16. Juli 2010

Kreativer Journalismus nach Art des Hauses

Lennart Plottke, Redakteur in Zinnowitz, erklärte Anfang Mai den Lesern, was er unter Kreativität versteht, was ich nicht verstehen konnte.
Was der Mann unter kreativem Journalismus versteht, also einer Art Weiterentwicklung des kritischen Hochwertjournalismus nach Art des Hauses, zeigte er heute zweifach.

Er schaffte es, über den geplanten Koloss von Heringsdorf 338 Wörter zu schreiben, ohne auch nur eine Gegenmeinung zu dem Projekt wiederzugeben, obwohl es ausreichend Gegner gibt.
Heringsdorf in neuem Gewand
Einige Auszüge aus der Schrift, angefangen mit der Bildunterschrift:
Der Platz des Friedens soll zu einem attraktiven Bereich umgestaltet werden.
Das ist eine reine Meinungsäußerung des Autors, die in einen Kommentar gehört, nicht in einen Bericht, denn viele Heringsdorfer sind entsetzt über den Koloss. Sie werden dem Autor mit Recht vorwerfen, Größe mit Attraktivität zu verwechseln.
„Mit der Umgestaltung wird ein erheblicher städtebaulicher Missstand beseitigt“, erklärt Herbert Dzial, geschäftsführender Gesellschafter der für die Neugestaltung zuständigen HD Projektentwicklungs GmbH. ...
... und möglicherweise ein neuer geschaffen.
Schon hier hätte der Autor nachfragen müssen, wäre er Journalist und nicht ehrenamtlicher Propagandasekretär der HD Projektentwicklungs GmbH.
"... Unser Neubaukonzept sieht hingegen vor, ein für Bevölkerung und Touristen offenes, attraktives Ortszentrum zu schaffen.“ ...
Ist das zu fassen? Was wäre das für ein Ortszentrum, das geschlossen wäre? Sind der Mann und dessen Nachplapperer noch zu retten, das als etwas Besonderes hervorzukehren?
Die Gemeinde Heringsdorf hat in ihrem städtebaulichen Leitbild die Aufwertung des Ortszentrums beschlossen. Die Aufwertung soll dem Seebad eine angemessene und repräsentative Innenstadt geben.
Angemessen? Repräsentativ? Ich finde es einfach nur kolossig und damit unangemessen.
Dazu gehört neben einer modernen Architektur auch die Öffnung des gesamten Areals für Bewohner und Touristen. ...
Schon wieder wird als besonders hervorgehoben, dass jedermann dort entlanggehen kann - naklar, es gibt nur einen Grund: Die Leute sollen dort einkaufen. Wie sollten sie sonst die Geschäfte erreichen?

Noch ein wenig Schwulst und darin ein Fakt versteckt:
Zukünftig wird das Zentrum von Heringsdorf ein Ort der Begegnung sein: Die Hälfte der Grundstücksfläche ist für öffentliche Nutzungen vorgesehen. ...
Die Hälfte ist nur für jedermann zugänglich? Sieh da. Und was steht oben?:
Dazu gehört ... auch die Öffnung des gesamten Areals für Bewohner und Touristen. 
Merkte der Autor nicht, was für einen Mist er hier verzapfte?
Der Friedensplatz und der Kulmplatz werden zu attraktiven Stadtplätzen umgestaltet. ...
Schon wieder Attraktives. Doch worin besteht sie? Keine Erklärung, nichts.
Einen der zwei Gründe, überhaupt etwas für alle zu öffnen, steht hier:
Unter einer Glasdecke kann auch bei schlechtem Wetter eingekauft werden. 
Der zweite Grund ist die sonst absehbare Ablehnung durch die Gemeindevertreter.
Eine neue Tiefgarage mit öffentlichen Stellplätzen befreit die Ortsmitte von störendem Autoverkehr und zugeparkten Wegen. 
Das ist Unsinn! Leute, lasst euch nicht verblöden! Da Hotelkapazitäten geschaffen werden sollen, wo heute kein einziges Hotelbett existiert, wird zusätzlicher Fahrzeugverkehr (Gäst, Belieferung, Entsorgung) entstehen und gegen Parkgebühr (Wie hoch?) unter der Oberfläche versteckt.

Noch mehr Schwulst statt Information:
eine zeitgenössische Architektursprache gewählt, die mit der Bautradition der Seebäder kommuniziert. Höhepunkte sind eine Glaskonstruktion, die den öffentlichen Stadtplatz überwölbt, sowie ein im obersten Stockwerk des neuen Hotels liegendes, verglastes Schwimmbad.
Dass der Autor als PR-Schreiberling möglichwerweise geeignet wäre, zeigt er auch mit dieser Reklame:
... Insel- Open-Air „Usedom Rock“ ... In diesem Jahr warten die Organisatoren mit einer Neuerung auf: Auf Initiative der Kaiserbäder wird vom 27. bis 29. Juli ein Zeltplatz für 300 Besucher in unmittelbarer Nähe zum Konzertgelände am Ahlbecker Grenzparkplatz eingerichtet. Das Kombi-Ticket (zwei Übernachtungen plus Festivaleintritt) gibt es ab sofort für 45 Euro zzgl. Vorverkaufsgebühren unter www. ... Darüber hinaus sorgen am 28. Juli kostenlose Shuttlebusse für eine schnelle An- und Abreise. Auf ein legendäres „Usedom Rock 2010“ mit Silbermond und den Roten Gitarren freut sich jetzt schon Ihr Lennart Plottke
Wenn schon nicht attraktiv, dann zumindest legendär und natürlich kreativ. (Seit wann gibt es diese Art von Rockkonzerten, seit 40 Jahren? Dann erklärt sich von selbst, was der Mann unter kreativ versteht.)

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