19. Januar 2012

Abgelenkungsmanöver voraus

Tagelang Berichte über das Schiffsunglück, dazu mit einem Schiff, das demselben Konzern gehört wie die in Rostock ansässige Aida-Flotte - kein Wunder, dass da der Marketing-Chef des Unternehmens, Aida-Kunze, den Blick der Leser in die lichte Zukunft des Unternehmens und damit zugleich in die aller potentiellen Aida-Gäste lenken möchte. Dass die OZ dabei als PR-Diener des Unternehmens eifrig mitmacht, ist Bloglesern klar. Die OZ tat es mit einer Bildnachricht auf der Titelseite, das zugleich Aufmacherfoto ist:

Deshalb von mir diese Zugabe, die etwas von dem zeigt, was an journalistischer Leistung erbracht werden könnte, dass aber Medien wie die OZ überhaupt kein Interesse daran haben, Hintergründe aufzudecken und zu beschreiben:
... Was, wenn Schettino, ohne den Mann überbewerten zu wollen, kein Einzelfall ist, sondern vielmehr symptomatisch? Dann wäre er eine völlig normale Erscheinung in einer stromlinierten, durchrationalisierten Gesellschaft, in der Dinge wie Verantwortung, Mitmenschlichkeit und Hingabe allenfalls als Nice To Haves gelten, ansonsten aber für Sozialromantiker. Normal in einer Gesellschaft, die Blender und Aufschneider nach oben spült. Solche, die zwar hervorragend Bella Figura und einen auf Leistungsträger machen können, die richtigen Leute kennen und Alphatiere sind im Konkurrenzkampf mit anderen, die aber sofort den Ort des Geschehens verlassen, wenn es mal ernst wird und sich hinterher fadenscheinig rausreden.
Es gibt immer noch Leute, die uns erzählen wollen, es sei das beste für die Allgemeinheit, wenn alle an sich selbst dächten. Sind solche Quarktaschen sich ansatzweise im klaren darüber, dass auch sie sich in Notsituationen auf Menschen verlassen müssen, deren wichtigste Aufgabe es ist, eben nicht an sich zu denken, wenn es hart auf hart kommt?
Keine Kreuzfahrt: Flüchtlinge auf Lampedusa (2007)

Noch etwas: Natürlich ist das Drama um die Costa Concordia eine Tragödie. Warum aber wird über die wahre Tragödie, die sich fast täglich auf dem nassen Friedhof Mittelmeer abspielt, kaum mehr berichtet? Es ist die der afrikanischen Flüchtlinge, die nach wie vor zu Tausenden in primitiven Booten übersetzen und versuchen, sich zumindest lebend nach Lampedusa durchzuschlagen. Manchmal geht das schief. Zuletzt sind im August 2011 zirka 100 von ihnen, vor allem Frauen und Kinder, auf einem fahruntüchtigen Schiff verhungert. Aber das sind schließlich nur Wirtschaftsflüchtlinge, die unsere Sozialsysteme plündern und uns überfremden wollen. ...

2 Kommentare:

  1. Manfred Peters19.1.12

    Da sind wir in der Mecklenburger Provinz ja noch gut weggekommen, denn in der Rostocker Ausgabe sieht das so aus:
    http://www.ostsee-zeitung.de/ozdigital/archiv.phtml?param=news&id=3345493

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  2. Anonym19.1.12

    Noch etwas vom letzten Absatz: Natürlich ist das Drama um die Costa C. eine Tragödie....

    Und die Frauen und Kinder und die anderen, die im Meer ersaufen, weil sie in ihrer Heimat wegen dem Raubtierkapitalusmus der Westlichen Welt verhungern, sind keine Schlagzeilen in den Blödblättern, in dem zensierten Blöd-TV wert.
    Diese Bilder von dem hausgemachten Elend vermisse ich. Aber was hat uns fremdes Elend anzugehen, was haben uns die Schwarzen auf dem Weg nach Lampedusa zu interessieren?! Wir in Deutschland haben unsere beschlipsten Geier in der Regierung und ZDF und ARD usw. und sie bestimmen, was für unser Auge und unsere Ohren geeignet ist.

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