3. Juni 2009

Noch 'n Märchen gefällig?

Manchmal lohnt es sich, einen Eintrag wegen Zeitnot aufzuschieben. So erging es mir gestern mit diesem Artikel aus der Greifswalder Zeitung:
Kohlekraftwerk Lubmin: Langjähriger Bodden-Taucher befürchtet negative Folgen
... Nach der Inbetriebnahme des KKW beobachtete er weitere Veränderungen unter Wasser. Trotz der Versicherungen der Bauplaner, dass die so genannte "Warmwasserfahne", das erhitzte Kühlwasser aus dem Kraftwerk, nur 300 bis 400 Meter wahrnehmbar sei, meint Karl-Heinz Krüger, die Auswirkungen des Kühlwassers noch 13 Kilometer weiter an der Küste Südost-Rügens zu bemerkt zu haben. Kurz vor Thiessow habe er massive Verkrautungen gesehen, die es vorher dort nicht gegeben habe, und die durch das erwärmte Wasser entstanden seien. Auch die Vermehrung einer bestimmten Grünalgensorte sei in jenen Jahren sichtbar geworden. ...
Seit der Schließung des Atomkraftwerks habe er mit Freude wahrgenommen, wie sich der Bodden wieder erholt habe ...
Die Beobachtungen von Karl-Heinz Krüger müssen nicht einzig und allein mit den Kühlwassereinleitungen zusammenhängen. Auch der Nährstoffeintrag durch die Landwirtschaft ist seit Beginn der Neunziger Jahre stark zurückgegangen und hat entscheidend zur Verbesserung der Wasserqualität beigetragen. ...
Es sind eben nur Beobachtungen eines Tauchers, die sofort angezweifelt werden. Das zu tun, ist richtig.
Wenn Laien etwas zu sagen haben, zweifelt die OZ, nicht so, wenn Bonzen Märchen erzählen, wie heute wieder einmal in der Greifswalder Zeitung nachzulesen ist:
Chef des DGB Nord für Steinkohlekraftwerk
Der Chef des DGB Nord, Peter Deutschland, hat sich gestern für den Bau des Steinkohlekraftwerks in Lubmin ausgesprochen. Das Projekt von Dong Energy sei ein Betrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in der strukturschwachen Region und zur Entwicklung des Lohnniveaus, sagte Deutschland nach einem Besuch von Gewerkschaftern am künftigen Standort. Die Bauwirtschaft, der Mittelstand und Zulieferer würden von den Vorhaben profitieren. Befürchtungen, das Steinkohlekraftwerk bedrohe Arbeitsplätze im Tourismus, teile er nicht, sagte Deutschland. Entsprechende Horrorvisionen müssten vom Kopf auf die Beine gestellt werden, betonte der DGB-Chef.
Niemand wird dazu befragt, keine Aussage wird bezweifelt, wo doch massive Zweifel angebracht sind - nur nicht in der Greifswalder Zeitung.

Arbeitsplätze:
Nicht einmal Dong-Vertreter Gedbjerg wagt es mehr, das Arbeitsplatzargument zu nennen, weil er wie viele andere Kundige weiß, dass es keines ist.

Entwicklung des Lohnniveaus:
Wenn, wie schon vor langer Zeit geäußert, lediglich 30 gut bezahlte Arbeitsplätze für Leute aus der Region vorhanden sind, entwickelt sich gar nichts, denn die meisten der benötigten Arbeitskräfte werden woanders bereits jetzt gut verdienen, z.B. in den EWN, von denen sie ins Kraftwerk wechseln würden. Jene Arbeitskräfte, die für das Bewachen, Reinigen und andere Dienstleistungen im Kraftwerk gebraucht würden, würden genauso mies bezahlt wie jetzt, weil Dong die Arbeiten nichts selbst ausführte, sondern Dienstleister beauftragte.

Besuch von Gewerkschaftern am künftigen Standort:
Werden jetzt Gewerkschafter (Von wo?) herangekarrt, damit sie sich P.-Deutschland-Märchen (Wessen noch?) anhören? Das erinnert sehr an Kaffeefahrten.
Welche Rolle spielt der Mann in dem Trauerspiel wirklich? Wie ist sein Verhältnis zu den selbsternannten Ratgebern? Fragen Sie die Redaktion. Dort bekommen Leute dafür bezahlt, so etwas herauszufinden, nicht dafür, ohne Nachfrage Märchen zu verbreiten und sie Ihnen auch noch als Nachricht zu verkaufen. Ansonsten sind sie überbezahlt.

Profiteure:
Genau jene Dienstleister, die ihren Mitarbeitern Hungerlöhne zahlen, würden profitieren.
Der Gewerkschaftsbonze vergaß zu erläutern, wie denn die Umwelt vom Kraftwerk profitieren soll. Die Redaktion fragte nicht nach.

Nicht geteilte Befürchtungen:
Eine reine Meinungsäußerung, durch nichts belegbar. Das Gegenteil, also Bedrohen von Arbeit im Tourismus, wurde anhand von Beispielen schon vor anderthalb Jahren belegt; P. Deutschland und der Greifswalder Zeitung ist das scheißegal. Ebenso egal ist dem Gewerkschaftsbonzen die Umwelt.
Wenn er von Horrorvisionen spricht, beleidigt er jene, die nachweisen konnten, dass es keine Vision ist.

Das Schäbige an beiden Artikeln ist, dass die Greifswalder Redaktion Ende vorigen Jahres konsequent vermied, über die Ergebnisse der Anhörung zum Kohlekraftwerk zu berichten (mit Ausnahme des beeindruckenden Peinlichkeit, die besagte, wer während der Anhörung wo sitzt). Während der Anhörung kamen Experten zu Wort, die tatsächlich etwas zu sagen hatten, die das StAUN und damit Dong zwangen, umfangreich nachzuarbeiten, weil sie wissenschaftlich die Fehler und Versäumnisse der Dong-Zuarbeiter belegten. Tag für Tag wurden Fakten in großer Menge genannt. Das war der Greifswalder Redaktion egal. Arrogant schlug sie sogar die Hilfe eines Lesers aus, diese Fakten aufzubreiten.
Das alles erweckt den Eindruck, die Greifswalder Redaktion wollte gar nicht aufklären, weil klar war, dass das Kraftwerksprojekt so nicht durchgesetzt werden konnte.

Was hat denn das mit Journalismus zu tun? Nichts.

1 Kommentar:

  1. Was der Gewerkschaftsbonze genau weiß und die OZ verschweigt, wie sich das "hochqualifizierte" Personal für das DONG-Kraftwerk zusammensetzen soll:
    Führungskräfte: ca. 15
    Ingenieure: ca. 10
    Facharbeiter: ca. 60
    Arbeiter: ca. 40
    Administratives Personal: ca. 15
    Personalbedarf insgesamt: ca. 140
    Und das ist noch gelogen, wie fast alles, was uns aufgedongt wird. Im Emsland will DONG auch ein 1600 MW-Kraftwerk bauen und mit 100 Leuten betreiben.
    Hoffentlich haben alle Gewerkschaftler, die ihren Boss finanzieren, genau gelesen, welche Interessen dieser Bonze vertritt: Baugewerke, Mittelstand, Zulieferer. Von Arbeitern und Angestellten ist keine Rede.

    AntwortenLöschen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.

Google