Das stille Leiden des Robert Enke
... Schwere Depressionen haben ihren Mann am Dienstagabend dazu getrieben, sich vor einen Regionalzug zu werfen. Seither suchen Millionen Menschen nach Worten, in die sie ihre Fassungslosigkeit, ihre Trauer und ihre Ratlosigkeit kleiden können, wohl wissend, dass es diese Worte vielleicht nicht gibt. ...Aha, es gibt keine Worte. Dennoch wird eine Blickpunktseite gefüllt und ein Aufmacherfoto (die Witwe) auf die Titelseite gebracht.
Von Medieninteresse ist die Schreibe. Selbst da fehlte es den Autoren am rechten Wort, denn richtig müsste es heißen: Sensationsgeilheit.
Die OZ, wie viele andere Medien, bedienen vor allem die Sensationsgier ihrer Kundschaft, denn wo die Worte fehlen, ist es unverantwortlich, über einen Mann zu schreiben, den niemand kannte. Unverantwortlich, weil Mutmaßungen als vermeintliche Nachrichten an die Kundschaft verkauft werden. Das bildliche Deckmäntelchen, nun werde es eine Debatte um den Profisport und um die verschwiegene Krankheit Depression geben, ist nur vorgeschoben:
Tabus im Mikrokosmos Fußball: Umdenken gefordertDas Geschwätz darüber - vornehm als Debatte bezeichnet - wird es nicht geben. Es wird spätestens in 14 Tagen alles so weitergehen wie bisher, wahrscheinlich aber schlimmer werden.
Ich verweise auf einige Blogeinträge zum Thema:
Als am gestrigen Abend die Meldung vom Freitod des deutschen Fußball-Nationaltorwarts Robert Enke über die Ticker ging, ließ sich bereits ahnen, welche Vorstellung ab heute im Medienzirkus gegeben wird. Der bedauerliche Freitod eines jungen Mannes, der offensichtlich dem horrendem Druck des Profisports nicht mehr gewachsen war, verkauft sich natürlich gut. Wer in den Medien nun auf einen Funken Selbstkritik wartet, der wartet freilich vergebens. Auch die Verantwortlichen aus dem Umfeld des Fußballs trauern auffällig laut - auch hier, keine Spur von Selbstkritik. Stattdessen wird der Voyeurismus des Pöbels schamlos bedient. ...
Nummer Eins lebt
Eines der unwürdigsten Manöver der Massenmedien wird immer dann exerziert, wenn betretenes Schweigen in Worte zu fassen ist. Und der Fall eines Nationaltorhüters, der sich das Leben nimmt, bietet ganz offensichtlich die Gelegenheit, den Satz "Mir fehlen die Worte" hundertfach in jede Ausgabe jeder Tageszeitung zu drucken. ...
Was mich überzeugt, dass sich höchstens etwas zum Schlechteren ändern wird? Sie lesen es hier:
Trainer Baade: "Ich habe noch nicht darüber nachgedacht, ob ich der Punk bin"
Die Einschüchterungsmaßnahmen gegen Sportblogger sollen den Status Quo einer Medienlandschaft erhalten, in der das Machtkartell von Verbänden, Clubs und Medien entscheidet, was dem Publikum serviert wird. Aus Angst vor Anwaltspost sind deutsche Sportblogger ziemlich zahm. ...
Rekordstrafe - Philipp Lahm und seine offenen Worte
So ist das in Deutschland. Krank darf niemand sein, schon gar nicht
AntwortenLöschenProfis. Die Angst ist viel zu gross, ausgelacht und verpönt zu werden.
Die Schundmedien tragen den grössten Teil dazu bei.
Simak war in Deutschland schnell als Simulant verschrien und wurde als Weichei verlacht.
Wie war das bei Deisler?
Durch die Indiskretion einer Bank druckt die Bild-Zeitung auf ihrer ersten Seite ein Scheckeinreichungsformular mit Deislers Namen ab, darunter die Zahl 20.000.000. Zwanzig Millionen Mark vorab hat Deisler für seine Zusage an den FC Bayern erhalten. Bild fragt: Millionen-Deisler-werden ihm heute die Beine schwer?
Es gabe so viele Schweinereien, die während dieser Zeit geschrieben wurden. Der damalige bayerische Ministerpräsident E. Stoiber, auch Verwaltungsbeirat beim FC Bayern, bezeichnete Deisler damals, als "eines der grössten Verlustgeschäfte" des Vereins. 7 Mal war Deisler verletzt, 7 Mal ist er wieder aufgestanden, das hat wohl keiner gesehen.
Naja, ich verstehe zu wenig vom Fussball und sehe auch nur wenig, aber mir als seltener Zuschauer ist sogar aufgefallen, dass Rostock durch Schiedsrichterfehlentscheidungen aus der 1. Riege rausgepfiffen wurde.
Spieler oder Vereine, die sich kritisch über solche Entscheidungen äußern, müssen hohe Strafen bezahlen.
Seltsam, aber das nur nebenbei.
Ich wette, hätte die Öffentlichkeit etwas über die Krankheit von Enke erfahren, stünden ganz andere Schlagzeilen in der Zeitung.
Und überhaupt sterben jährlich mehr Europäer durch Selbsttötung als bei Autounfällen oder durch Mord. In absoluten Zahlen liegt hier Deutschland ganz vorne, jährlich ca. 12000 Menschen bei einer hohen Dunkelziffer, 1,5% aller Todesfälle, mehr als das Doppelte aller Verkehrstoten.
Die Deutschen sind sehr viel unzufriedener, haben mehr Ängste und sorgen sich am meissten um die Zukunft ihrer Kinder. Laut einer Umfrage glauben nur 3% der Deutschen, dass es ihren Kindern einmal besser gehen werde, als ihnen selbst. Das ist mit Abstand die niedrigste Quote unter allen EU-Staaten.
Armes krankes Deutschland.