22. November 2008

Von Propagandaveranstaltung nur Propaganda berichtet

Es bedurfte keines neuen Artikels, um zu erkennen, dass sich die Greifswalder Zeitung auf die Seite der Befürworter gestellt hat. Dennoch wurde er geschrieben.

Noch einmal: Wenn sich der eine oder andere Redakteur für das Kraftwerk ausspricht, soll er das - in Kommentaren. Wenn jedoch unausgewogen, damit sich auf eine Seite schlagend, berichtet wird, ist das eine journalistische Fehlleistung und nicht geeignet, dass sich Leser eine Meinung über das tatsächliche Geschehen bilden können. Denn Leser lesen hoffentlich die Zeitung, um ein ungeschöntes, neutrales Bild dessen, was geschah, vermittelt zu bekommen - um sich eine eigene Meinung bilden zu können. Ist ihnen das nicht möglich, weil sie nicht umfassend (oder wie die OZ gern von sich behauptet top) informiert werden, handelt es sich nicht um Journalismus, sondern um Propaganda, die ihnen auch noch verkauft wird.

Die Greifswalder Zeitung berichtete:
Hunderte für Kraftwerksbau
Mit einer Kundgebung in Greifswald haben gestern Hunderte Menschen aus Vorpommern für einen Bau des geplanten Steinkohlekraftwerks bei Lubmin plädiert. ...
Kann sich der Autor noch an DDR-Zeiten erinnern? Damals versammelte sich auch allerlei Volk zu Kundgebungen. Sprachen sich deshalb alle Versammelten für das aus, was kundgegeben wurde? Beileibe nicht!

Der Auto zitiert das demagogische Gewäsch eines ehemaligen DDR-Obergewerkschafters des KKW, der sich bestimmt noch daran erinnern konnte, wie man Gewerkschafter dazu bringt, zu Demonstrationen zu gehen:
Für Jürgen Ramthun, Geschäftsführer der Energiewerke Nord, war die gestrige Kundgebung ein Signal an die Politik: Wer aus der Kernenergie aussteigen wolle, müsse sich eindeutig zum Bau umweltfreundlicher Kohlekraftwerke bekennen" ...
Wie bitte? Umweltfreundliche Kohlekraftwerke? Wer das sagt, ist ein Volksverblöder, denn er unterschlägt die Millionen Tonnen CO2, die Tonnen Feinstaub und Gifte verschiedener Art. Umweltfreundlichkeit und Kohlekraftwerk, das ist ein Widerspruch in sich.

Nun gibt der Autor die Argumente Ramthuns für den Kraftwerksbau wieder:
Er erinnerte daran, dass der dänische Konzern Dong enrgy 2,5 Milliarden Euro investieren wolle. Dergleichen habe es in M-V bislang nicht gegeben. Wer gegen das Kraftwerk sei, unterstellte Ramthun, sei gegen die Schaffung neuer Arbeitsplätze. ...
Danke (das ist ernst, nicht ironisch gemeint) für das Wort unterstellen, das und damit dessen Bedeutung viele Leser nicht wahrnehmen werden.

Damit waren fast alle Argumente für den Kraftwerksbau genannt, die OZ-Leser bis zum Erbrechen kennen. Dieses kam hinzu, endlich ein Bekenntnis zu dem einzig wahren Grund, das Kraftwerk zu befürworten:
Wie andere einheimische Unternehmer erhofft sich der Usedomer Martin Fromholz, Geschäftsführer der gleichnamigen Mineralöl und Brennstoff GmbH, Aufträge vom Kraftwerksbau. ...
Dem Autor ist für dieses Zitat zu danken (s.o.), denn es ist der einzige ernst zu nehmende Grund, alles andere ist vorgeschoben, oft genug entlarvt.
Vor allem zeigt sich, dass Unternehmern die Umwelt völlig egal ist; Hauptsache Aufträge; doch dazu unten.

Und im nächsten Zitat, der Wiederholung eines Totschlagargumentes (Hauptsache Arbeit, egal, unter welchen Bedingungen, egal, wenn sich selbst und anderen damit geschadet wird.), ist sehr einfach ein Widerspruch zu erkennen:
... Gerold Jürgens, Präsident des Unternehmerverbandes Vorpommern. Die Region brauche Investitionen wie das geplante Steinkohlekraftwerk, "damit die Jugend bleibt".
Soso. Und was bedeutet dieser OZ-Artikel in dem Zusammenhang?
Lehrstellen bleiben unbesetzt
Neuer Trend bei der Berufsausbildung: Viele Ausbildungsstel- len bleiben unbesetzt, weil es keine geeigneten Bewerber gibt.

Ostvorpommern Die regionalen Unternehmen registrieren derzeit einen Umbruch am Ausbildungsmarkt. Während früher bei den Bewerbern gründlich aussortiert werden konnte, bleiben heute Ausbildungsplätze unbesetzt. ...
Aber mit Zusammenhängen ist das so eine Sache: Sie müssen erkannt werden und erkannt werden wollen.

Natürlich erfuhren die Leser nicht, ob die sog. Befürworter, die Mitarbeiter aus Betrieben, eine bezahlte Freistellung erhielten. Ich wette, sie erhielten. Auch wurde nicht mitgeteilt, ob die Anwesenden kostenlos beköstigt wurden. Damit wäre die Veranstaltung ein gekauftes Scheinbekenntnis zum Kraftwerksbau gewesen. Der Leser hätte sich viel einfacher eine Meinung bilden können als mit Hilfe des Wortes unterstellen.

Da dazu nichts zu lesen war, halte ich den Artikel für Propaganda.

Interessant wäre ein Vergleich gewesen:
Zu den Anhörungen gesellen sich Zuschauer, die nicht bezahlt freigestellt werden. Sie gehen freiwillig hin, opfern Arbeitszeit und damit Einkommen oder Lebenszeit, um aus erster Hand und nicht durch Medien entstellt oder verkürzt zu erfahren, welche fachlich untermauerten Argumente für und gegen den Bau des Kraftwerkes sprechen. Uns sie feuern die Vertreter der Einwender mit Beifall an, ihr Bestes zu tun.
(Übrigens müssen sie jeden Schluck Wasser kaufen. Die Toilettenbenutzung ist für sie kostenlos.)

Wo waren während der Anhörungen die Befürworter, wenn ihnen die Umwelt lieb und teuer sein sollte? Von welchen Befürworter wäre zu sagen, dass er als Zuschauer darauf geachtet hätte, dass die Gutachter auch wirklich gut achten, damit die Umwelt und damit wir, die wir hier zu Hause sind, geschützt werden vor Dreck und Gift? Allein hier zeigt sich, wie Unternehmer und ihre Kofferträger und Redakteure der Greifswalder Zeitung denken.

Mir wurde berichtet, es seien nur einige EON-Vertreter während einiger Anhörungen unter den Zuschauern gewesen. Sie hätten emsig mitgeschrieben, vielleicht, um herauszufinden, was sie in ähnlicher Situation wie Dong besser machen könnten. Doch auf den Gedanken, diese Leute zu befragen, konnte die OZ nicht kommen, weil von dort in der Greifswalder Zeitung nur berichtet wurde, wer wo sitzt (total wichtig für die OZ, so wichtig, dass es in der Zeitung stehen musste, damit Sie als Leser dafür bezahlen).

Zusammenhänge zwischen den geschilderten Beobachtungen vermittelt die OZ nicht - peinlich, weil amateurhaft.

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