29. Juli 2011

Arbeitsmarkt schöngeschrieben

Die OZ verkündet, wie gewohnt und wie journalistisch unvertretbar, die geschönten Arbeitslosenzahlen:
Arbeitslosenzahl in MV sinkt gegen den Trend
Eine starke Nachfrage nach Fachkräften beispielsweise in Handel und Gesundheitswesen belebt den Arbeitsmarkt in Mecklenburg-Vorpommern. Im Juli sank die Zahl der Arbeitslosen im Vormonatsvergleich um 1400 auf 100 200. Die Arbeitslosenquote liegt bei 11,7 Prozent, während sie im Juni noch 11,9 Prozent betrug. Allerdings trug der drastische Abbau bei den Ein-Euro-Jobs im Juli maßgeblich dazu bei, dass in MV mehr Menschen arbeitslos gemeldet sind als ein Jahr zuvor.
... woran leicht zu erkennen ist, wenn jemand erkennen will, dass die Zahlen Propaganda waren und immer noch sind, denn es werden immer noch 2,4 Millionen arbeitslose Erwerbsfähige bildlich versteckt:
Deutschlandweit hat die Sommerflaute dem Jobaufschwung im Juli einen leichten Dämpfer versetzt. 2,939 Millionen Menschen waren als arbeitslos gemeldet — 46 000 Menschen mehr als im Juni, aber 247 000 weniger als im Vorjahr. Bundesweit gibt es derzeit 20 000 freie Lehrstellen allein im Handwerk.
Dazu lesen Sie hier kurz und hier ausführlich, wie es tatsächlich um den Arbeitsmarkt steht.

Am Ende der OZ-Meldung wurde auf einen Text auf Seite sechs der Druckausgabe hingewiesen. Eine Fördergesellschaft lässt Langzeitarbeitslose als Ein-Euro-Sklaven Hausmodelle für das sog. Miniland M-V bauen.
Vom Ein-Euro-Jobber zum „Münsterarchitekten“
Jörg Rudolph fand als Modellbauer neue berufliche Perspektive. Modellwerkstatt des AFW betreut seit 13 Jahren Langzeitarbeitslose.
Also eine Person erhielt dort Arbeit und leitet Ein-Euro-Sklaven an, die für ihre Tätigkeit eine Mehraufwandsentschädigung erhalten.

Ich weise auf einige andere Zahlen hin, die ebenfalls offiziell sind und jedermann zugänglich, in der OZ aber keine Rolle spielen, weil sie nicht schönschriftgeeignet sind:

Die Veränderungsraten der registrierten Arbeitslosigkeit in den 16 Ländern (Juli 2010 – Juli 2011)
reichen von –16,8% in Baden-Württemberg (Rang 1) und –14,2% in Bayern (Rang 2) bis +0,4%
in Berlin (Rang 15) und +1,3% in Mecklenburg-Vorpommern (Rang 16). ...

Die Veränderungsraten der Zahl der registrierten arbeitslosen Frauen in den Ländern reichen von
–13,2% in Baden-Württemberg (Rang 1) bis +1,9% in Mecklenburg-Vorpommern (Rang 16). ...

Die Veränderungsraten der Zahl der registrierten arbeitslosen Männer in den Ländern reichen von
–20,1% in Baden-Württemberg (Rang 1) bis  +0,8% in  Mecklenburg-Vorpommern (Rang 16)  ...

Für ganz Deutschland wurde errechnet:

Bereinigt um die Zahl der etwa 67.000 sog. Aufstocker (gleich-zeitiger Bezug von Arbeitslosengeld und Arbeitslosengeld II) hatten im Juli 2011 etwa 5,355 Millionen
erwerbsfähige Frauen und Männer Anspruch auf Arbeitslosengeld (SGB III) bzw. Arbeits-losengeld II, 423.000 (7,3%) weniger als vor einem Jahr (BA-Monatsbericht, S. 19).

2 Kommentare:

  1. Edward29.7.11

    Ich glaube nicht, das im Zusammenhang mit dem Münster-Projekt Begrffe wie Ein-Euro-Sklaven angebracht sind. Mich stört zwar auch, dass Kollege Preisinger keine Teilnehmer zu Wort kommen lässt, sondern nur AFW-Leute, aber es geht ja hier nicht um die Erzielung wirtschaftlichen Nutzens. Der Modellbau hat vielmehr eine therapeutische Aufgabe.
    Zitat aus dem Artikel: „Es ist einfach toll, was Leute hier schaffen, denen eigentlich keiner mehr was zugetraut hat.“
    Dass der Modellbau für viele Langzeitarbeitslose Ansporn und Motivation ist, sich aus der Hilfebedürftigkeit zu befreien, kann auch Rudolph bestätigen. Etwas zu schaffen, das dann einer breiten Öffentlichkeit präsentiert wird, lasse einen wieder an die eigene Leistungsfähigkeit glauben, sagt er.

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  2. @ Edward
    Darüber denke ich grundsätzlich anders. Stutzen müsste jeder, wenn er davon liest, dass Langzeitarbeitslosen niemand mehr etwas zutraut.
    Warum ist das so?

    Es ist u.a. so, weil Regierungen, Bonzen aller Art und ihre medialen Nachplapperer über sechs Jahre hinweg Langzeitarbeitslose pauschal als arbeitsscheu, dumm und des Betrugs verdächtig dargestellt haben, die unter Beobachtung gestellt werden müssen und die wie Sklaven ausgebeutet werden dürfen. Dabei wird stets vergessen, dass diese Leute aus dem Arbeitsmarkt gedrängt wurden, damit andere Arbeit haben.

    Mich stört nicht, dass nur der Anleitende zu Wort kam. Mich stört aber, dass die OZ in der Meldung über die geschönten Arbeitslosenzahlen auf der Titelseite auf diesen Artikel über die Modellbauer hinweist, eben weil es eine Beschäftigungsgesellchaft ist, die also nicht auf Gewinn aus ist, also nichts mit der Wirtschaft zu tun hat. (Jörg Rudolph hat nur Arbeit, weil es die Gesellschaft gibt. Auf dem Arbeitsmarkt ist er chancenlos.) Es ist ein grundfalsches Beispiel. Andererseits wird nicht mitgeteilt, was ich dem Eintrag zufügte. Mich stört, dass Zeitungskäufern ständig diese Schönschriften verkauft werden, die mit den tatsächlichen Verhältnissen im Land wenig zu tun haben und mich an Zeiten der Propaganda vor der Wende erinnern.

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