14. Oktober 2008

Journalisten: An ihren Worten sollt ihr sie erkennen

Mit einer Agenturmeldung, die kürzer kaum zu fassen ist, erledigten die OZ-Wirtschaftsweisen die Aufgabe, über die Vergabe des Nobelpreises für Wirtschaft zu berichten:
Wirtschaftsnobelpreis für Bush-Kritiker Krugman
Für seine Theorien über Außenhandel und Wirtschaftsgeographie erhält der US-Wissenschaftler und Autor Paul Krugman (55) den diesjährigen Nobelpreis für Wirtschaft. Dies gab die königlich-schwedische Akademie der Wissenschaften gestern in Stockholm bekannt. Zur Begründung nannte die Akademie Krugmans "Analyse von Handelsmustern und die Ansiedlung ökonomischer Aktivitäten".
Nun wissen Sie Bescheid mit der Ansiedlung ökonomischer Aktivitäten? Was in Erinnerung bleibt, ist seine Bushkritik. Schön zu wissen!
... Krugman habe mit neuen Theorien Antworten gegeben, wie sich freier Handel und Globalisierung auswirkten und was den weltweiten Trend zur Verstädterung vorantreibe, erklärte die Akademie. ...
Es ist ganz einfach zu erklären, warum nicht mehr über den Nobelpreisträger geschrieben wurde, wenn Sie wissen, was andere wissen:

Denn Krugman hat seit Jahren vor den Gefahren der US-Immobilienblase gewarnt. ... Erst im Frühjahr erschien - auch auf deutsch - sein Buch "Nach Bush. Das Ende der Neokonservativen und die Stunde der Demokraten". Als er damals im taz-Interview voraussagte, der Immobilienkrach könne sich zu einer "schwerwiegenden Krise" auswachsen, konterte er den Einwand, man werde ihn jetzt wieder des üblichen "linken Pessimismus" zeihen, mit Sarkasmus:

"Oh, das sagen sie immer. Als ich darauf hinwies, dass wir eine riesige Immobilienblase haben, haben sie gemeint, das sage ich ja nur, weil ich Bush hasse. Jetzt weiß jeder, dass ich recht hatte. Das war die größte Immobilienblase in der amerikanischen Geschichte und es ist absurd zu sagen, dass das keine gefährlichen Auswirkungen hat."

Können Sie mal erklären, warum eine Krise des Immobilienmarktes und in der Folge der Kreditmärkte notwendigerweise zu niedrigerem Wachstum und geringerer Beschäftigung führen muss?

"Nun, dafür gibt es grob gesagt drei Gründe. Erstens: Es wird praktisch nichts mehr gebaut und darunter leidet die Bauwirtschaft. Die beschäftigt Millionen Menschen. Zweitens: Es ist gerade in den USA sehr üblich, dass die Menschen Hypotheken auf ihre Häuser aufnehmen, um sich andere Dinge zu kaufen. Diese Möglichkeit ist jetzt sehr eingeschränkt, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Konsumnachfrage. Oftmals haben die Leute jetzt Schulden, die den Wert ihrer Häuser übersteigen. Drittens: Für die Versicherungsinstitute ist das ein schwerer Schlag, weil es sehr, sehr viele Leute geben wird, die ihre Kredite nicht mehr bedienen können, was die Kreditversicherer trifft. Das führt zu einer schwierigen Lage auf den Kapitalmärkten." ...

Oder dies:

Vordenker Paul Krugman
Was uns arm gemacht hat


"Uns stehen sehr, sehr harte Jahre bevor", notierte er Ende letzter Woche in seinem Blog. ...
Auch das noch! Der Kerl ist auch Blogger!
Als Krugman vor einigen Monaten in der American Academy in Berlin über sein neues Buch The Conscience of a Liberal diskutierte, beschrieb er das Entstehen neuer sozialer Ungerechtigkeit anhand eines liebgewordenen Vorurteils. Erziehung und Ausbildung, so der gängige Slogan, entschieden über die Chancen in der Gesellschaft. Gute Ausbildung, so Krugman, entscheide aber in Wahrheit über gar nichts mehr, außer der Chance, nicht zu untersten Unterschicht zu gehören: der bestbezahlte Hedge-Fund-Manager der Vereinigten Staaten verdient in einem Jahr soviel wie sämtliche Lehrer des Bundesstaates New York in drei Jahren verdienen. Heute wissen wir, dass solche ökonomischen Superlative nicht nur zu einer völligen Abspaltung der Wall-Street-Eliten geführt, sondern die gegenwärtige weltweite Wertevernichtung ermöglicht hat. ...

Wirtschafts-Nobelpreis ... nicht nur ein Preis für einen großen Theoretiker. Es ist der erste Nobelpreis für einen Blogger. Krugmans Blog in der New York Times hat ihn zu einer öffentlichen Institution gemacht, so sehr, dass ein Teil der amerikanischen Wirtschaftselite über Bushs Rettungspaket erst das Urteil fällen wollte, als Krugman es in seinem Blog rezensierte. Die öffentliche Wirkung Paul Krugmans zeigt allen Verächtern des Geistes: Globalisierte Gedanken sind ein echter Feind der gedankenlosen Globalisierung. ...

Wer könnte bestreiten, dass sich die Wohlstandsversprechen des letzten Jahrzehnts umzukehren beginnen? Nicht lange, und eine jetzt noch in Schockstarre befindliche Gesellschaft, wird ausrechnen was nur eine Promille des augenblicklich in der Finanzkrise vernichteten Kapitals in der Bildung bewirkt hätte. Sie wird dieses Geld zurückfordern. ...

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