16. Februar 2010

Giftschleuder: "Übernachtungszahlen könnten auf ein Zehntel des heutigen Wertes sinken"

Heute veröffentlichte die OZ eine weitere Meinung zu den Auslassungen des Chefs des Unternehmerverbandes Vorpommern zur Giftschleuder am Bodden:
... Herr Jürgens bedauert, dass sich Dong von seinen Plänen, ein 1600 MW Kohlenkraftwerk in Lubmin zu bauen, verabschiedet hat. ...
Er wird vergeblich hoffen und damit viel Zeit und noch mehr Geld verschwenden für die Jagd nach einem Phantom. Nichts anderes sind heute Pläne für den Neubau eines Kohlekraftwerkes ohne Kraft-Wärme-Kopplung. Die Dänen ... bauen nur noch kleinere Kohlenkraftwerke, deren Abwärme zur Raumheizung oder zur industriellen Nutzung eingesetzt wird. Sie haben die Erkenntnis, dass Kohle zu teuer und zu schade ist, um deren Wärmeausbeute aus der Verstromung in die Luft zu blasen oder als Warmwasser in Flüsse und Boddengewässer abzuleiten. ...
Der Bundesumweltminister will zum Herbst einen Rahmenfahrplan vorlegen, mit dem Energiegewinnung aus erneuerbaren Energien Priorität hat. Was macht der Unternehmerverband Vorpommern? Er setzt auf ein völlig überholtes Konzept und verhindert damit Investionen für die Energiegewinnung aus erneuerbaren Energien am Standort Lubmin. Die Erfolgsgeschichte von Nordex in Rostock zeigt, wo die Zukunft liegt. Der Erfolgszug fährt an Lubmin vorbei.
Zum Jürgens'schen kohlestaubverdreckten Altschneetraum meldete sich auch kulbrod, allerdings nicht in der OZ:

Jürgens brüstet sich, dass er ein Gutachten in Auftrag gegeben hat, mit dessen Ergebnis er die mit ihm „vernetzte“ Politik dazu bewegen will, den Weg der Rechtsstaatlichkeit im Genehmigungsverfahren zu verlassen und auf Teufel komm raus den Befehl zum Bau des Kraftwerkes zu erteilen.

Auf das Gutachten, welches der Unternehmerverband bei dem Pensionär Matschke in Auftrag gab, kann man gespannt sein. Jürgens weiß das Ergebnis ja schon, weil es im Auftragsschreiben formuliert ist. Ich bezweifle sehr stark, dass Prof. Matschke sich der Mühe unterzieht, die Entwicklung ähnlich gelagerter Regionen zu untersuchen, wie das Prof. Klüter tat.

Am 26.11.2008 meldete sich Prof. Klüter von der EMAU beim Erörterungstermin zu Wort. Im Protokoll sind seine Ausführungen ab Seite 196 wie folgt festgehalten (Auszug):

... Zur Begründung seiner Ausführungen vergleicht Prof. Klüter die Region Lubmin mit der Region Brunsbüttel. ...

Die Entwicklung der Region Brunsbüttel sei ähnlich verlaufen, wie es für Lubmin geplant sei: Ein Kraftwerk – im Falle Brunsbüttel Kernkraft – sei errichtet worden und habe mit billiger Energie und vor allem billiger Prozesswärme (Dampf) Chemiebetriebe angelockt. Der größte sei eine Bayer-Filiale, Sasol-Filiale mit 540 Mitarbeitern (Stammsitz Johannesburg). Nach Fertigstellung des Kohlekraftwerks werde auch in Lubmin preiswerter Dampf anfallen, der für die Großchemie sehr attraktiv sein könne.

Zu den Gewerbesteuereinnahmen führte Prof. Klüter aus: Brunsbüttel habe 2007 ein Gewerbesteueraufkommen von 10,1 Millionen € (2003: 43,7 M€, 2004: 6,2 M€, 2005: 5,9M€, 2006: 14,6 M€). Im Gewerbesteueraufkommen gebe es extrem starke Schwankungen. Der Verwaltungshaushalt belaufe sich auf 25,1, der Vermögenshaushalt auf 13,7 Millionen €. Da die Industriebetriebe ausschließlich auswärtigen und ausländischen Unternehmen gehören,
hätte die Region keinen Einfluss auf deren Investitions- und Managementaktivitäten. 

Sowohl Investitionen am anderen Ort, Gewinnabführungen und konjunkturelle Schwankungen sorgen danach für extrem schwankende Gewerbesteuereinnahmen bei der Stadt. Demgegenüber stehen permanent hohe Ausgaben zur Unterhaltung und Erweiterung der Verkehrsinfrastruktur für diese Betriebe. Die Stadt sei entsprechend hoch verschuldet. 

Ähnlich wie Stade leide Brunsbüttel unter starker wirtschaftlicher Fremdsteuerung. Das bedeute, dass die meisten Entscheider über die Standortentwicklung nicht vor Ort, sondern in ganz anderen Regionen ihre Firmensitze haben. Die ortsansässigen Unternehmen seien häufig von den „Großen“ abhängig und könnten ebenfalls keine unabhängige Standortentwicklungspolitik betreiben. Das Industrieprofil von Brunsbüttel gehe eindeutig in Richtung Dirty Industries (schmutzige Industrien). Es handelt sich dabei um solche Produktionen, die aufgrund ihrer Emissionen und anderer Störfaktoren an großstädtischen Standorten unerwünscht seien. Mit einem solchen Profil „Schmutziger Industrien“ müsse man auch in Lubmin rechnen. 

Prof. Klüter zitiert dazu aus dem Verwaltungsbericht 2007 der Stadt Brunsbüttel. Es sei zu beachten, dass es sich mit Brunsbüttel um einen Ort handelt, der den von DONG für Lubmin angestrebten Industrialisierungspfad bereits beschritten hat. Das, was die Kraftwerksfraktion für Lubmin in der grammatischen Zeit Zukunft beschreibt, das ist für Brunsbüttel Vergangenheit. 

Derzeit habe Brunsbüttel trotz der optimalen Verkehrslage für Bootstouristen und dem Zugpferd Nord-Ostsee-Kanal (Schleusen) nur etwa 27.966 Gästeübernachtungen pro Jahr (2007). Das seien 2.056 auf 1.000 Einwohner. In Lubmin waren es 41.170 Übernachtungen, d. h. 20.064 auf 1.000 Einwohner. Unterstelle man, dass ein industrialisiertes Lubmin für Touristen so attraktiv sei wie heute Brunsbüttel, dann gebe es bei 2.056 Übernachtungen auf 1000 Einwohner statt 41.000 nur noch 4219 Gästeübernachtungen (in Häusern mit mehr als 9 Betten). D. h. die Lubminer Übernachtungszahlen könnten auf ein Zehntel des heutigen Wertes schrumpfen. Es sei klar, dass nicht nur die Lubminer Übernachtungszahlen sinken, sondern auch die der gesamten Region von Rügen bis Wollin…

Für Lubmin würde eine solche Zukunft bedeuten, dass die privaten und von der öffentlichen Hand getätigten Investitionen in die touristische Infrastruktur von Ostvorpommern, des Ostteils von Rügen und in die von Usedom, Swinemünde und Wollin entwertet würden. Eine solche, anhand von Präzedenzfällen absehbare Negativentwicklung der Region übertreffe die möglichen positiven Effekte des Kraftwerkbaus bei weitem. Im Jahre 2007 seien im Gastgewerbe des Kreises Ostvorpommern 4.434 und im Landkreis Rügen 5307 Personen sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Gehe man davon aus, dass von diesen 9741 Arbeitsplätzen80% küstengebunden sind, dann seien durch eine Veralgung der Strände, hervorgerufen durch die Wassererwärmung der Kraftwerkskühlung 7.792 Arbeitsplätze gefährdet. Dieser Verlust könne selbst durch eine sehr optimistische Industrialisierungserwartung aufgrund des Kraftwerksbaus nie ausgeglichen werden.

Darüber wissen Bunkerbewohner so gut wie nichts.

Und ich frage mich jetzt, ob die geplanten Gaskraftwerke am Bodden nicht einen ähnlichen Dreckige-Industrie-Effekt nach sich ziehen werden. Schon wieder ein Thema für die OZ! (Sollte ein Witz sein.)

1 Kommentar:

  1. Anonym16.2.10

    zum letzten Satz; so wie sie denn überhaupt gebaut werden... denn es gibt auch hierfür keinen Bedarf!

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