1. Januar 2007

Rührend, die Weihnachtsaktion?

Zwei Zuschriften von OZ-Blog-Lesern machten es nötig, die OZ zu lesen. Mir fiel auf, dass es die sog. Weihnachtsaktion immer noch gibt. Hier zwei Zitate:

Rügener Zeitung:
Das Anliegen der Aktion, in diesem Jahr etwas für Kinder aus sozial schwachen Familien zu tun, ist bei den Rüganern auf fruchtbaren Boden gefallen. Es zeigt aber vor allem auch: Die Insulaner halten zusammen, denn auch in dieser Zeit, die geprägt ist von hoher Arbeitslosigkeit und Hartz IV, wird Schwachen die Hand gereicht. Dies zu erkennen macht Freude – und das ist ganz im Sinne dieser Aktion.

Welch ein Schwulst!

Usedom-Peene-Zeitung:
Die Zirchower Schule, ihre engagierten Pädagogen und liebenswerten Schüler, leben leider am Rand der Gesellschaft. Nicht nur geografisch betrachtet. Für drei Wochen im Advent waren sie jetzt im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit – und das völlig zu Recht. Wird doch hier am kleinen Haff unglaublich viel getan, um gesundheitlich beeinträchtigten Mädchen und Jungen eine Chance selbstbestimmten Lebens zu eröffnen. Das Verständnis dafür möge wachsen und ihnen helfen.
Für die Berichterstatter war es ein Gewinn, solch' tolle Kinder kennengelernt zu haben. Und auch nach Weihnachten werden wir sie nicht aus den Augen verlieren.


Ist das nicht rührend? Nein, ist es nicht!

Für mich grenzt die gesamte Aktion aus mehreren Gründen an Scheinheiligkeit:

Da behauptet der Redaktionschef auf der Insel Usedom, die Kinder der Zirchower Schule während der Weihnachtsaktion vom Rand in die Mitte der Gesellschaft gerückt zu haben. Wer glaubt das noch und wo ist das, die Mitte der Gesellschaft?
Die Rügener Zeitung schreibt, etwas für Kinder sozial schwacher Familien getan zu haben. Dass ich nicht lache! Die Redaktion hat die Aktion in Gang gebracht. Gespendet haben die Leser. Wer sozial Schwachen helfen will, muss dafür sorgen, dass diese Menschen Arbeit erhalten, mit der sie mehr als das Lenbensminimum verdienen können.

Doch was schrieben ausgerechnet Redakteure der Rügener Zeitung im vergangenen Jahr und schon 2005? Sie hatten nichts dagegen, dass ausgerechnet die sozial Schwachen kriminalisiert werden
(29.10.05 17.12.05 ). Arbeitslosenzahlen wurden schön geschrieben (1.6.06).
Redakteure anderere OZ-Lokalredaktionen fanden nichts dabei, dass mit den sog. Ein-Euro-Jobs reguläre Arbeitsplätze zerstört, statt dass neue geschaffen werden (18.7.06 ). Es wurde über diese Beschäftigungen mit Mehraufwandsentschädigungen (oder einfacher ausgedrückt: mit moderner Sklaverei) berichtet, als gäbe es keine Vorschriften, die zu beachten sind (21.4.06 7.9.06 15.9.06).

Die Weihnachtsaktion kann diese Berichterstattung nicht vergessen machen, Berichte, in denen Skandale beschrieben wurden, ohne dass es die Autoren merkten.

Im
Bericht an den Haushaltsausschuss und an den Ausschuss für Abeit und Soziales des Deutschen Bundestages (Gz.: VI 6/VI 2 - 2006 - 1219) ist seit dem 19.05.2006 nachzulesen:

Bei fast einem Viertel der geprüften Maßnahmen mit Arbeitsgelegenheiten (so genannte Ein-Euro-Jobs) lagen die Förderungsvoraussetzungen nicht vor, weil die zu erledigenden Tätigkeiten nicht im öffentlichen Interesse, nicht zusätzlich oder nicht wettbewerbsneutral waren. Bei weiteren knapp 50 % der geprüften Fälle hatten die Grundsicherungsstellen keine verlässlichen Kenntnisse über die Maßnahmeinhalte, so dass auch hier Zweifel an der Förderungsfähigkeit bestanden. Die Grundsicherungsstellen überließen häufig wesentliche Teile des Fallmanagements, wie das Profiling oder die Entscheidung, ob und in welcher Arbeitsgelegenheit erwerbsfähige Hilfebedürftige eingesetzt werden sollen, den Maßnahmeträgern. Sie waren daher nicht ausreichend über Maßnahmeinhalte, Einsatzorte und die von den Teilnehmern auszuübenden Tätigkeiten informiert. ...

Unter Berücksichtigung der Maßnahmekostenpauschale und einer Mehraufwandentschädigung für den Hilfebedürftigen von durchschnittlich 180 Euro neben den übrigen Kosten der Grundsicherung waren Arbeitsgelegenheiten nicht zwingend kostengünstiger als Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, durch die sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse geschaffen werden. Während der Teilnahme eines Hilfebedürftigen an einer Arbeitsgelegenheit waren die Grundsicherungsstellen nur eingeschränkt im Rahmen der Stellenvermittlung aktiv und führten kaum strategische Gespräche mit den Maßnahmeteilnehmern, etwa zur Abberufung und Zuweisung in eine besser passende, arbeitsmarktnähere oder kostengünstigere Maßnahme bzw. zur Nachhaltung des konkreten mit der Maßnahme verfolgten Zweckes.

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