29. November 2011

Lehrstück

Hier hatte ich auf den Märchenerzähler Kretschmann hingewiesen. Heute zieht die OZ mit einer Stuttgart 21-Seite nach. Dort ist u.a. Kretschmanns neues Märchen zu lesen:
... Bei der Kostenfrage blieben jedoch „massive Differenzen“. Sollten die veranschlagten 4,5 Milliarden Euro nicht reichen, werde das Land darüberhinaus kein weiteres Geld zuschießen. Dann stehe die Bahn in der Pflicht. ...
Nun hatte die OZ ja schon zu Zeiten der verhinderten Giftschleuder das Verkaufen von Bonzen-Märchen zur bildlichen vollen Blüte entfaltet. Wen wunderts also, wenn das immer so weitergeht. Aber auch ein eigenes Määrchen mischte die OZ auf die Blickpunktseite:
Hintergrund der Ankündigung sind Prognosen, wonach der Bahnhof im Extremfall doppelt so teuer werden könnte. Die Bahnmanager reagierten auf den Einwand gelassen. Von neun Milliarden Euro Kosten könne überhaupt keine Rede sein. Große Infrastrukturprojekte stünden zwar immer unter Risikovorbehalt. Aber sie vertrauten auf die eigenen Berechnungen und ein rigoroses Kostenmanagement. ...
Nun entstammen die etwa zehn Milliarden Euro Kosten nicht irgendeiner Schätzung von Bahnhofsgegnern (mit deren sachkundigen Argumenten gegen das Projekt sich die OZ so wenig auseinandersetzte, wie einst mit denen zu Zeiten der Giftschleuder am Bodden), sondern einem Gutachten für die Landesregierung:
Verschwiegene Kosten
Stuttgart 21 vor der Entscheidung
Die ehemalige baden-württembergische Landesregierung und die Deutsche Bahn haben der Öffentlichkeit offenbar die wahren Kosten für das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 verschwiegen. Das legen Dokumente aus dem Landesverkehrsministerium vom Herbst 2009 nahe, die Frontal21 vorliegen. ...
Und uralt, aber den OZ-Lesern ebenso unbekannt:
Bahn soll Kosten für S21 verschwiegen haben

Die Bahn hat nach Medienberichten jahrelang die wahren Kosten für ihr Prestigeprojekt Stuttgart 21 verheimlicht. Es geht um eine Differenz von 1,3 Milliarden Euro. ...
Noch etwas zum OZ-Kommentar:
... Der Streit um Stuttgart 21 mag ein Lehrbeispiel sein für manch andere Fälle, in denen auch gegen Infrastrukturprojekte gekämpft wird, egal, ob es sich dabei um eine Stromtrasse in Mecklenburg-Vorpommern, einen Radweg in Hamburg oder Flugrouten in Berlin handelt. Die Front der Widerständler speist sich zumeist aus Eigeninteresse, nicht aus Gemeinschaftssinn. Die „Nimbys“ — Not in my Backyard, zu Deutsch so viel wie: Nicht vor meiner Haustür — sind auch hier im Schlepptau der Proteste gegen S 21 zur Massenbewegung geworden. ...
Das halte ich für Blödsinn, abgesehen davon, dass es zuerst die Stuttgarter anging. Offensichtlich hat der Kommentator nicht einmal die Vorschläge für Kopfbahnhof zur Kenntnis genommen.
Lesen Sie hier nach, was andere kommentieren:
Die Abstimmung zu Stuttgart 21 hat das Kernproblem unserer Scheindemokratie sichtbar gemacht: Wer Geld hat und publizistische Macht, kann bestimmen, wo es lang geht. ...
Die Grünen haben ihren Frieden mit diesen Verhältnissen gemacht – sie klammern aus, dass die demokratische Willensbildung nicht mehr funktioniert.
Sie haben auf die Volksabstimmung gesetzt, so als gäbe es auf diesem Weg eine ehrliche objektive Entscheidung der Menschen und nicht eine von Propaganda und Filz gesteuerte Entscheidung. Sie erkennen kein Demokratieproblem mehr. Insofern sind sie weit weg von ihren Ursprüngen und ihren eigenen Erfahrungen. Die Stigmatisierung der Grünen durch ihre Konkurrenten und die Medien in den ersten zehn oder 15 Jahren ihres Bestehens hätte eigentlich eine fortwährende Erfahrung sein müssen. Jetzt haben sie diese Erfahrung verdrängt und tun so, als würde die demokratische Willensbildung funktionieren. ...
Das stand über dem OZ-Kommentar:
Das Votum zu Stuttgart 21 ist ein Lehrstück in Sachen Demokratie.
Richtig. Es lehrt, und das schon seit 2500 Jahren, dass mit Geld, Märchen, Versprechen und Verschweigen die Masse gefügfig gemacht wird und von ziemlich allem zu überzeugen ist.

1 Kommentar:

  1. Edward29.11.11

    Stimme mit dir im Wesentlichen überein.

    Nur beim Kommentar bin ich teilweise anderer Meinung. "Die Front der Widerständler speist sich zumeist aus Eigeninteresse" das ist kein Blödsinn, wie du glaubst. Hier hat Rainer Stephan meiner Meinung recht. Leider. Aber mich regte am Kommentar auf, dass Stephan keinen Schimmer hat, warum auf den Montags-Demos "wir sind das Volk" gerufen haben und damit recht hatten, obwohl sie nur ein kleiner Teil des Volkes waren.
    Und jetzt spricht Stephan mit diesem Argumnt den Stuttgartern das Recht ab, mit diesem Ruf eine größere Bürgerbeteiligung einzufordern.

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