13. September 2008

Der Aufrufer

Vor etwa einem Jahr rief der Lokalchef die Leser der Greifswalder Zeitung auf:
Leute geht zum „Sommernachtstraum“ !
Vor mehr als zwei Jahren rief der Lokalredakteur zum Wählen auf, obwohl er solche Appelle nach eigenem Bekunden fast nicht mehr hören konnte (Sein damaliger Chefredakteur hatte einen Aufruf geschrieben.).
Demokratie lebt vom Miteinander
Heute ruft der Lokalchef wieder auf:
Protestieren Sie mit!
Es gab gestern so gut wie niemanden, der sich abwandte, als er von Mitarbeitern des Theaters auf dem Markt aufgefordert wurde, seine Unterschrift für den Erhalt unseres Theaters Vorpommern zu geben. ...
Um das zu verhindern sammeln die Theaterleute jetzt Unterschriften, die sie anschließend in Schwerin übergeben wollen.Allein gestern gab es sie im Sekundentakt. Es ist davon auszugehen, dass sich viele Menschen an diesem Protest beteiligen. Die OSTSEE-ZEITUNG wird dies selbstverständlich unterstützen. Wir rufen Sie, liebe Leserinnen und Leser, deshalb auf: Füllen Sie unsere Leserbriefspalten! ... (Was Sie schreiben, müssen wir nicht tun und schon ist uns ein pünktlicher Feierabend gewiss!)
Das sind wir unserem Theater schuldig.
Damit wir uns nicht missverstehen: Ich bin dafür, das Theater Vorpommern als eigenständiges zu erhalten.

Viele OZ-Leser hätten sich gewünscht, der Lokalchef würde die Initiative gegen das Kohlekraftwerk ebenfalls mit einem Aufruf unterstützen. Hat er aber nicht getan.

Stattdessen hatte er ein Interview mit dem Bundestagsabgeordneten und Experten für Verteidigung und Auswärtiges, U. Adam (jaja, Kuli-Uli), geführt (also einem Auskenner in Sachen Umweltschutz und Energiepolitik?), das reine Propaganda für den Kraftwerksbau war.

Statt die Kohlekraftgegner zu befragen und ihren Argumenten breiten Raum zu geben, teilte er den Lesern lieber mit, dass es "eisekalt" war in der Kirche (also Minusgrade herrschten, sonst bildete sich kein Eise).
Mit Gegnern des Kraftwerksbaues wie dem Europaabgeordneten Prof. Gomolka oder dem Träger des Alternativen Nobelpreises, Prof. Michael Succow, gab es kein Interview in der Lokalzeitung. Ebenso fand die Mantelredaktion in Rostock es überflüssig, diese Kundigen zu befragen.

Der Lokalchef rief auch nicht die Mieter von Wohnungen der Greifswalder Wohnungsgesellschaft auf, gegen den Teilverkauf des städtischen Unternehmens zu protestieren und die Leserbriefspalten zu füllen. (Lieber ließ er
einen Verkaufsgegner diskreditieren, ohne dessen Argumente zu kennen.) Er hätte den Mietern schreiben können, dass sie allein die Zeche zahlen werden dafür, dass Greifswald schuldenfrei wird. Stattdessen nahm die Lokalzeitung Partei für die Befürworter des Verkaufes. Wohnt ein Lokalredakteur in einer WVG-Wohnung zur Miete? Wäre aber besser gewesen. Hätte nämlich einen Aufruf geben können.

Hier die Argumente für den Erhalt des Theaters:
Theater, so der Tenor aller Befragten, braucht eine Stadt wie Greifswald. Bricht es weg, bricht nicht nur ein wichtiges Stück Kultur weg, sondern auch ein Stück Lebensqualität. Der Landstrich wird unattraktiver und dafür für Menschen uninteressanter.
Aha, ist das nicht auch ein Argument gegen das Kohlekraftwerk? Oder würde der Landstrich durch eine Kohlekraftwerk attraktiver und interessanter werden und wenn ja, für wen?

Übrigens: Das Argument, ein Theater gehöre nun einmal in die Stadt, ist natürlich keines. Wie viele Greifswalder gehen regelmäßig oder wenigstens unregelmäßig ins Theater? Wer sind die Greifswalder? Wo sind die Zahlen, die die Wichtigkeit belegen? Und warum sollten Theaterfeunde nicht in ein landesweit fusioniertes Theater gehen?

Es ist immer gefährlich für den Journalismus, wenn Redakteure oder gar der Lokalchef für etwas Partei ergreifen, weil sie gleichzeitig gegen etwas Partei ergreifen.

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