22. Februar 2010

Endlich eine Sensation! Jetzt aber los!

Wie die OZ versucht, im Interesse einer m.E. Sensationsberichterstattung die Forderungen des Pressekodex einzuhalten, hat sie heute mit Mitteilungen über ein Tötungsverbrechen belegt.

Auf der Titelseite (re.):
Ich frage mich jedes Mal, wenn ich solch ein geblendetes Gesicht sehe, warum das Porträt überhaupt gezeigt wird, wenn der Mann doch nicht zu erkennen sein soll?
Foto weglassen, und es gäbe nichts zu blenden.

Für alle, die es bis dahin nicht wussten, wurde eine Kartenskizze mit eingetragenem Ortsnamen dazugestellt. Es handelt sich um ein kleines Dorf.


Online (li.) wurde sogar das Privathaus gezeigt, damit auch der Letzte weiß, wo die Tat geschah. Ich habe nur einen winzigen Ausschnitt gewählt.








Nun zum Pressekodex, Ziffer acht:

Richtlinie 8.1 - Nennung von Namen/Abbildungen
(1) Bei der Berichterstattung über ... Straftaten, ... veröffentlicht die Presse in der Regel keine Informationen in Wort und Bild, die eine Identifizierung von Opfern und Tätern ermöglichen würden. ... Immer ist zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen abzuwägen. Sensationsbedürfnisse allein können ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht begründen.

Richtlinie 8.2 - Schutz des Aufenthaltsortes 
Der private Wohnsitz sowie andere Orte der privaten Niederlassung, ... genießen besonderen Schutz. 

Im OZ-Text steht:
Die Tragödie soll seinen Lauf genommen haben, als ... H. gestern früh „erheblich alkoholisiert von einer Party heimgekehrt“ sei.
Dann wird in jedem Fall die Schuldunfähigkeit geprüft werden müssen. Das wiederum bedeutet laut Pressekodex:

Liegen Anhaltspunkte für eine mögliche Schuldunfähigkeit eines Täters oder Tatverdächtigen vor, sollen Namensnennung und Abbildung unterbleiben. 

Aber er ist ja geblendet, der Nachname verkürzt. Kriegt niemals jemand heraus, wer das ist.

Im Text lesen Sie:
hat sich der mutmaßliche Mörder... selbst der Polizei gestellt ...
Nun, dann ist er nach Pressekodex ein Täter, laut Gesetz ist er das erst, wenn das Urteil gesprochen wurde. Dass die OZ mutmaßt, er sei ein Mörder (könnte ja auch Totschlag sein, ist der OZ aber nicht sensationell genug), hindert sie nicht daran, zu schreiben:
Die Leiche des Mordopfers soll heute im Rechtsmedizinischen Institut der Universität Rostock obduziert werden.
Also war es laut OZ doch Mord und kein mutmaßlicher. Ja, was denn nun?
Hätte nicht das Wort Opfer gereicht? Nein, wäre nicht sensationell genug gewesen.

Gesetzt den Fall, Sie ließen sich von der Sensationsgier der OZ-Redakteure anstecken und wollten nachforschen, wer der Mann ist; wie schwer leicht würde es Ihnen fallen, das anhand der Angaben aus der OZ zu bewerkstelligen, ohne Sherlock Holmes einzuschalten?
Ist Ihnen immer noch zu schwer, das herauszubekommen? Die OZ hilft mit dem Vornamen des Opfers und hiermit:
H. ist in seinem Heimatort und der Region zwischen Rostock und Sanitz als Inhaber der (XXX)-Firma (XXX)-Massivhäuser bekannt. Er hatte sich 1993 selbstständig gemacht. Mit seinem Unternehmen soll er Insolvenz angemeldet haben.

4 Kommentare:

  1. Anonym23.2.10

    ... als Sponsor eines jugendlichen Fussballvereins in Erscheinung getreten.

    "In Erscheinung" getreten:

    als ob das nichts sei.

    Niemand kann wissen, was diesem Mann in seinem Zustand durch den Kopf ging. Vielleicht er selbst nicht mehr.

    Er musste in Insolvenz gehen.

    Wen interssiert es denn, was diesem Mann erwartet.

    Jedem Selbstständigen kann man nur raten, sein Geld in Guten Zeiten zu sparen, denn droht die Insolvenz, wird er blitzschnell zum Sozialfall und dann interessiert es auch niemanden mehr, dass der Unternehmer mal Menschen in Lohn und Brot hatte und für Steuern sorgte.

    Diese Gesellschaft macht die Menschen krank.

    Dieser Mann ist wirklich zu bedauern. Diese Schuld wird er sein Leben lang nicht mehr los.
    Die Schuld an den Tod der Ehefrau und die Schuld den Kindern die Mutter genommen zu haben.

    Eine Tragödie.

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  2. Eine Tragödie? Ja.
    Den Mann bedauern? Warum?

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  3. Anonym23.2.10

    Der Mann war betrunken. Ob er in dem Moment überhaupt wusste, was er tat?
    Ich will ihn nicht in Schutz nehmen, aber ich will auch nicht urteilen. Das steht mir nicht zu.

    Trotzdem machen mich solche Schicksale, auch wenn sie mich überhaupt nichts angehen, neugierig auf die Person.

    Wer weiss denn schon, was für Probleme und Sorgen der Mann mit sich rumschleppte? Wer kennt denn seine Geschichte?

    Das macht doch niemand einfach so.

    Ich will mich hier nicht weiter dazu äußern, aber ich glaube, der Mann ist einfach durchgedreht, ob er es nun wusste oder nicht.

    Vielleicht hätte er sich lieber selbst die Kugel geben sollen.

    Was und wie lange kann ein Mensch aushalten, bis er unter irgend welchen Umständen nicht mehr Herr über sein Handeln ist?

    Und jeder Mensch ist anders.

    Warum bedauern:
    Weil er das Leben vieler Menschen (die Angehörigen) und sein Eigenes zerstört hat.

    Aber vielleicht täuscht mich mein Gefühl und er ist einfach nur ein Schwein.

    Nein, er hat sich doch der Polizei gestellt.

    Nun, damit genug.

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  4. "Wer weiss denn schon, was für Probleme und Sorgen der Mann mit sich rumschleppte? Wer kennt denn seine Geschichte?"

    Aus der OZ werden Sie es nicht erfahren. Da können Sie lesen so viel Sie wollen.

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