26. Februar 2010

Schon mal was von Saison-Kurzarbeitergeld gehört?

Würden Journalisten in der OZ arbeiten, könnte so etwas nicht unrecherchiert vervielfältigt werden:
Harter Winter: Arbeitslosenzahl in MV weiter gestiegen
Schwerin/Nürnberg (dpa) - Die Zahl der Arbeitslosen ist im kalten und schneereichen Februar in Mecklenburg-Vorpommern weiter gestiegen. ...
Ja, mir kommen die Tränen, aber nicht, weil ich Mitleid mit jenen habe, die nicht frieren wollten, sondern sich lieber arbeitslos meldeten, sondern weil schon dieser Anfang wieder ein Beleg für den unaufhaltsamen Niedergang des Restes an Journalismus ist, in der Nachrichtenagentur und in der OZ sowieso.

Ganz abgesehen von dem üblichen üblen Lug und Trug des Gesetzgebers und der Bundesagentur kann das Winterargument nicht so ganz stimmen.
Doch auf die Spitze trieb es eine Autorin aus der Greifswalder Zeitung. Sie ließ sich nicht nur die Taschen vollhauen:
„Die jetzige Arbeitslosenquote von 13,3 Prozent kann nicht zufriedenstellen, keine Frage. Aber sie ist dennoch die niedrigste Februarquote seit 1998“ ...
Seit 1998 ist so viel an der Statistik gebastelt worden, dass jeder Vergleich mit Zahlen von vor zwölf Jahren verlogen ist, was weder die behördengläubige Autorin noch andere sog. Journalisten in der OZ  stört. Die Zahlen kommen ja schließlich aus einer Behörde.

Doch dann dies:
Schwierig sei es immer noch für die Baubranche, die durch das langanhaltende Winterwetter mit großer Wahrscheinlichkeit noch später als sonst anfangen kann.
Hätte die Autorin auch nur den leisen Hauch einer Ahnung, hätte sie doch fragen können: Nutzen die Baubetriebe denn nicht das seit 2005 gezahlte Saison-Kurzarbeitergeld? Wenn sie es nutzen, sind die Bauarbeiter nicht arbeitslos sondern Kurzarbeiter. Nutzen sie es nicht, wäre doch die Frage angebracht, warum das so ist? Vor allem sind diese Fragen angebracht, weil dem Arbeitgeber das Kündigen erspart bliebe, er nur die Mühe hätte, das Saison-Kurzarbeitergeld zu beantragen. Bezahlt wird es aus der Arbeitslosenversicherung.
Nur zur kurzen Erklärung:

Das Saison-Kurzarbeitergeld ist eine Lohnersatzleistung der deutschen Arbeitslosenversicherung mit dem Ziel, die ganzjährige Beschäftigung in der Bauwirtschaft und in anderen Wirtschaftszweigen zu fördern. Es ist – wie das Transfer-Kurzarbeitergeld – eine Sonderform des (konjunkturellen) Kurzarbeitergeldes, durch das speziell Entlassungen in den Wintermonaten und der damit einhergehende Anstieg der Arbeitslosigkeit im Winter vermieden werden soll. 

Nachtrag, 27. Februar:
Wie volksverblödend das keinerlei Intellekt erfordernde Nachgeplapper der Arbeitslosenzahlen ist, zeigt auch dieser Text:

... Offiziell gibt es derzeit 3,64 Millionen Erwerbslose, das sind 91.000 mehr als vor einem Jahr. Bei der Analyse dieser Zahlen gilt es zwei Trends zu berücksichtigen: Erstens, die Zahlen sind bis zu einem gewissen Grad geschönt, wie die BA indirekt eingesteht. Das tatsächliche Ausmaß der Unterbeschäftigung wird erst anhand der gesondert ausgewiesenen Daten aus Nürnberg deutlich: Knapp fünf Millionen Menschen, die aktiv oder passiv im Wartestand auf einen auskömmlichen Job stehen, werden insgesamt gezählt - ein Anstieg um zehn Prozent binnen Jahresfrist.
Hinzu kommen noch über eine Million Kurzarbeiter, die im Schnitt ein Drittel ihrer offiziellen Stundenzahl einbüßen. Zu den Personengruppen, die in die Position der Unterbeschäftigung abrutschen, zählen auch jene Arbeitslosen, die einfach von der statistischen Bildfläche verschwinden - sei es, dass sie in speziellen Kurzkursen trainiert, in Ein-Euro-Jobs zwangsverpflichtet oder durch Gründungszuschüsse in eine unsichere Selbstständigkeit gelotst werden. Neben diesen Faktoren spielt noch ein anderer Arbeitszeit-Effekt einezentrale Rolle: Die bei den Personalchefs immer beliebtere Umwandlung von Vollzeit- in Teilzeitstellen. Hatten die vom Statistischen Bundesamt gezählten "Normal-Jobs" binnen Jahresfrist um 360.000 abgenommen, stieg zugleich die Zahl der Teilzeitkräfte um 270.000. ...
Wie viel Bewegung am Arbeitsmarkt herrscht, macht eine Zahl deutlich: Knapp zehn Millionen Menschen mussten in den letzten zwölf Monaten den Gang zur Arbeitsagentur antreten.
Hier gibt es Zahlen in Hülle und Fülle, die die OZ so stinklangweilig findet, dass sie sie nicht an die Leser weitergibt, nicht einmal gegen Geld:
... Als Arbeitsuchende waren im Februar 2010 insgesamt 6,096 Millionen Frauen und Männer registriert, 267.000 (4,6%) mehr als im Februar 2009. Die von der Statistik der BA ermittelte „Unterbeschäftigung ohne Kurzarbeit“ betrug im Februar 2010 4,803 Millionen, 256.000 (5,6%) mehr als im Februar 2009.
Nach vorläufigen, hochgerechneten Daten hatten 1,358 Millionen (arbeitslose und nicht arbeitslose) Frauen und Männer Anspruch auf das beitragsfinanzierte Arbeitslosengeld (SGB III) und 4,968 Millionen Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Bereinigt um die Zahl der etwa 137.000 sog. Aufstocker (gleichzeitiger Bezug von Arbeitslosengeld und Arbeitslosengeld II) hatten im Februar 2010 etwa 6,189 Millionen erwerbsfähige Frauen und Männer Anspruch auf Arbeitslosengeld (SGB III) bzw. Arbeitslosengeld II. ... Hervorhebung von mir

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