28. November 2007

Steinkohlekraftwerk: Wer provoziert wen?

Die Greifswalder Zeitung berichtete über eine Diskussion zum Steinkohlekraftwerk, die im Greifswalder Dom stattfand. Einige Dinge fielen mir an dem Bericht auf.

Der Autor, Lokalchef Amler, berichtete, es sei kalt gewesen im Dom:
Die Veranstaltung selber sollte im eisekalten Dom vor allem eines: mobilisieren.
(Ich nehme an, es war eiskalt.)
Es liegt zwar nahe, aber woher weiß der Autor das mit dem Mobilisieren? Sprach er mit dem Vorsitzenden der Initiative gegen das Kraftwerk? Wenn nicht, ist das seine Meinungsäußerung.

Und hat er die Initiative gefragt, ob dieses Zitat so stimmt?
Ziel der Veranstaltung, die die Bürgerinitiativen "Kein Kohlekraftwerk Lubmin e.V." und "Zukunft Lubminer Heide" initiiert hatten, war es, möglichst viele Bürger zu animieren, schriftliche Einwendungen gegen das geplante Kraftwerk zu formulieren.
Und was soll dieser Satz?
Im wahrsten Wortsinn wurde Dampf gemacht gegen die Zwei-Milliarden-Investition des dänischen Staatskonzerns Dong Energy, auch wenn das an den Temperaturen im Kirchenschiff nichts änderte.
Soll das heißen, die böse Initiative habe etwas gegen das Investieren von zwei Milliarden Euro?
Warum hat der in der Kirche Fröstelnde das sonst geschrieben?

Mit Sachargumenten, Fragen, aber auch emotionalen Rundumschlägen näherte man sich dem Thema. Ihr Fett weg bekamen Frau Merkel ebenso wie der Ministerpräsident, der OB und natürlich Dong Energy.
Ich kann sehr gut verstehen, wenn Kraftwerksgegner emotional auf die Lügen der Kanzlerin und des Ministerpräsidenten reagieren. Über ihre Lüge, die Umwelt würde nicht verschmutzt, berichtete der Autor nichts. In diesen Einträgen berichtete ich über die Lügen.

Sehr interessant finde ich dies:

Als Alternative schlug er Lubmin als Standort der Kernfusion vor. Wohlwissend, dass hier seit Jahren alle Messen namens ITER gesungen sind.
Natürlich verlor der Autor kein Wort darüber, dass das ITER-Projekt eine Versuchsanlage und kein Kraftwerk ist und warum der Versuchsreaktor nicht in Lubmin gebaut wird. Wer über die Region berichtet, sollte es aber wissen:

Für den Bau des ITER gab es bis 2003 auch eine inoffizielle deutsche Bewerbung mit dem ehemaligen KKW-Nord „Bruno Leuschner“ in Lubmin an der Ostsee. Der
ITER Förderverband Region Greifswald unter Führung des ehemaligen Ministerpräsidenten Alfred Gomolka reichte 2002 eine vollständige Standortbewerbung bei der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns ein. Diese wurde jedoch vom zuständigen Ministerpräsidenten Harald Ringstorff nicht weitergeleitet.
Im Sommer des Jahres 2003 zog Bundeskanzler Gerhard Schröder – trotz einer Zusage des ehemaligen Kanzlers Helmut Kohl – die Zusage zur Bewerbung um den ITER zurück. Bis dahin war Lubmin international der erfolgversprechendste Konkurrent. Der nun festgelegte Standort Cadarache in Frankreich ist ein Erdbeben-Risikogebiet, dies galt ebenfalls für den in Betracht gezogenen japanischen Standort.

Zum Ende kritisierte er die Initiative:
Von Dong Energy war offenbar kein Vertreter eingeladen, obwohl ausdrücklich Fragen der Gäste erwünscht waren und zahlreich in Richtung Dong gestellt wurden. Die bemühte sich das Podium zu beantworten. Aus der Sicht des Kraftwerks-Gegners.
Was heißt offenbar? Es bedeutet, dass der Autor es nicht weiß, weil er niemanden fragte, eine journalistische Fehlleistung. Im Übrigen ist es nur recht und billig, wenn sich Leute zusammentun, um sich gegen die Volksverdummung von Regierungen und Dong zu wehren. (siehe Nachtrag)

Geradezu peinlich fand ich diesen Beginn seines Kurzkommentars:
400 Leute Montagabend im Dom. Das Thema Steinkohlekraftwerk bewegt die Menschen offenbar wie kein zweites.
Tja, bewegt es nun wie kein anderes Thema (Wie viele zweite Themen gibt es?) oder nicht? Der Autor vermutet, weiß es aber nicht; ein interessantes Eingeständnis. Mir macht das klar, dass der Autor nicht weiß, mit welchen Themen er Leser gewinnen könnte.

So fährt er fort:

Deshalb ist es gut, derartige Veranstaltungen zu organisieren. Denn die Bürger haben ein Recht darauf, informiert zu werden und Informationen einholen zu können.
Völlig richtig, zum Beispiel aus der Tageszeitung! Was die Bürger, die OZ-Leser sind, bisher aus der Tageszeitung erfuhren, habe ich z.T. in mehreren Einträgen beschrieben.
Besser wäre allerdings gewesen, auch einen Vertreter des Investors einzuladen, damit er hätte auf die vielen Fragen und vorgetragenen Sorgen sachkundig Antwort geben können. Ansonsten setzt man sich schnell dem Vorwurf aus, Ängst bewusst provozieren zu wollen. Manch Podiumsteilnehmer nutzte die Gunst der Stunde, was der Veranstaltung leider schadete.
Was bisher an sachkundigen Antworten von Dong Energy in der OZ zu lesen war, z.B. ein abgasfreies Kraftwerk bauen zu wollen, was an sachkundigen Lügen von Politikern zu lesen war, das sind für mich Provokationen.

Was wollten die Dong-Vertreter z.B. über den Zusammenhang zwischen Kraftwerk und Tourismus anderes berichten, als das, was in ihrer Pressemitteilung stand? Das ist eine Provokation und Volksverdummung, auf die in öffentlichen Foren jederzeit verzichtet werden kann.

Übrigens, hätte die OZ erkannt, wie stark das Thema die Bürger interessiert, hätte die Redaktion schon längst eine Podiumsdiskussion mit oder ein
Rundtischgespräch ohne Publikum organisieren und damit ganze Seiten füllen können. Doch dazu müsste die Redaktion erst einmal wissen, was die Leser interessiert.
Auf der Webseite fand ich diese Eigenanzeige der OZ:

Nachtrag 19 Uhr:

Hätte der Lokalchef den Vorsitzenden der Initiative,
Michael Woitacha, gefragt, hätte er unter anderem dies erfahren können:

bewusst haben wir diesmal niemanden von dong energy eingeladen. dong energy gibt zur zeit richtig viel geld für marketing/sponsoring/etc. aus. wir wollen für dong keine weiteren gratis-promotionveranstaltungen mehr ausrichten/bezahlen. falls dong auf großveranstaltungen die bürgerinnen und bürger live mit informationen/halbwahrheiten/lügen/sonst. bespaßen möchte, so sollen sie das tun - aber nicht mehr auf unsere kosten.

Nachtrag 29.11.:

Der Lokalchef hätte auch die Schriftführerin der Initiative fragen können, Christa Labouvie. Er hätte erfahren:

... Wir hatten übrigens auf der letzten Mitgliederversammlung festgestellt, dass wir DONG durch unsere Veranstaltungen immer wieder ein kostenloses Forum bieten, ihre "Wahrheiten" zu verbreiten. Wir wollten im Gegenzug nunmehr verstärkt Politiker und Politikerinnen einladen als die eigentlichen Entscheidungsträger letztendlich. Doch die das SKW befürwortenden Politiker kommen einfach nicht ...

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