Die späte Einsicht des VerteidigungsministersWas für die OZ (die schon vor fast einer Woche die Wahrheit zu Tage gefördert sah, also halluzinierte) nicht von Interesse war und deshalb - oder warum auch immer - nicht herausgestellt wurde, ist der Umstand, dass der Kriegsminister indirekt mitgeteilt hat, dass er es auch zukünftig nicht so schlimm findet, Zivilisten umbringen zu lassen. Ich möchte kein Afghane sein! Überhaupt nicht beschrieben, geschweige denn kritisch, wurde der Afghanistan-Krieg als solcher.
Damit hat Herr Zu mit Hilfe der OZ und vieler anderer 08/15-Medien erreicht, was er wollte: vom Kern der Angelegenheit ablenken und sich als den großen Aufklärer darstellen. Das ist beispielhafte Regierungsergebenheit der OZ oder im OZ-Jargon: hochwertige Information.
Natürlich haben einige Journalisten das hinterhältige Spiel durchschaut bzw. durchschauen wollen
(Für jemanden, für den die Wahrheit schon tagelang im Lichte ist, gibt es natürlich nichts zu durchschauen.):
... Der Westfälische Anzeiger schränkte allerdings ein, dass der Minister auch eine ganz gehörige Portion Glück gehabt habe. Guttenberg sei erst kurz im Amt, seinem Amtsvorgänger Franz-Josef Jung, "der auch schon nicht genau genug hinsah", hätte man diesen Erklärung nicht durchgehen lassen. "Die gestrige Neubewertung des umstrittenen Luftangriffs auf zwei Tanklastzüge in Afghanistan ist nämlich in Wahrheit das Eingeständnis eines schweren Fehlers", schreibt die Zeitung aus Hamm.
Geradezu vernichtend fällt das Urteil des Bonner General-Anzeigers aus. Das entschuldigende Wort des Verteidigungsministers komme reichlich spät und sei "das umfassende Eingeständnis von menschlichem Versagen, oberflächlicher Lageeinschätzung, falschen Konsequenzen auf der militärischen Seite". Das allein sei schon schlimm genug. Doch "mindestens genauso bedrückend ist die politische Dimension des Skandals: Bundestag und die Bevölkerung sind systematisch über die Realitäten des Raketenbeschuss getäuscht, ja teilweise belogen worden". ...
Was wusste Guttenberg wirklich? Hat er die Berichte vor seiner ersten Bewertung auch gründlich gelesen? Oder hat Guttenberg "zum Schutz mancher Soldaten manches überlesen, quasi als Einstiegsgeschenk des neuen Ministers an die Truppe"? Dies fragt sich die Süddeutsche Zeitung, die ihre Skepsis ob der Glaubwürdigkeit des Ministers mit der Berliner Zeitung teilt. "Für Lob ist kein Anlass", schreibt diese. Ganz im Gegenteil: Guttenberg habe sich letzten Endes nicht anders als sein Amtsvorgänger Franz Josef Jung verhalten, in dem er es in Kauf genommen habe, "dass die Wahrheit vertuscht wurde". ...
Auch die tageszeitung (taz) stellt Guttenbergs Auftritt im Parlament in einen größeren Zusammenhang. Endlich müsse über "Grundsätzliches" geredet werden, nämlich über den Kriegeinsatz der Bundeswehr am Hindukusch. "Hat der Luftschlag dem Kriegsziel gedient, der Stabilisierung von Afghanistan?", fragt die Kommentatorin. Darüber müsse dringend diskutiert werden - und eben nicht nur "über jeweilig aktuelle Fragen". ...
Wer viel Zeit übrig hat, kann hier massenhaft Hintergrund zum Afghanistan-Krieg finden:
Von
Dieter Deiseroth, 59, ist Richter am Bundesverwaltungsgericht. Er ist Experte für Verfassungs-, Verwaltungs- und Völkerrecht.
... Der Einsatz der Bundeswehr "zur Verteidigung" ist mithin in diesen Grenzen ausschließlich als Abwehr gegen einen "bewaffneten Angriff" erlaubt, jedoch nicht etwa zur Verfolgung, Durchsetzung und Sicherung ökonomischer, politischer oder geostrategischer Interessen.Die Ziele, zum Beispiel Behinderungen beim Zugang zu Bodenschätzen, zu Ölpipelines oder zu Absatzmärkten zu beseitigen oder gar politische und wirtschaftliche Einflusszonen zu schaffen und zu sichern, berechtigen ebenso wenig zu militärischer Gewaltanwendung in Gestalt individueller oder kollektiver Selbstverteidigung wie die Wahrnehmung der wichtigen Aufgabe der Bekämpfung von individueller, organisierter oder terroristischer Kriminalität.
Auch wenn es sehr mühsam und schwierig ist, terroristische, also kriminelle Täter zu ermitteln, vor Gericht zu stellen und den Nachweis ihrer individuellen Schuld zu führen, rechtfertigt dies nicht, diese Schwierigkeiten dadurch zu umgehen, dass man stattdessen auf unilaterale militärische Schläge, auf die "gezielte Tötung" ("targeted killing") von Tatverdächtigungen oder gar auf militärische Vergeltungs- und Bestrafungsaktionen gegen Länder setzt, in denen sich Tatverdächtige aufhalten oder aus denen sie stammen. ...
Und noch dies:
Linken-Politiker und Richter Wolfgang Neskovic über die rechtlichen Folgen des Luftschlags von Kundus: Nach dem Völkerrecht könnte der verantwortliche Offizier für ein Kriegsverbrechen angeklagt werden. ...
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