13. September 2011

Über Naivität ließe sich streiten

Ein anderer OZ-Beobachter wies mich darauf hin (Danke!):

Der Usedom-Redaktion gelingt heute zum wiederholten Male ein Meisterstück journalistischer Arbeit. (Achtung, das war Ironie!) Ich frage mich, für wie naiv die Redaktion ihre Leserschaft hält und/oder wie naiv sie selber ist...
Nicht vorenthalten kann uns die Usedom-Redaktion nämlich heute diese Nachricht: 
"Morgenpost" lobt Sonneninsel
Zinnowitz als sonnigsten deutschen Ort hat jetzt die „Berliner Morgenpost“ gefeiert. Im Reiseteil ihrer Ausgabe vom 4. September lobt das Blatt die Bodenständigkeit des Seebades und sein mildes Klima. Den Rekordwert von 1917,5 Stunden Sonnenschein im jährlichen Mittel hatte der Deutsche Wetterdienst über 30 Jahre hinweg ermittelt. Hervorgehoben werden ferner die rund 150 Kilometer Radwege, die Tauchkapsel am Kopf der Seebrücke von Zinnowitz und die prächtig sanierten Villen entlang der Strandpromenade. Wer gern wandert, habe auf Usedom gute Chancen, den Seeadler zu sehen.
Nur so nebenbei: Wenn ich aus dem Dachfenster schaue, ohne auch nur einen Schritt zu tun, sehe ich häufig Seeadler kreisen, und nicht bloß den einen, den die OZ erwähnt.

Ja, und...? Ist das etwa berichtenswert...?
Nein, natürlich nicht, denn ein Nutzwert für die Leser fehlt.
Für die OZ ist es das dagegen unbedingt berichtenswert, lässt sich doch eine Schönstschrift daraus schmieden

Berichtenswert wäre doch eher das Gegenteil, wenn die "Morgenpost" und (ungefähr 600) andere Medien nicht die vorbereiteten Pressemitteilungen, die regelmäßigen Pressereisen, und Presseaktionen der Usedomer Touristiker nutzen würden...? Auch die Berliner Morgenpost fehlt hierbei nicht:
So nahmen an diesem Wochenende auch Redakteure von der WELT/ Berliner Morgenpost, vom Neuen Deutschland, von der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung und vom Hörfunk (WDR,HR3) im Rahmen einer Pressereise der UTG an dem kulinarischen Highlight teil. Zudem berichtete ein Drehteam des NDR vor Ort.
In jedem Fall ein Rekordwert an Naivität bei der Ostsee-Zeitung!

Die Naivität bezweifle ich. Es ist das hohe Maß an Bequemlichkeit, die Einfachheit, Spalten zu füllen und der Mangel an Kritik aus der Leserschaft, die sich das und noch viel mehr gefallen lässt und dafür sogar Geld ausgibt. Besser kann es eine Redaktion doch gar nicht haben.

3 Kommentare:

  1. Edward13.9.11

    "... denn ein Nutzwert für die Leser fehlt." Wieso? Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass es sowas wie Stolz hervorbringt, wenn man erfährt, dass über meine Heimat positiv berichtet wird.
    "Berichtenswert wäre doch eher das Gegenteil". ja.ja. immer nur negativ. Was für einen Miesepeter hast du da unter deinen Informanten. Ich empfinde es jedenfalls wohltuend, wenn man mal was Positives lesen kann. Gehört unbedingt in die (Heimat-)Zeitung. Außerdem haben sie es ja nicht unnötig aufgeblasen. War angenehm zu lesen.

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  2. Mir hängt schon lange bildlich zum Hals heraus, über Jahre hinweg immer wieder von der Sonneninsel zu lesen, die in diesem Sommer teilweise unter Wasser stand, von der Tauchgondel in Zinnowitz, deren Besuchern in Ermangelung von vorzeigbarem Leben unter Wasser Filme gezeigt werden usw. Es ist die fortgesetzte
    Schönschreiberei, das Hinwegsehen über viele Konflikte. Es gibt auf der Insel so viele ungelöste Probleme, die sich weiter verstärken, um die die Redaktion bewusst einen Bogen macht.

    Die Redaktion berichtet recht einseitig über die Insel statt ausgewogen. Das ist weder kritisch noch hochwertig. So mutiert das Blatt zu einer Werbebeschrift, über die einheimische Leser bald nicht einmal mehr schmunzeln werden, weil sie besser wissen, was auf der Insel los ist, denn irgendwann wird es ihnen ums Geld für Schönschriften leidtun.

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  3. Anonym23.9.11

    Ja, ich freue mich auch, wenn ich etwas Positives lesen kann...

    Wie das zu lesende Positive in Perfektion strategisch durch das Unternehmen geplant worden ist, um den Journalisten zum Teil der Verkaufsstrategie zu machen, zeigte das Medienmagazin ZAPP am 21.09.2011 im Beitrag "Gelenkte Berichte - Autokonzerne und Journalisten"

    Hier der Link:
    http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/medien_politik_wirtschaft/autojournalisten101.html

    Ein Zitat aus dem Interview mit Volker Lilienthal, Professor für Journalistik, Universität Hamburg:

    "Der deutsche Pressecodex legt fest, dass ein Journalist im Umgang mit Einladungen äußerst vorsichtig sein muss. Er darf keine sonstigen Vergünstigungen wie zum Beispiel dreitägiger Hotelaufenthalt entgegennehmen, weil genau das, diese Zusatzleistung, ein Klima der Gewogenheit schafft, die die journalistische Unabhängigkeit zerstört."

    Wie gesagt, ich freue mich auch, wenn ich Positives erfahre...

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