Schuld und Sühne
Von THOMAS PULTSchon geht es los mit der Schönschreiberei. Wenn schon, dann müsste sich der Kohlrouladenesser als einer der ersten entschuldigen, weil er dazu beigetragen hat, dass Oberbanker immer mehr freie Hand bekamen.
Sie sollten ihre Fehler zugeben, für sie geradestehen, sich entschuldigen. So verlangt es Bundespräsident Horst Köhler von jenen Bankmanagern, die eine der schwersten Finanzkrisen aller Zeiten über die Welt gebracht haben. Sie klingt nach kalter Wut, diese Forderung - und danach, als wolle ein Vater seinen halbwüchsigen Sohn ohrfeigen, der Bockmist verzapft hat.
Die Frage ist: Ist so etwas überhaupt zu entschuldigen? Dieses Vabanquespiel mit dem Weltwirtschaftssystem? Dieser verantwortungslose Umgang mit Geld, das Abermillionen Kleinsparer den Bankmanagern anvertrauten? Geblendet von der Gier nach Renditen experimentierten jene Finanzlenker besonders in den USA mit schwer durchschaubaren Finanzkonstrukten, bastelten Zeitbomben, deren verheerende Wirkung sie nicht einschätzen konnten und wollten. Sie befeuerten die Märkte mit Giftmischungen, deren Namen Otto-Normal-Sparer vor dem großen Knall nicht einmal kannte: Derivate, Zertifikate, Inhaber-Schuldverschreibungen. Jetzt ist der Flächenbrand da und vernichtet täglich Milliarden.1. Niemand verbot den Oberbankern, solche Finanzprodukte zu entwickeln, kein Staatsoberhaupt, keine Regierung. Das Gegenteil war der Fall:
Der Vertreter von Bundesminister Steinbrück im Aufsichtsrat der IKB, Jörg Asmussen, hat vor wenigen Jahren in einem öffentlichen Artikel die Verbriefung von Schulden als großen Durchbruch auch für den deutschen Finanzmarkt gefeiert. Der Erwerb fauler Verbriefungen durch die von ihm beaufsichtigte IKB hat den Steuerzahler dann 11 Mrd Euro gekostet.
Er selbst wurde vor wenigen Wochen zum Staatssekretär befördert und durfte die Bundesregierung beim Pariser Krisengipfel vertreten. Sein Minister und er selbst sind auch für die deutsche Bankenaufsicht verantwortlich, die die Überschuldung der Banken zugelassen hat.
2. Dass OZ-Leser solche Finanzkonstrukte nicht kennen, wundert mich nicht. Ihnen wurde nicht einmal die ganze Wahrheit über private Rentenversicherungen mitgeteilt. Stattdessen schrieb die OZ die Wirtschaft schön, die in MV besonders. Da überraschte es mich nicht, wenn unkundige OZ-Leser Geld in Aktien, Fonds usw. anlegten, nachdem die Kurse drei Jahre lang gestiegen waren. Sie kauften die Anteile jener, die kundig waren und ihre Anlagen zu Geld machten.
Übrigens sind Inhaberschuldverschreibungen sehr leicht zu verstehen.
Dass Politiker wie Kanzlerin Angela Merkel, Finanzminister Peer Steinbrück und ihre Kollegen in aller Welt jetzt Verantwortung übernehmen und als Feuerwehr einspringen, ist löblich - einerseits. ...Hier wird der Eindruck erweckt, Angela und Co. seien die Retter in der Not (wessen Not). Das ist falsch: Sie gehören zu jenen, die ein gerüttelt Maß Mitschuld an den Zuständen tragen.
Wenn nun aber schon von Schuld die Rede ist, dann muss auch der Staat die seine eingestehen. Er sollte zugeben, dass er den Turbo-Kapitalismus nach amerikanischem Vorbild durchaus förderte. ...Aha, also doch, aber schön anonym: der Staat; fehlt noch die Politik.
Der kleine Mann ist das große Opfer der Finanzmarktkrise. Das ist, als wäre jemand unschuldig verurteilt. Die wahren Schuldigen, die Bankmanager, gehen in den meisten Fällen straffrei aus. ...Wieder hat der Autor die Schuldigen gefasst, und viele andere laufen lassen.
Dass der sog. kleine Mann das Opfer der Krise ist, ist nichts Neues. Das ist immer so, seit mindestens 2000 Jahren und nach allem was ich bisher las, wird es so bleiben, auch dank vieler Medien, die beschönigen, bis nichts mehr zu beschönigen ist, die den Ereignissen nicht kritisch auf den Grund gehen.
Ich empfehle, hier nachzulesen:
Nun muss der Staat den Banker geben
Im Lexikon der Finanzkrise taucht ein neuer Begriff auf, der die Aufmerksamkeit des inzwischen fassungslosen Publikums verdient: Margin Call. Er beschreibt den bedrohlichen Anruf von Banken und Brokern bei speziellen Großkunden, die ihre Aktienkäufe mit Krediten finanziert haben. ...
Eine hervorragende Analyse!
Times Mager
Abbitte
... Ich habe noch im Ohr, wie Gerhard Schröder über Oskar Lafontaine höhnte, der bilde sich ein, er könne dem internationalen Finanzkapital Fesseln anlegen. Ich habe es auch deshalb im Ohr, weil ich fand, dass Schröder recht hatte. Lafontaine erschien mir als ein kleiner Mann, der seine Fäustchen ballte und sie gegen Leute erhob, die mit dem Bruchteil ihres Jahreseinkommens die ganze SPD hätten aufkaufen können. Sein Fäusterecken hatte etwas Lächerliches. Aber Lafontaine hatte Recht. Er hatte Recht nicht nur in der Analyse. Der Weg in die Katastrophe hatte begonnen mit der Entfesselung des Finanzkapitals.
Es wäre dringend nötig, einmal die Geschichte zu erzählen, wie in den USA, in Europa, in Deutschland Politik und Gesellschaft in den letzten 25 Jahren Schritt für Schritt den Interessen einer immer kleineren Gruppe von international agierenden Unternehmen unterworfen wurde. Es wäre ein Wunder - so die ahnungslos-feuilletonistisch vorgetragene Vermutung - , wenn sich nicht herausstellen würde, dass in diesem Prozess bei den jeweils entscheidenden Auseinandersetzungen Geld eine nicht unerhebliche Rolle gespielt hat. ...
Was sich Banker um die öffentliche Meinung scheren, zeigt dies:
Trotz Staatsrettung: Dexia und Fortis feiern in Monaco
Die Finanzkrise hat die Banken fest im Griff: Weltweit müssen die Staaten immer mehr Institute mit Milliarden-Rettungspaketen vor dem Aus bewahren. Doch das hält die betroffenen Unternehmen offenbar nicht davon ab, liebgewordene Gewohnheiten, wie teure Partys oder Luxusreisen für Topmanager, zu überdenken. So feierten erst kurz nach der verzweifelten Rettungsaktionen des belgischen Staates die betroffenen Banken Dexia und Fortis teure Partys in Monaco. Der Champagner floss in Strömen. ...
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