15. März 2013

Kein Salto mortale in der OZ

Es muss wieder hier eingetragen werden, wegen eines Textes aus dem chicen Hauptstadtbüro, dem schon im ersten Satz anzusehen ist, dass er für mehrere Quali-Blättle entstand und keineswegs in der OZ, wie die Spitzmarke vortäuscht:
Ein Salto Mortale der Politik
Vor zehn Jahren verkündete Kanzler Gerhard Schröder seine Agenda 2010. Seither wird über das Reformwerk gestritten.
Berlin (OZ) - Alle 18 Minuten, Tag für Tag, knallt, rein statistisch, der Eingangsstempel allein beim Berliner Sozialgericht auf ein eingegangenes Klagebegehren eines Bürgers. Es geht um die Folgen der Agenda 2010 ...
Gibt es in M-V kein Sozialgericht, kein einziges?
Eins stimmt aber: Seit Einführung des Alg 2 wurde versucht, hunderttausende Alg 2-Berechtigte um Geld zu betrügen, denn etwa jeder zweite Kläger bekam Recht. Oder weshalb sonst die Gerichtsverfahren? Wo sind entschieden mehr Alg 2-Betrüger zu finden, in den Ämtern oder unter den Berechtigten? Fragen Sie den Redakteur Ihres Vertrauens.
Heute ist kaum eine Arbeit mehr unzumutbar, die Löhne sind oft weit unterhalb der Schmerzgrenze. ...
Doch weiter unten schrieb der Autor:
Vor Wirkung der Agenda verzichtete ein Arbeitsloser nach einem Jahr Jobsuche durchschnittlich auf 77 Euro Gehalt im Monat, um wieder arbeiten zu können. 2005 war der vergleichbare Arbeitslose bereit, im Schnitt auf 186 Euro Gehalt monatlich zu verzichten. ...
Das mit dem Bereitsein ist verlogen, denn dem Langzeitarbeitslosen (der ja gar nicht soooo lange arbeitslos sein muss, um Alg 2 zu erhalten; meist reicht ein Jahr) bleibt nichts übrig, als jede zumutbare Arbeit anzunehmen, hat der Autor selbst geschrieben.
„hartzen“ ist zum anerkannten Stichwort im offiziellen deutschen Sprachgebrauch für nichtsnutziges Tun geworden. ...
Dass dies so ist, ist vor allem den Medien anzukreiden, denn sie haben die verlogene Hetze von Politbonzen nachgeplappert und vervielfältigen lassen, haben ahnungslos Gesetzesverstöße von Behörden gutgeheißen, haben selbst Langzeitarbeitslose als faul und überwachungswert dargestellt, was nichts anderes bedeutet, als diesen Leuten einen Teil ihrer Grundrechte abzusprechen. Sie haben dazu beigetragen, dass besser Betuchte und weniger Arme gegen die Armen aufgehetzt wurden. und damit, dass die Demokratie beschädigt wird.

Was soll dies bedeuten?
Angela Merkel verkauft den kriselnden Euro-Staaten das Schröder‘sche Brachial-Reformwerk als Muster. Wer es damit in Euro-Land versucht, wird aber gnadenlos abgewählt. Rundherum steuert die Jugendarbeitslosigkeit auf Rekordwerte zu, die Perspektive für Erwachsene ohne Job ist meist trostlos. Dafür werden in Deutschland händeringend Auszubildende gesucht. ...
Vorsicht! Dazu lesen Sie lieber hier nach.
„Die Agenda 2010 hat die Gesellschaft verändert, sie hat uns reicher gemacht“, schwärmt der einstige SPD-Superminister der Agenda- Zeit, Wolfgang Clement. Manchen klingt das wie Hohn. ...
Clement hat vergessen zu sagen, wer mit uns gemeint ist, der Autor hat nicht nachgefragt.
Woher will der Autor wissen, dass es nur manchen wie Hohn klingt? Jeder, der einigermaßen denken kann und sich von Medien wie dem Hochwertblättle keine bildlichen Scheuklappen gegen Geld verpassen ließ, wird angewidert sein von diesem Clementschen Auswurf.
In Deutschland boomt und bollert es auf dem Arbeits- und Sozialmarkt seit Schröders Brandrede. ...
Achja? Und das hat direkt mit den Folgen der Agenda 2010 zu tun? Hat es nicht. Hat es nicht. Doch das zu erkennen, ist der Autor außer Stande.
Die Agenda 2010 ist für die einen Armut per Gesetz geblieben, für die anderen der Grundstein für deutschen Export- und Konjunkturwohlstand. ...
... von dem die Masse wie viel abbekommt? Unwichtig für den Autor.
Natürlich bedeutet die Agenda Verarmung (nicht Armut, die fällt nämlich nicht vom Himmel) per Gesetz. Leider schrieb der Autor nicht, wer die einen und die anderen sind, sondern beschränkte sich auf Experten (Experten für was?):
Die Annahme, Schröders Agenda-Politik habe Wirkung gezeigt, „ist zumindest wahrscheinlich“, attestiert Christian Dreger vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung bei einer Zwischenbilanz. ...
Und das heißt was? Richtig, nichts. Wer sind wohl die Freunde des DIW?

Kein Wort verlor der Autor darüber, dass Teile der Hartz-Gesetze grundgesetzwidrig waren und wahrscheinlich immer noch sind, wodurch Alg 2-Berechtigte um viel Geld betrogen wurden und wahrscheinlich immer noch betrogen werden. Die OZ vermied es sogar mitzuteilen, bis es einfach nicht mehr ging, dass gegen die Höhe aller Regelsätze geklagt worden war. Sie täuschte den Lesern vor, dass nur die Regelsätze für Kinder behandelt würden.

Natürlich vermied die OZ es auch, die Blickpunktseite zu ergänzen, z.B. damit, dass etwa gleichzeitig mit der Agenda die Einkommenssteuer für Bestverdiener gesenkt wurde, die Vermögenssteuer nicht mehr erhoben wurde, den Banken freie Hand gelassen, der Handel mit Hedgefonds in Deutschland zugelassen wurde ...

Übrigens finden Sie hier einen anderen Rückblick.

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