1. Oktober 2009

OZ trotzt dem wahren Arbeitsleben

Allerlei Unsinn über den Arbeitsmarkt können Sie heute in der OZ lesen, z.B., dass er trotzt, z.Zt. eines der Lieblingswörter in den Redaktionen.
Arbeitsmarkt trotzt Krise
... Im Vergleich zum Vorjahr sind aber 266 000 Menschen mehr arbeitslos. ...
Abgesehen davon, dass ein Markt nicht trotzen kann, sind trotz allerlei Statistik-Tricks eindeutig mehr Menschen arbeitslos als im Vorjahresmonat. Die 1,4 Millionen Kurzarbeiter werden nicht einmal erwähnt - klar, sie sind ja nicht arbeitslos.
Die Arbeitslosenquote sank (in M-V) im Vergleich zum August von 12,8 auf 12,2 Prozent, das ist der geringste Wert in einem September seit der Wende. ...
Diesem Quatsch trotze ich,
(trotzen sich aufbäumen, sich auflehnen, die Stirn bieten, entgegentreten, entgegenwirken, Front machen, opponieren, Sturm laufen, sich wehren, sich widersetzen, Widerspruch erheben, Widerstand leisten, sich zur Wehr setzen; (geh.): aufbegehren, sich bäumen, frondieren; (bildungsspr.): rebellieren, revoltieren; (ugs.): auf die Barrikaden gehen/steigen, sich auf die Hinterbeine setzen/stellen, aufmucken, meutern; (geh. veraltend): aufstehen; (veraltet): trutzen.
© Duden - Das Synonymwörterbuch, 3. Aufl. Mannheim 2004 [CD-
ROM])
denn was hier verbreitet wurde, ist grundfalsch. Ein Vergleich der Arbeitslosenzahlen mit denen von 1991 führt zu falschen Aussagen, weil durch zahlreiche Veränderungen bestehender Gesetze, durch neue Gesetze und statistische Tricks etwa eine Million Arbeitslose weniger gezählt werden, als existieren.

Denselben Fehler machte ein Redakteur der Greifswalder Zeitung:
Greifswald hat geringste Arbeitslosigkeit seit 1991
Blödsinn! Nicht einmal die Zahlen von 2008 können mit denen von 2009 verglichen werden. Er tut es, der Hochwertjournalist.

Dazu ein paar kostenlose Hinweise:

... Marco Bangel von der Postbank erklärte: "Die Regelung zum Kurzarbeitergeld und auch statistische Effekte durch die Umgliederung der Arbeitslosen verzerren das Bild." ...

Hier mehr zur geschönten Statistik:

... * der starken Zunahme von Minijobs,
* dem drastischen Anstieg der Leiharbeit,

* dem Hineindrängen der Arbeitssuchenden in 1-EUR-Jobs,
* dem demografisch bedingten Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials (hierdurch vermindert sich automatisch die Zahl der Arbeitslosen, allein im Jahre 2009 um jahresdurchschnittlich ca. 150.000 Personen),

* statistischen Tricks (so werden z.B. seit 2007 viele Arbeitslose über 58 Jahre statistisch nicht mehr als Arbeitslose ausgewiesen),

* der seit 2007 vorgenommenen Verschärftung der "systematischen Überprüfung des Arbeitslosenstatus" durch die Bundesagentur für Arbeit. Hierdurch sind viele Arbeitslose aus der offiziellen Arbeitslosenstatistik herausgefallen ...
Hervorhebung von mir

Ganz ausführlich und umfassend wird hier analysiert:

Der letzte Arbeitsmarktbericht aus der Zeit vor den Wahlen: Immer mehr echte Arbeitslosigkeit und eine verlogene Statistik

... Nach einem weiteren Gesetz zur Neuregelung von Arbeitsmarktinstrumenten werden seit Mai dieses Jahres alle Arbeitslosen, die durch private Träger betreut werden, nicht mehr als arbeitslos gezählt. Im April waren Dritte bundesweit für rund 200.000 Personen mit der Vermittlung beauftragt, wobei die Teilnahmen an diesen Instrumenten ab Mai 2009 sukzessive auslaufen. Die Bundesanstalt gibt für Juli keine neuen Daten an, liefert aber eine Schätzzahl für die „Unterbeschäftigung" - eine euphemistische Umschreibung für „Arbeitlosigkeit" -, in die die frühere Beauftragung Dritter eingeht.
Hervorhebung von mir

„Unterbeschäftigt" sind nach Bundesagentur im engeren Sinne Personen in
beruflicher Weiterbildung,

Arbeitsgelegenheiten,

Arbeitsb
eschaffungsmaßnahmen,
Beschäftigungszuschuss,

vorruhestandsähnlicher Regelung,
Arbeitsunfähigkeit (§ 126 SGB III)

im weiteren Sinne zusätzlich Personen mit
Gründungszuschuss,

Existenzgründungszuschüsse,

Einstiegsgeld - Variante: Selbständigkeit oder in Altersteilzeit.


Die Unterbeschäftigung im weiteren Sinne soll im September bei 4,5 Millionen gelegen haben (noch ohne Kurzarbeit) und damit 1,1 Millionen mehr als die offiziell ausgewiesene Zahl der Arbeitslosen. Hier wird also Arbeitslosigkeit versteckt.
...

Mal sehen, wie lange die OZ in Sachen Arbeitsmarkt noch dem Rest der Wahrheit trotzen kann, paradox für eine Tageszeitung.
Im Übrigen schlage ich der OZ statt diesem

einen neuen Werbespruch vor:
Ostsee-Zeitung
agenturabhängig, unternehmerfreundlich, CDU-nah und regierungsergeben

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