15. September 2006

Das Märchen von den Ein-Euro-Jobs

Ribnitzer Zeitung:
Letzte Chance ist Arbeit für einen Euro

Lange Jahre ohne Arbeit, dann einen Ein-Euro-Job – das ist das Schicksal vieler in der Region. Manche hatten noch nie einen festen Job.
... Die gelernte Verkäuferin kümmert sich zur Zeit in ihrem Heimatort um Sauberkeit und Ordnung, mäht den Rasen, fegt die Wege. Und sie ist froh darüber. „Endlich raus, endlich wieder unter Menschen und vor allem ein kleiner Zuverdienst“ ...
Mandy Fiedler ... . „Endlich einmal wieder anderweitig gebraucht werden“...

„Die Nachfrage wird immer größer“, weiß Manfred Heuser, der Bereichsleiter für Projekte und fügt an: „Allein in Barth hatten wir über 200 Anfragen. Wir können den Bedarf nicht decken“. Teilweise „bittere Armut“ nennt Manfred Heuser als Grund für die hohe Nachfrage. ... „Die meisten wollen wirklich arbeiten und sind froh über jede Chance rauszukommen und etwas dazuzuverdienen“, so Heuser. ...

Tja, sog. Ein-Euro-Jobs scheinen eine wunderbare Sache zu sein, ein wahrer Segen, sind sie doch die letzte Chance, die letzte Chance worauf? Diese Frage wird nicht beantwortet. Stattdessen erfährt der Leser, wie schön es ist, nicht mehr zu Hause zu sitzen.

Schlimm ist das Märchen vom Zuverdienst, das auch hier wieder aufgeschrieben wurde. Mehraufwandsentschädigung heißt ja wohl, dass ein zusätzlicher Aufwand durch ein paar Euros entschädigt wird, zum Beispiel die Fahrkosten. Wer gut rechnen kann, merkt schnell, dass vom sog. Zuverdienst kaum etwas übrig bleibt.
Völlig unberücksichtigt bleibt, wie fast immer in solchen Texten der OZ, ob mit den Jobs, die keine sind, reguläre Arbeitsstellen ersetzt werden oder das Lohnniveau indirekt verringert wird.

Ich rate jedem Journalisten, der nicht nur Aufschreiber sein will, besonders in diesen Fällen im übertragenen Sinn hinter die Fassaden zu schauen, damit endlich diese Schönschreiberei ein Ende hat.
Hier einige Lesetipps:

Zu den Auswirkungen von Hartz IV auf den Arbeitsmarkt – Fakten und Fragen.-
INTERVENTION. Zeitschrift für Ökonomie 3(1), 2006, 16–33

1-Euro-Jobs und andere Zahlenspielereien
Ernst-Erich Lange analysisert in seinem Artikel bei Telepolis die bisherigen Erfahrungen mit den Ein-Euro-Jobs. Der Vergleich zwischen Theorie und Praxis fällt dabei ziemlich krass aus und bestätigt, was wir alle befürchtet haben. Die Ein-Euro-Jobs vernichten Arbeitsplätze.

Hier noch zwei Links:

http://de.wikipedia.org/wiki/1-Euro-Job
http://www.alg-2.info/hilfe/pflichtarbeit/1-euro-entscheidungen/

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