24. November 2008

"Pro-Kraftwerk-Kundgebung erinnert an DDR-Zeiten"

Vor der Kundgebung einiger Kraftwerksbefürworter, an der einige Hundert Leute teilnahmen, hatte ich gewettet, dass die Greifswalder Zeitung einen Redakteur zu der Schauveranstaltung schickt und gefragt, ob die OZ wohl über die Motive der Teilnehmer berichten werde, ahnend, dass sie genau das nicht tun wird.
Ein Redakteur war dort, berichtete jedoch nur über ein Motiv.

Zuvor hatte die OZ online etwa zwei Tage lang eine teilweise falsche Meldung verbreitet und die Usedom-Peene-Zeitung eine Bürgerinitiative als kriegslüstern in Verruf gebracht.

Die Recherche überließ die OZ, wie schon zu oft, Lesern, möglicherweise sogar zahlenden.
Natürlich werden die Berichte der OZ (Landesseite und Lokalausgabe Greifswald) nicht berichtigt, sondern es werden zwei Leserbriefe ins Internet gestellt, die ich hier zitiere, weil ich nicht weiß, ob sie in der gedruckten Ausgabe erscheinen:
Demonstration auf Verordnung (Thema: SKW Lubmin)
Peinlich, peinlich - Demonstrant auf Anweisung vom Chef
Fragte man einige Teilnehmer der Pro-Kraftwerkskundgebung zu der der CDU-Wirtschaftsrat eingeladen hatte, warum er denn hier demonstriert, erhielt man die erstaunliche Antwort: "Anweisung vom Chef". Es wird also ein Mehrheitswille inszeniert, was das fragwürdige Demokratieverständnis der Herren in Schwarz aus der Bürgerschaft offenbart. Noch bedenklicher ist diese verordnete Demonstration allerdings im Hinblick auf das persönliche Recht auf Meinungsfreiheit der Mitarbeiter.
Anne Klatt und Moritz Felder, Studenten

Pro SKW?

Großspurig und vollmundig angekündigt hatten Unternehmerverband Vorpommern und der Sektion Rügen des Wirtschaftsrates der CDU ihre "Pro Steinkohlekraftwerk"-Demonstration. Unterstützt wurde die Veranstaltung vom Mitglied des Landtages, Präsidenten der Greifswalder Bürgerschaft, dem ehemaligen Kernkraftwerker und späteren Versicherungsvertreter Egbert Liskow. Mit 1000 Demonstranten wurde gerechnet. Am Ende waren es knapp 250. Darunter mindestens 80 abhängig Beschäftigte und
einige Gegner des Steinkohlekraftwerkes. Als diese Transparente ausrollten, wurden die heruntergerissen und die Gegner teilweise mit Fußtritten aus der Halle expediert.
Wenn es weit hergeholt scheint, das Verhalten der Organisatoren erinnert an die ehemalige DDR. Auch hier wurden die Werktätigen, oftmals gegen ihre Überzeugungen, zu Jubelveranstaltungen gekarrt, zu Claqueuren degradiert und die Gegner mit physischer Gewalt konfrontiert.
Die Veranstaltung bestätigt aber auch den Anschein, dass Teile der selbsternannten Elite aus lokaler Wirtschaft und Politik weder in der Demokratie noch im Rechtsstaat so richtig angekommen sind, geschweige beheimatet sind.
Weit über 30.000 Menschen haben sich mit ihrer Unterschrift für eine Volksinitiative gegen das Steinkohlekraftwerk ausgesprochen. 30.000 gegen 250!! Gegenwärtig läuft das rechtsstaatliche Erörterungsverfahren, dies scheint denjenigen, die sich mit ihrer Demonstration "Pro Steinkohlekraftwerk" engagierten um ein Zeichen an die Politik zu setzen, entgangen zu sein.
So schwer es für die Organisatoren der Demonstration mit ihren einschlägigen DDR-Erfahrungen auch sein mag, mit diesem Verfahren ist die Entscheidung über den Bau dem Einfluss der Politik entzogen. Das unterscheidet den Rechtsstaat nun einmal von der DDR-Diktatur. Willkommen im neuen Deutschland!!!!
Jürgen Schultz aus Greifswald
Meine Vermutungen wurden hiermit bestätigt: Die Greifswalder Redaktion hat sich schon vor Monaten auf die Seite der Kraftwerksbefürworter gestellt und ihre Haltung nicht geändert - und betreibt Propaganda statt Berichterstattung. Das ist nicht bedenklich, sondern aus journalistischer Sicht verwerflich.

Das Verwerfliche: Vielen unbedarften Lesern ist nach den Berichten der OZ klar, dass 1000 Befürworter versammelt waren, um für den Kraftwerksbau zu demonstrieren. Dieser Eindruck hat sich über das Wochenende hinweg verfestigt, ist jedoch falsch. Das heißt, Leser haben sich eine Meinung gebildet, die aus einseitigen Beobachtungen resultiert.
Selbst wenn die Leserbriefe veröffentlicht werden sollten, stehen sie als Lesermeinung da, die bezweifelt werden wird.

Richtig wäre gewesen, ausgewogen über die Veranstaltung zu berichten, damit Leser überhaupt die Möglichkeit haben, sich eine eigene Meinung zu bilden. Die Möglichkeit hat ihnen die OZ genommen, wie es nur ein Propagandablatt tut.
Die zweite Möglichkeit wäre, jetzt die verfehlte Berichterstattung richtigzustellen, aber nicht, indem die Leserbriefe gedruckt werden, sondern indem die Briefe zum Anlass genommen werden, die Angelegenheit zu recherchieren und das Ergebnis zu veröffentlichen und über den Artikel "Berichtigung" zu schreiben. Doch das werden Sie nicht erleben, weil dann die Propaganda offensichtlich wäre und weil der Berichterstatter natürlich von sich behaupten wird, alles richtig gemacht zu haben.

Wo ist der OZ-Bericht über die sensationelle Wendung im Anhörungsverfahren? Die OZ will das doch wohl nicht ihren Lesern verschweigen?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.

Google