23. Januar 2009

Über Qualitätsjournalismus

An dem, was eine Zeitung weglässt, erkennt der Leser den Geist, der in den Redaktionen herrscht:
Bundessozialgericht: Hartz IV reformieren
Warum der BSG-Präsident zur Reform aufruft:
... Der Zuwachs der Klagen und Eilanträge gegen Hartz IV lag 2008 bei satten 28 Prozent - die Sozialgerichte stöhnen immer lauter unter der Arbeitslast.
Es wird wieder gestöhnt in der OZ.

Die Arbeitslast ist der Antrieb, an die Öffentlichkeit zu gehen. Die Gründe der Betroffenen spielen keine Rolle.

Schon vor Inkrafttreten hatten verschiedene Verbände vor einer Klagewelle gewarnt, zumeist von den Medien verschwiegen. Nur selten war in der OZ zum Thema etwas zu lesen.
Und er benannte auch die Punkte, in denen Nachbesserungsbedarf bestehe: Dies seien die zu ungenauen Vorgaben zur Kostenerstattung für Unterkunft und Heizung, aber auch zur Anrechnung von Einkommen und Vermögen.
Seit Jahren ist das bekannt.
Warum die Zahl der Hartz-IV-Klagen weiter steigt, dafür haben die obersten Sozialrichter keine eindeutige Erklärung. Handwerkliche Fehler im Gesetz könnten nicht die alleinige Ursache sein. Das kann auch an einer erhöhten Klagefreudigkeit liegen ...
Vielleicht meinte er mit Klagefreudigkeit so etwas im Sinne von Kauflaune, ein Lieblingswort in der OZ-Mantelredaktion?
Das ist Blödsinn!

Natürlich sind es einerseits die handwerklichen Fehler. Es sind ebenso die Fehler der Mitarbeiter in den Argen, die nach abgewiesenem Widerspruch zur Klage führen - seit vier Jahren kein Thema in der OZ.
Und es ist die Erniedrigung, die bevorstehende oder erzwungene Verarmung, die viele Leute jede Möglichkeit wahrnehmen lassen, zu ihren Recht zu kommen. Die Aussichten sind gut, da etwa jeder zweite Fall zugunsten der Kläger ausgeht. Da müsste bescheuert sein, wer nicht klagt.

Nun zum Weggelassenen:

Die BSG-Vizepräsidentin Ruth Wetzel-Steinwedel kritisierte zudem die gängige Praxis der Jobcenter und Argen. Oftmals würden die Urteilssprüche des Bundessozialgerichtes durch die Argen ignoriert, so dass ALG II Betroffenen erneut vor Gericht ziehen würden. Dies sei ein "Perpetuum Mobile".

Am kommenden Dienstag wird das Bundessozialgericht über die Höhe der Hartz IV Kinderregelsätze entscheiden. Das Urteil wird mit Spannung erwartet.

Nicht mitgeteilt wurde, dass es Änderungsvorschläge gibt, z.B. diese:

Die Bundesregierung sei aufgefordert, unverzüglich für die Rechtssicherheit der Betroffenen zu sorgen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Behörden sind zu qualifizieren. Die Einsparzielvorgaben an die JobCenter, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter Druck setzen, müssen abgeschafft werden. Die Betroffenen brauchen unabhängige Beratungsstellen, um ihre Rechte besser durchsetzen zu können.

Ganz vergessen hat die OZ, dass das Gesetz bereits zum 1. Januar geändert wurde, vielleicht mit neuen Belastungen für die Sozialrichter.
Überhaupt noch kein Thema waren die Massen an Widersprüchen gegen Bescheide der Argen. Wie viele gab es seit Anfang 2005? In wie vielen Fällen wurde den Widersprüchen stattgegeben? Wie ist das in der Musterarge Greifswald?

Warum fragte die OZ nicht z.B. Anwälte, warum nicht Arbeitslosenvereine? Geht nicht, keine Zeit, war ja nur eine Agenturmeldung zu verbraten? Doch genau hier fängt der vom Verband gepriesene Qualitätsjournalismus an und hört nicht auf.

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