30. Juli 2006

Kommentar zum Kommentar: scheinheilig


Ich dachte, ich lese nicht richtig, denn das war der Aufmacher auf der Titelseite:

So viele (Ein-Euro)-Jobs
DORIS KESSELRING schrieb unter anderem:

In nur 18 Monaten entstanden in MV tausende Zusatzjobs. Zu viele, kritisiert der Unternehmerverband Rostock. Er fordert eine stärkere
Kontrolle der Tätigkeiten. ... 18 309 so genannte Arbeitsgelegenheiten sind derzeit in MV besetzt. ... „18 000 sind eindeutig zu viel“, kritisiert Ulrich Seidel vom Unternehmerverband Rostock. Es gäbe viele Stellen, die eine klare Konkurrenz zum ersten Arbeitsmarkt darstellten. „Das beobachten wir in der Pflege, in der Kinderbetreuung wie auch im Grünbereich“ ... So beurteilt es das Bundessozialgericht. Unter den Augen der Arbeitsverwaltung würde fern aller gesetzlichen Vorschriften eine neue Subkultur befristeter Beschäftigungen geschaffen. Mit großer Kreativität werden angeblich neue Jobs entwickelt.
...
Ich wunderte mich über das Erscheinen dieses Berichtes, weil ich
zuletzt in der Heimatzeitung gelesen hatte, wie Ein-Euro-Sklaven missbraucht werden, ohne dass die Autorin auch nur ein Wort der Kritik aufschrieb. Das vermieden Autoren auch schon vor einem Jahr.
Und am Wochenende nun diese Kesselring'sche Überraschung!

Ein Viertel der Stellen verstoße gegen die gesetzlichen Anforderungen, beklagt der Bundesrechnungshof. ...
In der Pressemitteilung stand außerdem:

Bei weiteren knapp 50 % der geprüften Fälle hatten die Grundsicherungsstellen keine verlässlichen Kenntnisse über die Maßnahmeinhalte, so dass auch hier Zweifel an der Förderungsfähigkeit bestanden. Die Grundsicherungsstellen überließen häufig wesentliche Teile des Fallmanagements, wie das Profiling oder die Entscheidung, ob und in welcher Arbeitsgelegenheit erwerbsfähige Hilfebedürftige eingesetzt werden sollen, den Maßnahmeträgern. Sie waren daher nicht ausreichend über Maßnahmeinhalte, Einsatzorte und die von den Teilnehmern auszuübenden Tätigkeiten informiert.
„Nach der Bewilligung kontrollieren wir auch stichprobenartig die Arbeitsplätze“, so Junghans. Bisher habe es keine groben Verstöße gegeben. ...
Was damit gemeint ist, geht z.B. aus der Statistik der Sozialagentur Ostvorpommern hervor.
Im 1. Quartal kontrollierte die Agentur 17 Maßnahmen und schloss danach eine. Allerdings waren zum Quartalsende 1526 Menschen in MAE. Anfang 2006 zählte die Agentur 1441 Personen in MAE, im Juli 2455 Menschen, eine Steigerung auf 170 Prozent und Höchststand seit Gründung der Agentur.

Soweit, so überraschend der Kesselring'sche Bericht. Doch dann las ich den Kommentar zum Thema:

Zunahme der Ein-Euro-Jobs
von KLAUS WALTER und war entsetzt:

Im Prinzip sind Ein-Euro-Jobs eine gute Sache: Menschen, die vorübergehend keine feste Arbeit finden, haben eine Beschäftigung und bleiben im normalen Lebensrhythmus. Sie müssen nicht mit dem Gefühl leben, der Gesellschaft auf der Tasche zu liegen. Sie erbringen eine Gegenleistung für die Hilfe, die ihnen zuteil wird. ...
Das ist nicht zu fassen!
Herr Walter, für weiter gezahltes Alg 2 ist keine Arbeitsleistung zu erbringen. Das sieht das Gesetz nicht vor und ist keinesfalls im Sinn des Gesetzes.

Das heißt, für die Hilfe müssen die Alg 2-Empfänger nichts tun, außer sich regelmäßig bewerben, stets am Ort bleiben, Einsicht in die privatesten Unterlagen gewähren, sich stets und ständig des Alg 2-Missbrauchs verdächtigen lassen, mit 20 Prozent weniger leben, als zum Leben in Deutschland benötigt wird. Sie sollen dulden
(werden es aber nicht tun), dass ihre persönlichen Daten nicht geschützt werden. Und sie müssen sich als Ein-Euro-Sklaven ausnutzen lassen.

Sie müssen das unter anderem auch tun, weil viele Medien - OZ eingeschlossen - den Eindruck erwecken, Alg 2-Empfänger müssten für einen Ein-Euro-Job dankbar sein.

Zu Ihrer Information:

Um seine Mehrkosten, die durch die Arbeitsaufnahme entstehen, zu decken, erhält er eine so genannte Mehraufwandsentschädigung. Diese liegt zwischen 1 und 2 Euro.

Diese Mehraufwandsentschädigung ist jedoch letztendlich Arbeitsvergütung. Sie soll den Mehraufwand abdecken, den der nunmehr werktätige Arbeitslose durch seine Arbeit hat, z.B. zusätzliche Fahrtkosten, einen erhöhten Verpflegungsaufwand, Arbeitskleidung, Reinigung der Arbeitskleidung u.ä.

Das Geld dient also gerade nicht dazu, besser zu leben, sondern dazu, ohne Verdienst zu arbeiten. Deshalb heißt die Vergütung Mehraufwandsentschädigung, Herr Walter.

Einst entließen Betriebe ihre Angestellten und sattelten auf ABM-Kräfte um. Dann kamen die Ich-AG und manche Firmen drängten ihre Beschäftigten in die Selbstständigkeit. (Was war darüber in der OZ zu lesen?) Und jetzt eröffnen sich auch bei den Ein-Euro-Jobs Möglichkeiten des Missbrauchs. Es gibt Anzeichen, dass Vereine, Verbände oder Kommunen das „Instrument“ Ein-Euro-Job ausnutzen. ...
Herr Walter, das passiert nicht erst jetzt, sondern seit anderthalb Jahren, auch wenn dieser Missbrauch von Sozialleistungen für die Heimatzeitung kaum ein Thema war.

Wer sich mit dem Thema "Missbrauch von Sozialleistungen" befassen möchte, sollte diese Liste bei sich tragen:

"Voraussetzungen/ Anforderungen / Qualitätskriterien für Zusatzjobs nach § 16 Abs. 3 SGB II(Darlegungspflicht des Trägers)"

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