1. September 2009

Und es ist Wahljahr

Leser der Greifswalder Zeitung beschwerten sich über unausgewogene Berichterstattung:
Zur Betrachtung „20 Jahre nach der Wende“ (OZ 29./30. August) schreibt Erhard Kiehnbaum aus Greifswald): Ich kann mir vorstellen, dass Sie sich über lobende Zuschriften zu der Fotoserie „Damals und heute“ freuen. Um so mehr fühle ich mich bestärkt, Ihnen zu schreiben, dass ich mich jeden Tag über diese Schönfärberei ärgere. ...
Aber ich habe dabei nie vergessen, welch einen Preis wir dafür zu zahlen hatten und haben. Angesichts der Massenarbeitslosigkeit, der schamlosen Ausnutzung Jugendlicher als „Praktikanten“, des Bildungsnotstands, der Demütigung von Millionen Menschen (den sogenannten „Hartz-IV“-Empfängern und Ein-Euro-Jobbern), der Obdachlosigkeit, kann ich mich über diesen neuen Glanz nur mäßig freuen. ...
Zum selben Thema schreibt Dr. Walter Schelske, Ernst-Thälmann-Ring 37 B: Damit sich die „Erschütterung“ der OZ-Redakteure (aus Lübeck?) über ihr eigenes „Meisterwerk“ „20 Jahre nach der Wende“ in Grenzen hält, muss ich dazu einige Bemerkungen machen. Es wird kaum jemanden geben, der den zunehmenden Verfall der Altstadt vor der Wende leugnet. Nur was hat der Großteil der Bevölkerung davon, der sich die luxuriös sanierten Wohnungen nicht leisten kann und schön bescheiden in zu DDR-Zeiten errichteten großen Plattenbau-Siedlungen lebt? Warum bringen Sie kein Bild von der in den siebziger Jahren völlig neu gestalteten nördlichen Altstadt mit der heute noch attraktiven Häuserfront an der Ryck-Seite im Vergleich mit den früher hier existierenden abbruchreifen Katen? Warum bringen Sie keine Fotos von den heute verkommenen Arealen ehemals wichtiger Wirtschaftsbetriebe, die nach 1990 abgerissen wurden: Brauerei, Molkerei, Kleiderwerke, Möbelwerk, KAW? Oder bringen Sie ein Bild vom verwüsteten Areal, auf dem das Plattenwerk stand, ebenfalls Arbeitsstätte hunderter Greifswalder. Das in den siebziger Jahren neu gebaute, moderne Diagnostikzentrum ist heute eine Ruine. Vielleicht finden Sie im Archiv noch ein Foto vom einlaufenden Zug aus Lubmin und dem Bahnsteig voller Menschen. Heute ist der Bahnhof außer von Studenten und Auszubildenden kaum noch bevölkert; Bahnhofsgebäude und Bahnhofsvorplatz — schäbig. ...
Was Sie in Ihrer Foto-Serie zeigen, ist weder objektiv noch seriös, sondern billige Agit-Prop., die fatal an frühere Erfolgsmeldungen der SED erinnert.
Themen über Themen! Doch was antwortete die Redaktion? Sie verteidigte sich und sonst gar nichts:
Die Serie soll aufzeigen, was sich in Greifswalds Straßen baulich verändert hat. Dass es auch negative Beispiele gibt, die mit dem Niedergang von Betrieben verbunden sind, darüber hat die OZ immer kritisch berichtet und wird es auch künftig tun. Man stelle sich aber bloß auch einmal die Frage, was wäre aus Greifswalds Häusern (auch Neubauten in Schönwalde) geworden, wäre die Wende nicht gekommen?
Die Frage ist überflüssig und des Vorstellens nicht wert, ebenso die Frage, was die Redakteure von vor 20 Jahren heute in der Lokalredaktion täten.

Und es ist Wahljahr und die OZ zeigt sehr schön, was sie meiner Meinung nach ist: CDU-Blatt.

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