2. Dezember 2008

Vom Umgang mit Leserbriefen

Leserbriefe sind bildlich ein zweischneidiges Schwert.
(Übrigens geht die Einbürgerung der Redensart wie die vieler anderer auf Luther zurück)
Einerseits lassen sich mit den Briefen in Zeiten der Materialnot blitzschnell ganze Spalten füllen. Andererseits enthalten Leserbriefe häufig Kritik an der Arbeitsweise der Redaktionen. Solche Briefe sind natürlich lästig. Und dann erhält die OZ Leserbriefe, die eine versteckte, wohl nicht einmal gewollte, Kritik enthalten, z.B. diesen:
DONG-Anhörung
Im Unterschied zu Herrn Liskow (CDU), der nach meiner Kenntnis höchstens ein paar Stunden bei der Anhörung dabei war, bekamen alle anderen Teilnehmer reichlich neue Erkentnisse zu dem Projekt von DONG Energy. Für uns, die Kritiker dieses Projektes, wurde innerhalb von 16 Anhörungstagen noch deutlicher, dass dieses Kohlekraftwerk für Lubmin, für M-V, für Deutschland und die Welt absolut überflüssig und schädlich ist und daher unbedingt abgelehnt werden muss.
(Das Gequatsche von Leuten wie Liskow ist indiskutabel. Diesen Leuten ist die Umwelt scheißegal!)

Oha, das hat gesessen: Jene die sich die Mühe machten, die Anhörungen zu verfolgen, hatten einen erheblichen Erkenntnisgewinn. Jenen, die nicht zuhörten oder nicht über das Verhandelte informiert wurden, gingen sehr wichtige Informationen verloren. Das heißt, ihnen war es nicht möglich, sich eine eigene Meinung zu bilden.

Das betrifft auch OZ-Leser, denn die Berichterstattung war dürftig. Wesentliche Fakten berichtete die OZ nicht, einfach, weil niemand zuhörte. Unvergesslich, weil voller Belanglosigkeiten, war der Langweiler in der Greifswalder Zeitung, in dem u.a. mitgeteilt wurde, wer wo sitzt.

Wenn ich bedenke, dass über ein in vieler Hinsicht entscheidendes Projekt für Vorpommern verhandelt wurde, finde ich, dass die OZ - mit Ausnahmen - versagt hat, die Greifswalder Zeitung sowieso. Und niemand soll jammern wegen der Unterbesetzung der Redaktion. Das interessiert zahlende Leser nicht. Sie wollen so informiert werden, wie es die OZ ihnen versprochen hat:

Der oben zitierte Leserbrief war aber noch nicht zu Ende. In der gedruckten Ausgabe fehlte dieser Abschnitt:
Und noch eine Bemerkung zum "größten privaten Investor in M-V": DONG Energy ist zu 70% im Besitz des Dänischen Staates, damit kaum privat, die Größe der Investition hat sich innerhalb von eineinhalb Jahren von 1,5 Mrd. € auf 2,3 bis 2,5 Mrd. € erhöht (Zahlen aus der OZ), aber nicht aus Liebe zu M-V, sondern auf Grund der Preissteigerung für die Ausrüstungen und davon hat M-V überhaupt nichts! Der überwiegende Teil der Investition wird außerhalb von M-V ausgegeben, die Kohle importiert, der Strom exportiert, nur die Schadstoffe bleiben in Mecklenburg-Vorpommern und auf diese können wir gern verzichten!
Waleri Lobanowitsch aus Kröslin
Völlig uninteressant für OZ-Leser, muss die Mantelredaktion gedacht haben. Das verwirrt und langweilt Leser nur.
Meinungen wiedergeben, daran sind die Leser gewöhnt; Fakten, in einen Zusammenhang gestellt - bloß nicht so ein neumodischer Kram!

Ärgert sich ein Leser über mangelhafte Recherche, nennt den Artikel flachen Journalismus und teilt das der OZ mit, passiert Seltsames:

Einerseits erscheint wenige Tage später ein Artikel, der den kritisierten Text ergänzt. Andererseits erhält der Briefschreiber eine Antwort auf einen Leserbrief, nach dessen Verbleib er sich gar nicht erkundigt hatte, weil er bereits online veröffentlicht wurde.

Hier zur Erinnerung Auszüge aus dem veröffentlichten Brief:

Was glauben Sie denn, wie viele OZ-Leser sich dafür interessieren, wohin Sie vor 11 Monaten ein Buch vermölt haben? Sie hätten es nicht nötig, mit solchen Banalitäten eine Spalte zu füllen. Sie und Ihre Greifswalder Kollegen hätten gut daran getan, sich in den vergangenen Wochen im Schawi einen Informationsgewinn zu verschaffen und Ihre Noch-Leser, die hier zu Hause sind, darüber zu informieren, was ein Investor vorbringen lässt, um ein Kohlekraftwerk schönzureden und wie das in der Bevölkerung ankommt. ... Falls die Greifswalder Lokalredaktion weiterhin darauf angewiesen ist, ihre Leser mit Nichtigkeiten zu langweilen, biete ich Ihnen an, für die nächsten 200 Tage täglich etwas Interessantes zu diesem Thema zu schreiben.
Nachgefragt hatte er wegen des nicht erschienenen Leserbriefes.
Die Antwort des Greifswalder Lokalchefs ist aufschlussreich:

Herzlichen Dank für Ihre kritischen Anmerkungen zur Berichterstattung der Lokalredaktion Greifswald und Ihr Angebot, uns 200 Tage lang Interessantes zum Thema Kraftwerksanhörung zu schreiben. Ich möchte aber auf Letzteres verzichten, weil ich denke, dass über dieses Thema in den vergangenen Tagen in der OZ ausführlich berichtet worden ist. In der Tat von einer Rostocker Kollegin und für den überregionalen Teil der OZ, damit auch die interessierten Leser auf Usedom und auf Rügen darüber informiert werden, die ja auch sehr zahlreich zu den Anhörungsterminen erschienen waren.

1. Wenn der Lokalchef meint, es sei ausführlich berichtet worden, kann er das nur äußern, wenn er keine Ahnung davon hat, was alles während der Anhörungen vorgetragen wurde. Ich habe einiges darüber berichtet und werde im Eintrag über diesem weitere Fakten weiterreichen, die für die OZ ohne Bedeutung sind, die aber zeigen, wie gefährlich das Kohlekraftwerk ist, übrigens auch für dessen Befürworter und OZ-Redakteure.

2. Der Lokalchef unterschlägt dem Briefschreiber die Möglichkeit der Redaktionen, Artikel untereinander auszutauschen. Somit wäre es nicht nötig gewesen, eine Rostocker Kollegin nach Greifswald zu beordern, damit Leser in anderen Kreisen Vorpommerns erfahren, wie die Anhörung endete. Andererseits verzichtete die Greifswalder Zeitung mehrfach darauf, Interessantes über den Widerstand auf Rügen zu berichten, der in der Rügener Zeitung mehrfach Thema war.
Die Lokalredaktion hielt es auch für überflüssig, jemanden zur Pressekonferenz der Einwendervertreter nach Abschluss der Anhörung zu schicken. Die Redaktion brachte sich damit um die Möglichkeit, weiter zu recherchieren und das Geschehen aus Greifswalder Sicht zusammenzufassen.
Da verstehe ich, wenn einem Kraftwerksgegner der sprichwörtliche Kragen platzt und er sich darüber beklagt, wenn ihm Banales verkauft wird.

Der Leser wandte sich nochmals an die Greifswalder Redaktion, wiederholte den nicht veröffentlichten Brief und wartet immer noch auf eine Antwort.

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