2. Dezember 2010

Wie die OZ aus einem Minus ein Plus macht

Schon wieder darf ein Kaffeesatzleser seinen Quark auch in der OZ ablassen, weil sich eine Schönschrift, besonders für Krämer, daraus verfertigen ließ, und Sie bezahlen dafür:
Einzelhandel erzielt Umsatzplus
Nach dem ersten Adventswochenende hatte der Handel im aktuellen Weihnachtsgeschäft ein Umsatzplus von 2,5 Prozent zum Vorjahr vorausgesagt. 
Vorausgesagt? Und was steht in der Schlagzeile? Die Kaffeesatzleserei wird dort als Tatsache geschildert, ist also typischer kritischer Hochwertjournalismus nach Art des Hauses.
„Man kann erwarten, dass sich der Aufwärtstrend bis zum Jahresende fortsetzt“, prognostiziert UniCredit-Analyst Alexander Koch. 
Man kann erwarten, heißt was? Keine Ahnung, denn ich weiß weder, wer man ist, noch, was das kann bedeutet. Wahrscheinlich bedeutet es nichts.
Im Jahresvergleich lagen die Einzelhandelsumsätze im Oktober zwar um 0,7 Prozent unter Vorjahresniveau. 
... also im Minus, wie gewohnt, bilden aber eine gute Basis für ein Plus?
„Der Einzelhandel profitiert von dem Anstieg des verfügbaren Einkommens“, kommentiert Commerzbank-Volkswirtin Ulrike Rondorf die Zahlen. ...
Verfügbares Einkommen?
(pdf, S. 4)

Das verfügbare Einkommen setzt sich zusammen aus den Konsumausgaben, den neu erworbenen Versorgungsansprüchen aus der betrieblichen Altersversorgung und dem Sparen. Es darf nicht verwechselt werden mit den Nettolöhnen und -gehältern der Arbeitnehmer. Das verfügbare Einkommen dient zur Beschreibung der Einkommenslage bzw. der monetären Situation der privaten Haushalte einer Region. Es ist jedoch nicht identisch mit der Kaufkraft der privaten Haushalte, bei der regionale Preisunterschiede zu berücksichtigen wären. 
Woher die Volkswirtin den Anstieg des verfügbaren Einkommens in diesem Jahr und darüber hinaus kennt, sollte nachgefragt werden (Ich meine jetzt nicht von der OZ. Dort haben die Redakteuere schon mit dem Kopieren alle Hände voll zu tun.). Für das Land M-V ist die jüngste Erhebung aus den Jahr 2008. Die Aussage der Volkswirtin ist aus der Luft gegriffen, Kaffeesatzleserei, aber schönschriftgeeignet und deshalb in die OZ kopiert.

Wer wenigstens die Teuerungsraten zur Kenntnis nimmt, denn auch sie beeinflussen die Höhe des verfügbaren Einkommens, wird schnell erkennen, dass Propaganda gegen Geld verbreitet wurde:

Die Teuerungsrate der Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahresmonat lag im November 2010 mit 1,7 Prozent auf dem höchsten Wert der vergangenen zwei Jahre. Nach Berechnungen des Statistischen Amtes stieg damit der Gesamtindex zum Basisjahr 2005 (= 100) auf gleichfalls lange nicht erreichte 110,8 Prozent.

Noch einige Einzelheiten:

Überdurchschnittlich mehr Geld mit + 3,7 Prozent im Vergleich zum November 2009 musste für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke ausgegeben werden. Beeinflusst wurde diese Entwicklung vor allem durch deutlich gestiegene Preise für Obst und Gemüse. Diese lagen bei Gemüse um 15,0 Prozent und bei Obst um 11,3 Prozent über dem Niveau des Vorjahres, aber auch um 3,3 Prozent bzw. 4,7 Prozent über den Durchschnittspreisen im Oktober 2010. Einzelne Gemüse- und Obstarten waren von der Teuerung besonders stark betroffen, wie Salatgurken (+ 74 Prozent zum Vorjahr bzw. + 72 Prozent zum Vormonat), Blumenkohl (+ 53 Prozent zum Vormonat), Tomaten (+ 29 Prozent zum Vorjahr bzw. + 13 Prozent zum Vormonat), Kopf- oder Eisbergsalat sowie Weißkohl (jeweils + 43 Prozent zum Vorjahr), aber auch Tafelbirnen (+ 23 Prozent zum Vorjahr bzw. + 13 Prozent zum Vormonat), Weintrauben (+ 20 Prozent zum Vorjahr bzw. + 44 Prozent zum Vormonat) und Grapefruits (+ 19 Prozent zum Vorjahr).

Auch für Bekleidung und Schuhe mussten die Verbraucher deutlich mehr aufwenden als vor Jahresfrist. Hier war ein Preisanstieg um 5,9 Prozent zu registrieren. Damit verteuerten sich gegenüber dem Basisjahr 2005 diese Waren um fast ein Drittel.
Hervorhebungen von mir

Auch an diesen Eintrag möchte ich erinnern.

Und schließlich quakte jemand:
Außerdem ebbten die Sorgen der Konsumenten vor einem Verlust des Arbeitsplatzes spürbar ab.
Woher wissen diese Leute das? Wie viele Berufstätige wurde befragt?
Dafür nimmt die Gewissheit zu, dass die Strom- und Gaspreise steigen werden, denn das ist Fakt.

Wer immer noch meint, in der OZ sog. Expertenaussagen gelesen zu haben, sollte unbedingt diese Fakten lesen:


Hier geht es allerdings nicht um verfügbares Einkommen, sondern um Löhne und Gehälter.
... Die Entwicklung der Saison- und kalenderbereinigten realen Einzelhandelsumsätze seit Januar 1994. Der Chart verrät, dass der Konsumboom betrachtet seit Januar 1994, weiterhin weniger als eine Nullnummer ist. Im Oktober 2010 lagen die bereinigten realen Einzelhandelsumsätze mit 99,2 Indexpunkten sogar noch unter dem  langfristigen Durchschnitt seit Januar 1994 bis Oktober 2010 mit 99,4 Indexpunkten.

Es ist wieder mal bezeichnend, das ein Stand der realen (verbraucherpreisbereinigten) Einzelhandelsumsätze unter dem langfristigen Durchschnitt von Medien als Boom tituliert wird. Bestenfalls ist es ein erster ermutigender Anstieg nach unterdurchschnittlichen Vormonaten, dessen Substanz die nächsten Monate zeigen müssen. ...

Die realen (preis-, saison- und kalenderbereinigten) Konsumausgaben der privaten Haushalte seit Q1 2000 bis Q3 2010. Der reale private Konsum in Deutschland ist um schlappe +5,1% seit Q1 2000 gestiegen. Die Einzelhandelsumsätze machen ca. 27% der privaten Konsumausgaben in Deutschland aus. ...

Im 3. Quartal 2010 lagen die realen Bruttolöhne und -gehälter nur um +3,34% über dem Niveau von 1991 und immer noch -1,04% unter dem Niveau aus dem Jahr 2000.

Noch trauriger sieht es aus, wenn man von der Summe aller realen Bruttolöhne und -gehälter die Lohnsteuern und den Arbeitnehmeranteil an den Sozialbeiträgen herausnimmt und dieses Ergebnis der Nettolöhne und -gehälter je Monat und je Arbeitnehmer runterbricht:

Die realen (preis- ,saison- und kalenderbereinigten) durchschnittlichen Nettolöhne und -gehälter je Monat und je Arbeitnehmer seit Q1 1991. In Q3 2010 sanken sie auf preisbereinigte durchschnittliche 1423 Euro (2005=100), dies lag kräftige -5,3% unter dem Niveau von 1991 und um -2,4% unter dem Niveau aus dem Jahr 2000! ...

Auf diesen Fakt hat die OZ überhaupt noch nicht hingewiesen, denn er löst die Frage aus, wo denn die gewaltigen Exporterlöse geblieben sind:


Denn Ruhe ist die 1. Bürgerpflicht.

4 Kommentare:

  1. Edward2.12.10

    es ist schon erstaunlich, wie du auf diese kleine, bedeutungslose Meldung anspringst.
    Wie war das mit den Birnen und den Äpfeln? Das Plus bezieht sich offenbar auf die Hochrechnung auf das Weihnachstgeschäft auf Basis des ersten WE. Das Minus auf den Oktober. Seht aber da.

    Für den Bezug zum Oktober finde ich jedoch einfach keinen Sinn. Wahrscheinlich war der Artikel länger gwesen und ist vom Newsdesk in Lübeck zusammengestrichen worden, bis die gedruckte Sinnentstellung zustande kam. Peinliche Panne.

    Und ansonsten ist wieder der Unterschied zwischen widergebenden Journalisten und dem wertenden Blogger. Falls du es vergessen haben solltest: In einer Nachricht gibt ein Journalist wertungslos wieder. Du kannst deine Kritik aber zu Recht an die UniCredit oder an die Commerzbank richten. Viel Spaß.

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  2. "Wie war das mit den Birnen und den Äpfeln?"
    Genau das ist ja der Trick. Es wird geweissagt; Fakten werden jedoch beseite gelassen, weil sie nicht zur Schönschrift passen.

    "Falls du es vergessen haben solltest: In einer Nachricht gibt ein Journalist wertungslos wieder."

    Worin besteht die Nachricht? In einer Kaffeesatzleserei. Das soll eine Nachricht sein? Es ist reine Spekulation.

    Außerdem sollte die OZ nicht noch weiter zum Sprachrohr aller möglicher Märcherzähler werden. Hier ist sie das geworden, am schlimmsten in der Schlagzeile. Das hat mit Nachricht nichts zu tun, ist Propaganda.

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  3. Anonym2.12.10

    gravierende Irreführung – Konsumrausch:

    http://www.nachdenkseiten.de/?p=7616

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  4. Anonym2.12.10

    “Tri-tra-trullalla, der dicke Konsum ist wieder da!”

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