2. Dezember 2008

Kohlekraftwerk: Hintergrund zu Anhörungen

Die Umweltverbände und Bürgerinitiiativen, die nach Abschluss der Anhörungen zum Kohlekraftwerk zu einer Pressekonferenz einluden, warteten vergebens auf einen OZ-Vertreter. Für die OZ war das Thema bereits erledigt, ein Thema von außerordentlicher Bedeutung, bei dessen Bearbeitung die Zeitung nach meiner Meinung weitgehend versagte.

Hier einige Auszüge aus der Presseerklärung:

Einen Tag nach dem längsten Erörterungsverfahren in der Geschichte Mecklenburg-Vorpommerns stellen die Umweltverbände WWF, BUND und NABU und vier Bürgerinitiativen fest, dass das Steinkohlekraftwerk in Lubmin nicht genehmigungsfähig ist. Trotz des erheblichen Nacharbeitungsbedarfs und neuer Gutachten stehen einer Genehmigung unüberwindbare Hindernisse entgegen, die technisch nicht zu beseitigen sind.

Das ist doch eine Spitzennachricht, für die OZ nicht, nicht einmal eine Nachfrage wert. Nicht zu fassen!

So ist mit einem vermehrten Auftreten von Vibrio vulnificus und einer verstärkten Blaualgenblüte durch die Einleitung des Kühlwassers in den Greifswalder Bodden zu rechnen.

Der Entzug von Sauerstoff aus dem Kühlwasser wird zu Vergiftungen (Botulismus) der Wasservögel und zu einem Massensterben von Vögeln führen.

Der Betrieb des Steinkohlekraftwerkes wird den Quecksilbereintrag in den Bodden um 70 Prozent erhöhen. Schon jetzt werden die zulässigen Grenzwerte bei den Boddenfischen um das Fünffache überschritten.

Noch völlig ungeklärt sind die Auswirkungen der durch den Kohlestaub verbreiteten radioaktiven Strahlung auf die Gesundheit der Bewohner und der auf dem Industriegelände Beschäftigten. DONG energy hat bislang lediglich begutachten lassen, ob die auf dem EWN-Gelände vorhandenen Messgeräte funktionsfähig sind.

Bei den Lärmberechnungen wurden von DONG energy weder die Vorbelastung noch die zusätzlichen Emissionen durch die bereits genehmigten Gaskraftwerke und die geplante Anlande- und 1/9 Verdichterstation für die Ostseepipeline berücksichtigt. Auch ohne diese Schallquellen werden die zulässigen Grenzwerte nachts aber bereits erreicht.
Die Lubminer müssten also während der fünfjährigen Bauzeit mit nächtlichem Lärm rechnen, der ständig deutlich über den zulässigen Werten liegt. Dies hätte außerdem die Konsequenz, dass nach dem Kraftwerk keine weiteren Betriebe mehr zulässig wären, weil damit die Lärmkontingente komplett ausgeschöpft würden.

Weder aus klimapolitischer Sicht noch aus Gründen der Energiesicherheit ist das Steinkohlekraftwerk notwendig.

Selbstverständlich lieferten die Verbände Hintergrundmaterial, das das Versagen mehrerer Gutachter belegt. Genauso selbstverständlich hat das die OZ-Leser im Detail nicht zu interessieren. Sie werden mit Meinungen statt mit Fakten abgefrühstückt.


Hier Auszüge aus dem Hintergrundmaterial:

Radioaktivität

Die Verfasser des DONG-Gutachtens setzen die spezifischen Aktivitäten im Kohlenstaub mit den spezifischen Aktivitäten der Steinkohle gleich.
Laut SSK 1981 sind „die spezifischen Aktivitäten im Kohlenstaub

•für Radium-226, für Thorium-232 und für Uran-238 etwa 10-mal höher als in der Kohle

•für Blei-210 etwa 100-mal höher als in Kohle

•für Polonium-210 (Alpha-Strahler) etwa 200-mal höher als die spezifische Aktivität der Kohle.“

- Für Deutschland mit 85 Mio. Einwohnern: ca. 10 200 Todesfälle durch Krebs/Jahr durch natürliche Umweltradioaktivität (Prof. Ewen, Röntgenkongress 2008)

- Besondere Gefährdung von Kindern (Risikofaktor ca. 15-fach über dem Risikofaktor Erwachsener)

- KiKK-Studie (2007) vom Bundesamt für Strahlenschutz bezüglich Risiko von Kindern unter 5 Jahren, an bösartiger Krebserkrankung zu erkranken im 5-km-Umkreis von Atomkraftwerken: + 120 % für Leukämie + 60 % für andere Tumorarten

- SSK 1981: Kohlekraftwerke (insbesondere Steinkohlekraftwerke) emittieren mehr radioaktive Stoffe (7-fache) als Kernkraftwerke bei störungsfreiem Betrieb und erhöhen damit die Umweltradioaktivität in einem höheren Maße als Atomkraftwerke. (Quellen: Veröffentlichung der SSk 1981, Prof. Claus Grupen, Universität Siegen)


Vibrionen

Bereits 2007 hatte das Sozialministerium Mecklenburg-Vorpommern im Genehmigungsverfahren zum Steinkohlekraftwerk Lubmin auf die Gesundheitsgefahren durch Vibrio vulnificus hingewiesen und dies kurz vor den Erörterungsterminen noch einmal bekräftigt.

Unmittelbar vor den Erörterungsterminen wurde durch das Institut für Ostseeforschung Warnemünde als Ergänzung seiner Kühlwasserstudie Abbildungen zur zeitlichen Verteilung der Kühlwasserfahne veröffentlicht. Demnach kann es bei entsprechenden Windverhältnissen zu einer Verdriftung der Kühlwasserfahne an den gesamten Lubminer Strandbereich kommen. Diese Perioden können bis zu neun 9 Tage betragen.

Die Gefahr, dass die sich im erwärmten Kühlwassers stark vermehrenden Vibrionen in die Flachwasserbereiche des Seebades getragen werden, ist durch die Erkenntnisse des IOW erstmals sichtbar gemacht worden.


Blaualgen

Von erheblicher Relevanz für die Gesundheitsvorsorge ist das Problem der Blaualgenblüten im Greifswalder Bodden.
Sie können, das ist in den Erörterungsterminen deutlich herausgearbeitet worden, durch den mit dem Kraftwerksbetrieb verbundenen Nährstoff- und Wärmeeintrag stark gefördert werden.

Blaualgen haben die Eigenschaft, bei windstillen Wetterlagen „aufzurahmen“, d.h. an der Wasseroberfläche dicke Schichten zu bilden, die dann durch Windbewegungen und Strömungen bis an die Strände der Insel Rügen getrieben werden könnten.

Lebensräume von besonderer Bedeutung und europäisches Naturschutzrecht/EU-Stellungnahme

Das Steinkohlekraftwerk Lubmin soll an der Grenze zum FFH-Gebiet „Greifswalder Bodden, Teile des Strelasund und Nordspitze Usedom“ erreichtet werden. Innerhalb des FFH-Gebietes befinden sich vorrangige Lebensräume, deren erhebliche Beeinträchtigung nur mit zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses gerechtfertigt werden kann. Die Erörterung hat ergeben, dass mit eben jener erheblichen Beeinträchtigung für die „Borstgrasrasen“, die „Graudünen und den „Freesendorfer See“ durch Stickstoff- und Schwefeleinträge aus den Emissionen des Kraftwerks zu rechnen ist.


Da die Genehmigungsbehörde letztlich ebenfalls davon ausgeht, dass es zu einer Beeinträchtigung dieser Lebensräume kommt, muss sie sich mit der Bitte um Stellungnahme an die EU-Kommission wenden, die laut FFH-Richtlinie in diesen Fällen zu beteiligen ist. Die EU-Kommission prüft, ob die Voraussetzungen für eine so genannte „Abweichungsprüfung“ vorliegen, d.h. ob die zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses für den Kraftwerksbau vorliegen.

Diese können nur sein: Das Projekt ist für den Gesundheitsschutz des Menschen von Bedeutung, das Projekt dient der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder ist aus anderen ähnlich gewichtigen Gründen notwendig.

Die bisherige Argumentation von Landeswirtschaftsministeriums und DONG energy lassen keinen dieser Gründe erkennen.


Botulismus

Die Antragstellerin DONG energy schätzte bisher grobe das Thema Botulismus grob falsch ein. Das Bakterium Clostridium botulinum kann Botulismus hervorrufen. Das Toxin des Bakteriums ist eines der gefährlichsten Gifte und kann insbesondere bei großen Ansammlungen von Rastvögeln zum Tod tausender Tiere führen. Das Gift wird über kontaminierte Nahrungsbestandteile aufgenommen.

Das Einleiten des erwärmten Kühlwassers fördert Bedingungen, die zu Sauerstoffarmut in den Sedimenten des Greifswalder Bodden führen können.

Diese Gefahr wurde während Erörterung deutlich herausgearbeitet. Die DONG-Gutachter konnten diese Gefahren-Szenario nicht entkräften.

Insbesondere in strengen Wintern, wenn das erwärmte Kühlwasser eine eisfreie Rinne schafft, könnte es hier erfahrungsgemäß zu Massenansammlungen von Rastvögeln kommen. Dadurch steigt das Botulismus-Risiko deutlich. Die Kadaver der Vögel hätte vermutlich ebenso verheerende Wirkungen für den Tourismus des Landes, wie die Vogelgrippe vor wenigen Jahren.

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