4. Februar 2008

Kohlekraftwerk: Journalismus ungenügend (Nachtrag)

Ich muss diesen Eintrag ergänzen:

Der Autor hatte diese Aussage ungeprüft weitergegeben:
Groß sei die Nachfrage der Bioalkoholerzeuger. „In dieser Woche waren drei Interessenten bei mir“, erzählte Rittscher (Geschäftsführere der Energiewerke Nord) . „Sie hoffen auf die Abwärme der Kraftwerke, nur damit können sie günstig produzieren.“
Dazu schrieb jetzt ein Teilnehmer der Veranstaltung:

Auf meine Nachfrage, welche Größenordnung denn der Bedarf eines solchen Bio-Ethanolwerkes hätte, wurde von 70-100 MW gesprochen. Da Gaskraftwerke Steuerungskraftwerke wären, also viel rauf- und runtergefahren würden, müsste also das Steinkohlekraftwerk die Wärme liefern. Apropos Bio-Ethanolwerk: das in Schwedt läuft im Moment auf Sparflamme da der Weizenpreis so gestiegen ist - warum sollte also in Lubmin ein Neues gebaut werden?

Weiter hieß es in dem OZ-Artikel:
"Wenn die Kernkraftwerke abgeschaltet und auch Kohle nicht mehr gewollt sei, müssen die Stromerzeuger Gaskraftwerke bauen, obwohl der mit Gas erzeugte Strom drei Mal so teuer wie der aus Braunkohle oder durch Kernspaltung erzeugte sei, ist der EWN-Chef sicher. "Billigen Strom wird es in Zukunft nicht mehr geben", meint auch Peter Gedbjerg von Dong Energy, der für das geplante Steinkohlekraftwerk bei Lubmin warb.
Dazu der Teilnehmer aus der Bürgerinitiative gegen das Kohlekraftwerk:

Gedbjerg versuchte mit einer Graphik aus dem Handelsblatt zu zeigen, dass wir in Deutschland bald nicht mehr genug Strom produzieren (Da hättet ihr mal die Reaktion einiger Leute im Saal mitkriegen müssen. Die sahen den Untergang des Abendlandes kommen). Als ich dann einwarf, dass die Bundesregierung nicht nur alte Kohlekraftwerke durch neue ersetzen will, ein Grund nach Gedbjergs Meinung warum Lubmin unbedingt gebaut werden sollte (schließlich gibt es alte Kraftwerke mit deutlich höherem CO2-Ausstoss je kwh - nur hat er es nicht in der Hand, dass die nach einem Bau in Lubmin stillgelegt werden), sondern auch die Kraftwärmekopplung (KWK), erneuerbare Energien und Energiesparen zur Strategie gehören, meinte er nur, dass die KWK auch nicht so einfach wäre, da man im Sommer die Wärme nicht braucht.
Na ja, in Lubmin wollen sie extra Industrie ansiedeln, um die Wärme abzunehmen, woanders geht das offenbar nicht.

Ich habe Gedbjerg gefragt, wie denn der Kauf von Emissionsrechten auf den in Lubmin angeblich so billig zu produzierenden Strom wirken würde. Die Frage hat er nur mit der Bemerkung beantwortet, dass es in Zukunft keinen billigen Strom mehr geben wird. Zehn Minuten zuvor hatte Ritscher auf die Frage des Herrn von Rügen, ob denn am Standort Lubmin billiger Strom für Industrieansiedlungen zu bekommen sei, geantwortet, dass sie das planen (wenn die Netzagentur zustimmt). So viel zur Glaubwürdigkeit der Aussagen dieser Herren.

Über diesen Widerspruch habe ich in der OZ nichts gelesen. So viel zur Glaubwürdigkeit der OZ-Berichterstattung.

Auch dies vermisse ich in der OZ, seitdem ich den Bericht der Bürgerinitiative habe:

Dann kam das Argument, es gäbe keine Tourismusschäden durch das Kraftwerk, wenn nicht die Gegner durch Panikmache die Touristen abschrecken würden. Also sind wir nachher Schuld wenn die Touristen wegbleiben.

Ein weiteres Beispiel für die neue Imagekampagne für das Steinkohlekraftwerk lieferte Herr Gedbjerg. Erst diffamierte er die Gegner, weil sie mit unlauteren Mitteln Stimmung machen würden. Er bezog sich dabei auf das Bild auf der Homepage der BI mit dem Strand und dem Kraftwerk im Hintergrund. Am Strand in Lubmin würde man das Kraftwerk gar nicht sehen.

Dann lieferte er Zahlen zu den Schadstoffemissionen und legte zwei Folien auf, die zeigten, dass die Grenzwerte weit unterschritten würden und Lubmin seinen Seebadstatus nicht verliert. Man habe alles genau geprüft, auch Extremszenarien analysiert und es gäbe keine Probleme, so der Tenor (kein Ton dazu, dass die Hauptwindrichtung bei uns noch nicht auf Osten gedreht hat...). Natürlich würde es eine Warmwassereinleitung geben, die sei aber nicht schlimm (was Bilder verdeutlichen sollten).
Rittscher sprang ihm bei mit der Bemerkung, auch zu DDR-Zeiten mit weit mehr und dreckigerem Kühlwasser hätte es auch keine schlimmen Auswirkungen gegeben.

Wer die Zusammenfassung des WWF-Gutachtens gelesen hat, kann nur staunen über die Unverfrorenheit, mit der über dessen Aussagen hinweggegangen wird. Natürlich staune ich nicht darüber, dass der Autor des OZ-Artikels nicht nachfragte. Dass sind OZ-Leser gewohnt, lassen es sich gefallen und zahlen sogar für die Zeitung.

Der Autor kam offensichtlich nicht auf die Idee, den Kraftwerksgegener nach dessen Meinung zu fragen. Hätte er es getan, hätte er diese Antwort bekommen:

Gesamteinschätzung ist, dass sie jetzt sehr gezielt mit Unterstellungen, Panikmache in Richtung Energieknappheit und 'Green-Washing' (angebliche Maßnahmen zur Verbesserung der Umweltbilanz) versuchen, die Akzeptanz, zumindest die der Entscheidungsträger wie gestern (waren fast nur Bürgermeister und Landräte da) zu erhöhen.

So sagt auch Rittscher immer, dass die Politik das Kraftwerk wollte (womit er die vorherige Landesregierung meint und damit indirekt die SPD und PDS).

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