8. Februar 2012

"Schöne Waffen für Athen"

RÜSTUNGSINDUSTRIE
Schöne Waffen für Athen
Fregatten, Panzer und U-Boote: An Griechenlands Militär geht jedes Sparpaket vorbei. Und Deutschland profitiert davon. ...
Den Wunschzettel des griechischen Verteidigungsministeriums hat der Mann im Kopf: bis zu 60 Kampfflugzeuge vom Typ Eurofighter für vielleicht 3,9 Milliarden Euro. Französische Fregatten für über vier Milliarden, Patrouillenboote für 400 Millionen Euro; ebenso viel kostet die nötige Modernisierung der existierenden griechischen Flotte. Dann fehle es noch an Munition für die Leopard-Panzer, außerdem müssten zwei amerikanische Apache-Hubschrauber ersetzt werden. Ach ja, und dann würde man gerne deutsche U-Boote kaufen, Gesamtpreis: zwei Milliarden Euro.
Was der Mann, der in Griechenlands Verteidigungsministerium ein und aus geht, in einem Athener Café da von sich gibt, klingt absurd. Ein Staat, der kurz vor der Pleite steht und mit Milliarden von der Europäischen Union gestützt wird, will massenweise Waffen kaufen?
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»Sollte Griechenland im März die nächste Tranche der Finanzhilfen über voraussichtlich 80 Milliarden Euro ausgezahlt bekommen, gibt es eine reelle Chance, neue Rüstungsverträge abzuschließen.«
Wenn nur eine Milliarde übrig bleibe, so der Mann, könnte man beispielsweise erste Eurofighter oder Fregatten verbindlich bestellen.
Eigentlich unglaublich: In diesem Frühjahr entscheidet sich, ob Griechenland im Euro-Raum überlebt oder zur Drachme zurückkehrt. An dem Morgen, an dem im Café freimütig Interna ausgeplaudert werden, behandeln Mediziner in Athener Krankenhäusern nur noch Notfälle, streiken Busfahrer, fehlen noch immer Schulbücher in den Schulen und demonstrieren Tausende Staatsbedienstete gegen ihre angekündigte Entlassung. Griechenlands Regierung verkündet ein neues Sparprogramm, das kaum einen Griechen verschont.
Es sei denn, er arbeitet beim Militär oder in der Rüstungsindustrie. An diesen beiden Bereichen ist nämlich noch jedes Sparpaket beinahe spurlos vorübergegangen. ...
Griechenland ist nach Portugal der größte Abnehmer deutscher Waffen

Unter Griechenlands EU-Partnern gibt es nur wenige, die sich öffentlich dafür aussprechen, die griechischen Rüstungsvorhaben umgehend und für lange Zeit zu stoppen. Einer ist Daniel Cohn-Bendit, Chef der Grünen im Europaparlament: »Von außen greifen die EU-Länder in praktisch alle Rechte Griechenlands ein. Krankenschwestern wird der Lohn gekürzt, und alles Mögliche soll privatisiert werden. Nur beim Verteidigungshaushalt heißt es plötzlich, das sei ein souveränes Recht des Staates. Das ist doch surreal.«
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Lesenswert, lang und in der Häppchen-Nachrichten-OZ nicht zu finden.

P.S.:
Aus einer Antwort zum dritten Kommentar:
... sinn der ganzen aktion ist einfach eine subvention der deutschen rüstungsindustrie, das ist mittlerweile standard, sobald ein eu-land schwächelt wird hilfe angeboten, die aber (manchmal heimlich, manchmal sogar offen) an bedingungen geknüpft, die immer aufträge für die heimische rüstungsindustrie beinhalten.
wie sonst könnten wir den ach so wichtigen titel "exportweltmeister" behalten?

1 Kommentar:

  1. Anonym8.2.12

    Seit Beginn der Krise gibt es Griechenland ca. 1000 Anträge von Eltern und Alleinerziehenden auf Plätze in SOS - Kinderdörfern. Diese Familien sind nicht mehr in der Lage, ihre Kinder zu ernähren und sehen in ihrer Verzweiflung keinen anderen Ausweg als ihre Kinder in Heime unterzubringen.
    Deutschland macht sich im Ausland noch unbeliebter als es ohnehin schon ist.
    Bitter, wenn Geld für dieses scheussliche Kriegszeug vorhanden sein muss, aber auf der anderen Seite Eltern gezwungen sind, das Liebste was sie haben wegzugeben.
    Diese Meldung lief kurz über einen Nachrichtensender, Focus online u.a. schrieben ebenfalls darüber.
    Es trifft wie immer die Leute, die nicht das Geringste damit zu tun haben, die Kleinen müssen ausbaden, was die Grossen über Jahre verbockten, vermutlich absichtlich.

    G. Bieck

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