14. August 2009

Vorsicht, Einlullgefahr!

Die OZ hat herausgefunden und es als Titelgeschichte gebracht:
Die Wirtschaft zieht wieder an - auch in MV
Die deutsche Wirtschaft wächst wieder: Um 0,3 Prozent stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal - eine Überraschung für Konjunkturforscher, denn die hatten ein Minus prophezeit. Auch in Mecklenburg-Vorpommern gibt es erste Anzeichen dafür, dass die Talfahrt gestoppt ist. "Die Geschäftserwartungen haben sich seit Januar 2009 leicht aufgehellt", stellt die Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Schwerin in der Sommer-Konjunkturumfrage fest. Trotz schwieriger Lage wachse die Zuversicht. ...
Einmal abgesehen davon, wie die 0,3 Prozent zu werten sind (Sie beziehen sich auf das Vorquartal. Wo ist der Vergleich mit dem Vorjahresquartal? Er wurde den Lesern unterschlagen, denn das wäre nicht passrecht: Im Vergleich zum Vorjahresquartal sank allerdings das reale BIP, die Summe aller erwirtschafteten Waren, Güter und Dienstleistungen um -7,1%. Dies ist der höchste prozentuale Einbruch, der jemals in einem Quartal ermittelt wurde!), verwechselte der Autor die Erwartung von Unternehmern in MV mit dem vorläufigen Ergebnis einer BIP-Berechnung. Es ist unredlich, das miteinander zu vermischen.

Erst am Schluss des Aufmachers ist Bedenkliches zu lesen:
Der Konjunkturexperte der IHK Rostock, Thomas Einsfelder, warnt unterdessen: "MV hat die Talsohle noch nicht erreicht". Die Mehrzahl der Unternehmen im Kammerbezirk gehe von einer gleichbleibend schlechten Entwicklung aus. Im Gegensatz zu anderen Wirtschaftsexperten des Landes rechnet Einsfelder mit einem Einbruch des BIP in der zweiten Jahreshälfte. ...
Auch der Kommentar ist weitestgehend eine Schönschrift, teilweise in der Möglichkeitsform verfasst:
... Die wirtschaftliche Talfahrt scheint eher gestoppt als erwartet, die milliardenschweren staatlichen Konjunkturprogramme einschließlich der viel kritisierten Abwrackprämie wirken wie gedacht.
Und dann:
Die Riege der Analysten und Wirtschaftsforscher steht bedröppelt da wie ein Klub von Kaffeesatzlesern: Ihre pessimistischen Erwartungen, dass es erst 2010 oder sogar 2011 wieder aufwärtsgehen wird, scheinen von der Wirklichkeit widerlegt.
Fragt sich, warum die OZ seit Jahren diese Zahlen veröffentlicht und sich von den Lesern für die Kaffeesatzvervielfältigung bezahlen lässt.

Dass die 0,3 Prozent nichts zu bedeuten haben und die Erwartungen Erwartungen sind, haben viele andere Medien erkannt. Hier eine Auswahl:

Das unerwartete Wirtschaftswachstum
Gefährliche Illusion


... Es gibt keine ernsthaften Anzeichen für einen Aufschwung nach dem Absturz, also keine Hoffnung auf eine V-Konjunktur. Die insgesamt immer noch hochgradig instabile Wirtschaftsentwicklung könnte eher zu einer W-Konjunktur auf einem insgesamt niedrigen Niveau führen. Einer leichten Besserung kann schnell wieder der Rückschlag folgen. Dafür sprechen mehrere Gründe ...

"Deutsches BIP - Rezession beendet?"

... Denn die Differenz aus Exporten minus Importen fließt ins BIP ein, was durchaus zu der kuriosen Situation führen kann, das weniger Binnennachfrage zu einem höheren BIP führen kann, wenn im Gegenzug die Exporte weniger stark fallen. Aus diesen Daten der ersten Schätzung zum BIP, mit eventuell noch drohenden Revisionen und einem gewaltigen Einbruch zum Vorjahresquartal ein Ende der Rezession zu definieren ist mehr als nur eine unkritische Sichtweise! Hier wird ein weiterhin sehr schwaches Quartal bewusst in ein Rezessionsende umgedeutet. Schönreden, schönfärben waren u.a. bereits feste Bestandteile eines Szenarios das zur Wirtschaft- und Finanzkrise führte, genau wie kreative Buchführung, versagende Ratingagenturen, Aufsichtsräte und Finanzaufsichten, laxe Kreditvergabe und ungezügelte Kreditexpansion, Deregulierung der Finanzmärkte und zu guter letzt die hemmungslose Gier.

Die Leichen im Keller des Finanzsystems

Ein klitzekleines Wachstum im II. Quartal 2009 hebt die Stimmung im Sommerloch. Doch in Wirklichkeit ist die Krise auf dem Arbeitsmarkt noch gar nicht angekommen. ...

In Kürze wird der Einbruch des Welthandels viele Unternehmen des Gütertransports treffen, von der rollenden Lagerhaltung auf der Straße über die Schienen- und Luftfracht bis zu den Reedern und Häfen angesichts der riesigen Überkapazitäten im Container-Verkehr auf den Weltmeeren. Als nächstes ist dann die einschlägige Investitionsgüter- und Zulieferindustrie dran. Die gleiche Entwicklung zeichnet sich für die Autoindustrie ab, deren künstliche Ernährung durch die Abwrackprämie nur einen temporären Effekt haben wird. Und das gilt nicht nur hierzulande für derartige Programme, sondern in großen Teilen der EU. Ganz zu schweigen von der Endlagerung der Leichenberge im Keller des Finanzsystems, die bis jetzt nur in Absichtserklärungen besteht. ...

Ausführlich analysiert finden Sie hier Hintergrund statt Schönschrift:

Wirtschaftsleistung im 2. Quartal: Die Leichen unter dem Teppich des angeblichen Wachstums


Die OZ schrieb mindestens seit 2007 schön, dass sich bildlich die Balken bogen und tat es bis in den Herbst 2008 unverdrossen weiter, was auch als Leserverblödung gewertet werden könnte. Fragt sich, warum die OZ nun wieder mit der Schönschreiberei loslegt? Regierungsblättchen eben.

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