18. Dezember 2010

Warum die Zurückhaltung?

Wenn Sie viel Zeit haben und sich zudem für die Zukunft des Internets interessieren, sollten Sie diesen Text eines Fachmannes (kein Experte laut OZ-Deutsch) lesen - voller Hintergrund, von dem die Bunkerbewohner unter den OZ-Lesern nicht den Hauch einer Ahnung haben:

Das Zeitalter der Geheimnisse ist vorbei
Wikileaks hat die Vereinigten Staaten herausgefordert. Um einen „Cyberkrieg“ geht es aber nicht, sondern um eine Revolution der Netzbürger. Die Regierungen sollten sich auf digitale Transparenz einstellen. Denn diesem Beispiel werden viele folgen. ...

Aufklärung bedingt Zugang zu Wissen für alle. 
Das ist einer der Gründe, warum die OZ das Thema weitestgehend verschweigt. Denn der Verlag will verkaufen, egal, ob es sich dabei um Aufklärung oder Tralala handelt. Und nicht jedermann ist bereit oder fähig, dafür zu bezahlen.

Dass dieses Wissen schön, erheiternd oder erfreulich ist, hat niemand versprochen. Keine der Phasen beschleunigter Aufklärung der letzten Jahrhunderte zeichnete sich durch besondere Annehmlichkeit oder Schonung des Nervenkostüms der Öffentlichkeit aus. Wissen, was wirklich passiert ist, zum Kern der Dinge vordringen, verstehen können, wie sie zusammenhängen, ist der Antrieb von Veränderung und Fortschritt.

Die glattgeschliffenen Statements, mit denen heute Politik betrieben wird, eignen sich dafür nicht. Selbst die Dialoge der Elefantenrunden aus der Ära Schmidt und Kohl erscheinen im Vergleich geradezu erfrischend ehrlich. Was besonders deutlich wird, wenn, wie nun geschehen, die Notizen aus den Hinterzimmern der Macht öffentlich werden. ...

Und noch ein Grund für die Zurückhaltung der OZ:

Die Frage nach Wikileaks ist auch die Frage nach der Zukunft der etablierten Medien, nach ihrem Geschäftsmodell und den Grundlagen ihrer Arbeit – finanziell, ideell, ethisch und gesellschaftlich. ...

Noch ein Grund, weil die OZ nichts dagegen tun kann und weil sie deshalb mit der Zeit in ihrer heutigen Form und mit dem Inhalt überflüssig wird, z.T. schon ist:
Am Ende bleibt eine Erkenntnis: Leaken ist möglich, mit ein wenig Mühe und Vorsicht auch ohne großes persönliches Risiko. Und die Anzahl von Menschen, die für Regierungen und Großunternehmen an Computern arbeiten und Probleme damit haben, die zynische, teilweise menschenverachtende Realität ihres Arbeitsalltags mit den postulierten Idealen zu vereinbaren, wächst. Gründe gibt es viele. Die Sinn- und Ausweglosigkeit der endlosen Kriege. Das eskalierende Sicherheitstheater, das sich weniger gegen die Terroristen als gegen die Freiheit des Einzelnen richtet. Die auch in westlichen Ländern um sich greifende systemische Korruption und Vorteilsnahme. Die nahezu vollständige Abwesenheit von Ehrlichkeit in Politik und Geschäftsleben. All das führt unweigerlich zu einem Aufbegehren. 

Es braucht Öffentlichkeit, die reinigende Kraft des Sonnenlichts, um Korruption, schattige Deals und ethische Verkommenheit im Zaum zu halten. Dass die traditionelle Presse, der diese Funktion eigentlich zukam, ihre Aufgabe wegen wirtschaftlicher Probleme und zu engen Kuschelns mit den Mächtigen zuletzt nur noch zögerlich (sehr freundlich ausgedrückt) erfüllt, ist bedauerlich. Durch das Aufkommen funktionierender Leaking-Plattformen haben Menschen, denen das Gewissen noch nicht abhandengekommen ist, ein Ventil für ihre Gewissensnot, ein Mittel gegen die Verzweiflung am Zustand der Welt und eine Möglichkeit, diejenigen, die dafür verantwortlich sind, zur Rechenschaft zu ziehen. Es besteht kein Zweifel daran, dass sie es nutzen werden.

1 Kommentar:

  1. Manfred Peters19.12.10

    „Stoßt Michael Moore von den Klippen“, wenn notwendig!
    http://www.michaelmoore.com/words/mike-friends-blog/viva-wikileaks
    Nicht nur politischen Schweinereien sondern auch die damit zusammenhängenden wirtschaftlichen Interessen werden durch WikiLeaks offensichtlich.
    Wenn wir es nur nicht schon immer geahnt hätten!

    !Viva WikiLeaks!

    AntwortenLöschen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.

Google