2. Dezember 2011

Überraschung

Seit Jahren beraten Politiker unter sich oder mit Experten, wie den Rechten Einhalt geboten werden könnte. Die OZ gibt das Gequake wieder, das nichts verändert, wie z.B. hier.
Nun endlich und ausgerechnet aus der Usedomer Redaktion und damit überraschend kommt ein Artikel, der etwas von dem freilegt, was gemeinhin als Nährboden aufgefasst wird:
Abgrenzungsprobleme bei Umgang mit der NPD
Vom Umgang mit der NPD in gewählten Volksvertretungen der Region: Demokraten haben Schwierigkeiten, sich deutlich abzugrenzen. In Heringsdorf fanden jetzt erste Anträge der Rechten sogar eine Mehrheit. ...
Wie es so zugeht in der Gemeindevertretung:
Das Entzaubern fällt schwer, mancherorts ist statt dessen mehr oder weniger stilles Dulden angesagt. „Über Verbot oder Nichtverbot zu reden, ist leicht. Die direkte Konfrontation vor Ort ist ungleich schwerer“, findet Landrätin Barbara Syrbe.

So in der Heringsdorfer Gemeindevertretung, wo Beschlussanträge der NPD-Fraktion längst keine Ausnahme mehr sind. Bereits neun gab es laut Rathaus-Sprecher Marcus Strömich in den vergangenen zwei Jahren. „Ein stringenter Umgang mit der NPD-Fraktion wird in der Gemeindevertretung nicht geübt.“ Während beispielsweise im Landtag verabredet ist, NPD-Anträgen grundsätzlich nicht zuzustimmen und zudem eine Diskussion dazu abgelehnt wird, erleben Beobachter in Heringsdorf gänzlich Anderes. Die Gesten der Kompromissbereitschaft reichen von der gemeinsamen Zigarette vorm Tagungslokal über das Kopfnicken zur Begrüßung bis zur Unterstützung von Beschlussvorlagen.

Dass von der rechtsextremen Partei besetzte Themen in der jüngsten Sitzung am 24. November erstmals sogar Mehrheiten fanden und NPD-Anträge so das Parlament passierten, ist für den Gemeindevertretervorsteher Helmut Friedrich nicht nachzuvollziehen. Zumal auch Mitglieder der Fraktion BI/Die Linke und der CDU zustimmten.
Der einfache Ausweg: Bessere Anträge früher einbringen. Das allerdings müssen diese Leute erst einmal können. Vielleicht ist genau da nachzuforschen.
„Wir dürfen Rechts keine Plattform geben. Man kann auch einen guten Antrag ablehnen. Was in der jüngsten Sitzung passiert ist, war kein gutes Zeichen“, sagt Friedrich. Immerhin ist Heringsdorf nach Wolgast die zweitgrößte Kommune der Region, wollen die Kaiserbäder das Non-plus-Ultra der Ferieninsel verkörpern.
Dass Friedrich den beiden NPD-Abgeordneten allerdings auch regulär mit einer Flasche Sekt zum Geburtstag gratuliert, rechtfertigt er als „seine Pflicht“ als Vorsteher der Gemeindevertretung. „Sie sind vom Volk gewählte Vertreter. Da muss ich sie gleich behandeln, auch wenn ich ihre Gesinnung nicht teile.“ ...
Da hat Friedrich Recht.

Es ginge natürlich auch, verzichteten alle Gemeindeverteter auf die Flasche Sekt. Egal, die komplette Hilflosigkeit der Gemeindevertreter setzt sich ungehindert fort. Das ist das tatsächliche Dilemma. Und es ist endlich einmal geschildert worden. Ich bin angenehm überrascht.

2 Kommentare:

  1. Edward2.12.11

    Ja, ist ein guter Artikel, weil vor allem journalistisch informierend und nicht taz- oder BILD-gemäß eine Meinung vorgebend. Ist schon eine gute Idee gewesen, den Entschließungsvorschlag für den Kreistag am Montag zum Anlass zu nehmen und nachzufragen wie das in den einzelnen Gemeinden so gehandhabt wird.
    Denn wie geht man vor, wenn wie in Heringsdorf die NPD-Anträge wirklich zu lösende Fragen aufwerfen (das ist wohl mit "guten Anträgen" gemeint)?
    Ein Beispiel habe ich per Livestream auf dem letzten Landtag erlebt, als eine Abgeordnete der Linken im Namen aller anderen Fraktionen sprach und nicht den Antrag an sich, sondern die Begründung auseinander nahm. Und das als Grund angab, dem Antrag nicht zustimmen zu können.
    So verstehe ich auch den Wolgaster Bürgermeister, der in dem Artikel der Usedomer Redaktion zitiert wird: "Stefan Weigler (parteilos). Auch er gratuliert ausnahmslos allen Abgeordneten mit Karte zum Geburtstag, setzt aber zugleich auf die inhaltliche Auseinandersetzung mit NPD-Denkmustern. „Vielleicht gelingt es ja sogar, Leute auf den demokratischen Weg zu bringen“, macht er sich Hoffnung."
    Sicher illusorisch verweist aber auch einen anderen Aspekt: bei Ausgrenzung werden auch alle Brücken eingeschlagen. Erleben wir ja gerade beim (ehemaligen?)Piraten im Kreistag. Auch wenn man sich wandelt, bleibt in den Augen der Anderen immer ein Nazi. Ob das die Lösung ist?
    Ich bin auf die Reaktion des Kreistages und insebsondere de Grünen gespannt, wenn es um den Beschlussantrag der NPD geht, dass die Landräting gegen das polnische Kernenergieprogramm votieren solle.

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  2. Edward2.12.11

    Mist wieder Schreibfehler.

    ach und noch zwei Bemerkungen:
    erstens scheint der Artikel in der Print-Ausgabe die Überschrift "Schon mittendrin, statt nur dabei: Sekt und Glückwünsche zum Geburtstag" zu haben. (jedenfall im E-Paper)
    und zweitens hat Nina ein Interview mit dem "NPD-Experten" Hoffmann geführt und gute Fragen gestellt. Besteht also doch Hoffnung ;-)

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