiter der Kurverwaltung Boltenhagen jedes Jahr aufs Neue hinarbeiten. Denn von Mitte Mai bis Mitte September werden die meisten Einnahmen erwirtschaftet. Und noch mehr Geld fließt, wenn das Wetter mitspielt und viele Sonnenhungrige in das Ostseebad kommen, die Kurtaxe für den Strand bezahlen. ...
Hier mir der sprichwörtliche Geduldsfaden.

Entdeckung: der lesende Kriminalroman

Die Ribnitzer Zeitung kündigte an:
Lesung eines Kriminalromans in Zingst und in Ahrenshoop
Natürlich kann ein Kriminalroman nicht lesen, weder in Zingst noch in Ahrenshoop. Es war ja auch nicht so gemeint:
Birgit Lautenbach liest aus ihrem Kriminalroman „Hühnergötter“. ... Worum geht es in dem Buch? ...
Hoffentlich hat die Redaktion den Zuhöreren nicht die Lesung verdorben, denn 251 Wörter Inhaltsangabe sind sehr viel.

Blumig, blumig

Das kommt dabei heraus, wenn in der Tageszeitung ein Ereignis umschrieben angekündigt wird:
Löwenzahn holt die Sonne auf den Teller
das soll passieren:
Interessante Einblicke in die Welt der Kräuter werden ... im Kräutergarten ... gewährt. Neben der Vorstellung verschiedenster Frühlingskräuter mit heilenden Eigenschaften werden auch Tipps
für kulinarische Delikatessen aus Löwenzahnblüten, wie beispielsweise Blütenwein und -dessert, gegeben.

Enders Autobiographie gibt es seit 2004

Die Rügener Zeitung berichtete:
Klaus Ender feiert morgen sein 40. Berufsjubiläum als Bildjournalist. ... Ender schrieb unzählige Fachaufsätze und publizierte 120 Bücher. ... Er verlor seine einzige Tochter. Jetzt kämpft er gegen die Parkinson-Krankheit. ...
Ergänzen möchte ich:
Auch seine Autobiographie ist bereits erschienen, die 2. Auflage im Wevos Verlag Forchheim, Januar 2005.

Was alles nicht pasiert

Diese Schlagzeile in der Usedom-Peene-Zeitung erinnerte mich an Aufsatz-Überschriften aus meiner Schulzeit:
Ein nicht alltäglicher Fischtransporter
Nun wusste ich, was der Fischtransporter nicht war. Gemeint war kein sonntäglicher sondern ein ungewöhnlicher Motorradanhänger.

Weder gerungen noch verzweifelt gekämpft

Die Usedom-Peene-Zeitung berichtete:
Fanfarenzug Ahlbeck ringt ums Überleben
Wie der Zug ringt, hätte ich gern gewusst, doch ich erfuhr es nicht.
Dem Ahlbecker Fanfarenzug fehlt es schlichtweg an Mitgliedern. Er hat nur noch zwölf Aktive, die sich dienstags von 17 bis 19 Uhr in der Grundschule zum Proben treffen und verzweifelt gegen die
Auflösung kämpfen.
Auch über den verzweifelten Kampf erfuhr ich nichts.

8. Mai 2006

lupes Lesetipp

In den Nachdenkseiten fand ich ein Interview, dass ich meinen Blog-Lesern sehr empfehle:
Christoph Werth: Die Wahrnehmung der Bürger ist im realen Leben eine völlig andere, als die, welche sie von den etablierten Medien präsentiert bekommt.
Einige Auszüge:

Die Wahrnehmung der Bürger ist im realen, sozialen Leben eine völlig andere, als die, welche sie von den etablierten Medien präsentiert bekommen. Dies führt dann zu einer wachsenden Entfremdung und Distanz und letztlich zu einer Politik- und Demokratieverdrossenheit - wobei sich die Verdrossenheit auf die Art bezieht, mit der die Demokratie real praktiziert wird, und nicht auf die Demokratie als Staatsform an sich. ...

Welche Auswirkungen werden diese Differenzen zwischen persönlicher Wahrnehmung und medialer Präsentation auf die Zivilgesellschaft haben?

Es wird ähnliche Auswirkungen wie im Ostblock vor 1989 haben. Dort gab es die zensierten Medien der Partei, die alles schön gezeichnet haben. Und dann gab es das, was in den Medien nicht vorkam, was die Bürger aber am eigenen Leibe erlebt haben. ...
Viele Sachverhalte werden verschwiegen, kommen also in der öffentlichen Debatte gar nicht vor. ... Das ist nun auf lokaler wie überregionaler Ebene so. Allerdings hat man auf der lokalen Ebene oft nur Einzeitungskreise und nicht die Möglichkeit, in anderen Publikationen nachzusehen, was jetzt eigentlich fehlt. Wenn Zeitungsmonopolisten die lokale Politik ständig schön schreiben, werden die Schattenseiten nicht beleuchtet. Diesem Informationsdefizit wäre nur durch Herstellung von Gegenöffentlichkeit zu begegnen. ...

Die Weltsicht: „Wenn es der Wirtschaft gut geht, ist auch alles andere in Ordnung“ ist ja gerade ein Bestandteil der PR-Arbeit von Wirtschaftsinteressenverbänden wie der INSM oder der dubiosen Kampagne „Du bist Deutschland“. ... Die Öffentlichkeit wird durch solche Parolen derart benebelt, dass dadurch auch der Primat der Politik ausgehebelt wird. Entscheidungen werden nicht mehr politisch getroffen, man fragt sich nicht mehr, „was wollen wir eigentlich?“, „in welcher Gesellschaft wollen wir leben?“, “„welche soziale Ordnung wollen wir?“ - man fragt nur noch „was ist das Interesse der Wirtschaft?“.

Wer hielt die Rehe fest?

Die Greifswalder Zeitung meldete:
Im Umland sind die Rehe los
Gemeint war das Umland Greifswalds.
Interessant wäre die Nachricht gewesen, wer denn die Tiere seit wann quälte, indem er sie festhielt. Doch was erfuhr der Leser?
Im Greifswalder Umland kam es am Wochenende zu mehreren Unfällen mit Wild ...

War Starkow tot?

Künstler bringen Leben in den Ort,
behauptete ein Redakteur der Ribnitzer Zeitung in einem Kommentar.

Im Bericht hatte ich zuvor gelesen:
Das Barthe-Dorf (Starkow) ent- wickelt sich zum Treffpunkt von Malern, Bildhauern, Musikern und anderen Kreativen. Am 12. Mai startet der Kultursommer.
Wäre ich Starkower, hätte der Autor mit Gegenwehr zu rechnen, denn wenn die Künstler Leben in den Ort bringen, der offensichtlich bewohnt ist, dann war der Ort zuvor tot und mit ihm seine Bewohner.

Wenn die Schlagzeile über dem Kommentar stimmen würde, käme nicht Starkow sondern z. B. Spiegelsdorf infrage. Das Dorf liegt bei Neu-Boltenhagen, zwischen Greifswald und Wolgast und ist seit Jahrzehnten unbewohnt. Die Häuser wurden abgerissen. Unkraut überwuchert die Reste.

Schlagzeile zum Kommentieren missbraucht

Der Schlagzeilenschmied der Grimmener Zeitung brachte einen Kommentar sogar in der Schlagzeile eines Berichtes unter:
Markt braucht mehr Anbieter
In Anführungszeichen konnte er die Überschrift nicht setzen, denn im Bericht fand ich keinen Hinweis darauf, dass jemand gesagt hätte, der Markt brauche mehr Anbieter. Einziger Hinweis:
In der Remise informieren Katja Bizek aus Grammendorf und Kerstin Notzke aus Groß Bisdorf über die Veranstaltung. „Wir bedauern, dass nicht mehr Leute mit ihren Pflanzen gekommen sind."
Wenn jemand etwas bedauert, kann der Redakteur seine Schlussfolgerung in einem Kommentar kundtun. Bericht und Kommentar sind zu trennen, lautet eine journalistische Grundregel.

7. Mai 2006

Kegelklub Fifa

In der Süddeutschen fand ich endlich ein Beispiel für Sportjournalismus:
Fifa
Ein Konzern wie ein Kegelclub
Der Spitzenverband mit Sitz in Zürich und sein Vorsitzender Sepp Blatter: Milliardenumsätze und ein System von Abhängigkeiten.

Wie Tag und Nacht

Nun steht auch den Nürnbergern eine Gaspreiserhöhung bevor. Wie reagierte die Lokalredaktion der Nürnberger Nachrichten?
Wut und Resignation
Und bereits in der Unterzeile stand:
Energiekunden erbost — Tipps von Verbänden gefragt
Und im Vorspann las ich:
Die ersten Reaktionen der Bürger auf die Ankündigung der N-Ergie, die Gaspreise erneut um mindestens 16 Prozent anzuheben, schwanken zwischen Wut und Resignation. Verbände und Verbraucherschützer registrieren wachsenden Bedarf nach Beratung und empfehlen auch Widerspruch.
Hier der Textbeginn.
„Die Kunden fühlen sich ausgeliefert. Sie klagen, dass sie keine Chance haben, den Gaslieferanten zu wechseln. Sie glauben auch, ihnen wird von den Versorgern mehr abgeknöpft als nötig“, fasst Heidemarie Kaiser von der Nürnberger Verbraucherzentrale die Reaktionen nach vielen Beratungsgesprächen zusammen.

So endet der Artikel:
(Siehe auch die Umfrage unten und weitere Berichte Seite 13)
@
www.verbraucherzentrale-bayern.de; www.energieverbraucher.de; www.hausundgrund-nuernberg.de
Das eine Berichterstattung im Sinne der Leser.
Ich verweise darauf, dass ich im Herbst mehrfach kritisierte, wie Lokalausgaben der OZ auf die Preiserhöhungen reagierten. Es mangelte an Leserservice.
Die Nürnberger zeigen, Journalisten dürfen ihre Leser über Möglichkeiten der Gegenwehr informieren. Dafür reißt ihnen niemand den Kopf ab.
Also bei der nächsten Preiserhöhung an die Interessen der Leser denken!

Zündstofffreier Bericht

Über angeblich
Reichlich Brisanz im Kreis-Familienbericht
berichtete G. Pridöhl in der Usedom-Peene-Zeitung. Allerdings war der Bericht nicht direkt in der Online-Ausgabe zu finden, sondern nur im E-Paper. Daher kann ich auch nur einen Link auf die Seite angeben, keinen auf den Artikel. Eigenartig ist, dass ausgerechnet die beiden schlechtesten Berichte dieser Lokalausgabe nicht in die Online-Ausgabe aufgenommen wurden. Sollen Online-Leser von schlechter Qualität verschont werden?

Worin bestand der Zündstoff im Familienbericht?
Während seiner jüngsten Beratung in der Anklamer Begegnungsstätte der Volkssolidarität am Stadtpark in der Leipziger Allee war der Sozialausschuss des Kreises mit Bernd Schubert (CDU-MdL) an der Spitze am Donnerstagabend leider nicht beschlussfähig.
Nichts ist vom Familienbericht zu lesen, stattdessen eine kommentarische Einlage mit dem "leider".

Dennoch machte sich die Kommission mit einem wichtigen Dokument bekannt, das in Bälde und überarbeitet dem Kreistag, den darin vertretenen Parteien, Sozialarbeitern und interessierten Bürgern zur
Verfügung gestellt werden soll. Der Titel des umfangreichen Werkes lautet „Familienbericht 2006“. In einzelnen Abschnitten und grafischen Darstellungen werden darin zum Beispiel Familienfreundlichkeit, sozialökonomische Situationen, familienorientierte Hilfen der Verwaltung, Bevölkerungsstrukturen, Arbeitslosigkeit bei ausgewählten Personengruppen, Wohnungsbestände nach Wohngrößen, ärztliche Versorgungsleistungen und andere Infrastrukturen unter die Lupe genommen. ...
u.s.w. Ich halte es für eine Frechheit, zahlenden Lesern so etwas vorzusetzen. Hier sind sogar 30 Cent pro Zeile zu viel Honorar.

Erneut Drohgebärde


Schon wieder wird in der OZ gedroht, in dem abgebildeten Anriss auf der Titelseite.
Die Erklärung, wie eine Gebühr drohen kann, blieb die OZ schuldig.
In dem Artikel fand ich keinen Hinweis auf eine Drohung:
Die Koalition hat nicht die Absicht, die Praxisgebühr zu verändern, erklärt das Gesundheitsministerium.
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