9. Dezember 2008

Einmal Sprachrohr, dann wieder Verschweiger

Wieder einmal überließ die OZ ihren Lesern, zu erkennen, was hinter der skandalösen Forderung Liskows an den Koalitionspartner SPD im Landtag MV steckt, nämlich eine Aufforderung zum Rechtsbruch. Die OZ hatte sich zum Sprachrohr Liskows gemacht, indem sie seine Drohung ohne Nachfrage und unkommentiert veröffentlichte.

Heute veröffentlichte die OZ fünf Leserbriefe zum Thema. Hier ein Beispiel:
Vorhaben mit enormen negativen Auswirkungen
Unverständlich, daß Herr Liskow (CDU) Herrn Sellering (SPD) unsauberes Spiel vorwirft. Woher haben Sie diesen Erkenntnisstand? Ich nehme doch nicht an, von ihrer kurzen Stippvisite am Tag der Anhörung in Greifswald.Wer an diesen Terminen teilgenommen hat, erfuhr, daß es sich um ein Vorhaben handelt, welches enorme negative Auswirkungen auf unser Tourismusland, vor allen Dingen auf die Gesundheit, hat.
Die OZ hat so gut wie gar nicht teilgenommen. Deshalb erfuhren die Leser kaum Einzelheiten, dafür, wer während der Anhörung wo saß.

Ich hatte mehrere Beispiele genannt, die zeigten, wie unvollständig und falsch verschiedene Ergebnisse der Gutachter Dongs waren. Die meisten der aufklärenden Einwendungen kamen von Menschen, die hier zu Hause sind, was ja auch die OZ von sich behauptet.

Eine Stellungnahme brachte der Greifswalder Geograph Prof. Klüter vor, der mit keinem Wort in der OZ erwähnt wurde, dessen Überlegungen aber seit Anfang des Jahres bekannt waren, nur eben von den OZ-Redakteuren missachtet wurden.
Prof. Klüter wies nach, dass die Unterlagen über das öffentliche Interesse des Kohlekraftwerk - zugearbeitet vom Wirtschaftsministerium - von falschen Annahmen ausgehen und deshalb falsche Ergebnisse erbrachten. Die Region um Lubmin wird in den Dong-Unterlagen mit Großstädten wie Esbjerg und Rostock verglichen:

Die Darstellung des öffentlichen Interesses in den bisher bekannten Unterlagen (Wirtschaftsministerium u. a.) verschweigt, dass es in Deutschland mehrere Orte gibt, deren Entwicklung mit der in Lubmin angestrebten vergleichbar ist. Die lokale Komponente des möglichen Öffentlichen Interesses am Steinkohlekraftwerk Lubmin ist somit in den Unterlagen des Wirtschaftsministeriums und des DONG-Konzerns nicht dem derzeitigen Kenntnisstand entsprechend widergegeben. ...

Darüberhinaus wurde es unterlassen, den mit der möglichen Inbetriebnahmen der Steinkohlekraftwerks induzierten Entwicklungspfades auf seine Kompatibilität mit dem bestehenden Wirtschaftsportfolio vergleichend zu untersuchen, was zu Bewertung eines möglichen Öffentlichen Interesses grundlegend ist. Die zeitliche Komponente des möglichen Öffentlichen Interesses am Steinkohlekraftwerk Lubmin ist somit in den Unterlagen des Wirtschaftsministeriums und des DONG-Konzerns nicht dem derzeitigen Kenntnisstand entsprechend widergegeben. ...

Vergleichbar sei die Region mit Brunsbüttel. Auf über vier Seiten erläuterte der Geograph, was die Ansiedelung des Kraftwerkes in und um Brusbüttel anrichtete. Zu befürchten sei, dass sich weitere schmutzige Industrie ansiedeln werde. Das Ergebnis wäre eine Reduzierung der Übernachtungszahlen in Lubmin auf ein Zehntel.

Für Lubmin würde eine solche Zukunft (die Brunsbüttel bereits beispielhaft erlebte) bedeuten, dass die privaten und von der öffentlichen Hand getätigten Investitionen in die touristische Infrastruktur von Ostvorpommern, des Ostteils von Rügen und in die von Swinemünde und Wollin entwertet würden ...

Es dürfte klar sein, dass eine solche, anhand von Präzedenzfällen absehbare Negativentwicklung der Region die möglichen positiven Effekte des Kraftwerkbaus bei weitem übertrifft.

2007 waren im Gastgewerbe des Kreises Ostvorpommern 4.434 und im Kreis Rügen 5307 Personen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Geht man davon aus, dass von diesen 9741 Arbeitsplätzen 80% küstengebunden sind, dann sind durch eine Veralgung der Strände, hervorgerufen durch die Wassererwärmung der Kraftwerkskühlung 7.792 Arbeitsplätze gefährdet. Dieser Verlust kann selbst durch eine sehr optimistische Industrialisierungserwartung aufgrund des Kraftwerksbaus nie ausgeglichen werden.

Das Öffentliche Interesse an dem Bau des Steinkohlekraftwerks Lubmin fällt angesichts der Inkompatiblität mit der bestehenden Wirtschaftsstruktur an der Küste Ostrügens und Ostvorpommerns eindeutig negativ aus. Die gegenteiligen Ausführungen des Wirtschaftsministeriums MV sind unhaltbar.
Für weitere Erläuterungen in dieser Sache steht der Lehrstuhl für Regionale Geographie der Universität Greifswald zur Verfügung.

Hat die OZ Klüter befragt? Hat die OZ das StAUN befragt, ob es auf Klüters Angebot eingeht? Das war für die Greifswalder Zeitung, wie für die Mantelredaktion uninteressant.

Dafür erhielten die Leser der Greifswalder Zeitung immerhin eine Einschätzung des Professors zur geplanten Neugliederung MVs oder auch die Warnung Klüters, Greifswald könnte sie IC-Verbindung einbüßen, oder wie die OZ schrieb: verlieren (wie der Esel im Galopp).

Warum enthielt sich die OZ dann, so Wichtiges wie die Stellungnahme Klüters zum Kohlekraftwerk auch nur zu benennen? Kann mir das jemand erklären?

Nachtrag, 10. Dezember, 14.15 Uhr:
Heute steht auch in der Greifswalder Zeitung, was Blogleser schon seit Januar wissen und was ich gestren ausführlich wiederholte.
Woher kommt der viel zu späte Sinneswandel in der Redaktion? Wer kann mir das erklären?

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