Tag der Wahrheit für Wadan
Gestern, kurz nach sechs Uhr früh (damit ihr wisst, dass wir früh aufstehen mussten) vor der Wadan-Werft in Wismar: Am Werkstor hängen Transparente, in Eisenschalen lodern Feuer, aus Lautsprechern tönt Musik. Werftarbeiter sitzen auf Bänken und packen ihre Stullen aus, obwohl die Frühstückspause noch lange nicht begonnen hat. Sicherheitsleute verfolgen mit entspannter Miene das Geschehen. "Die Werft ist besetzt", steht auf einem Schild am Tor. Man wolle ein Zeichen setzen, sagt die Betriebsratsvorsitzende Ines Scheel. "Wir wollen der Öffentlichkeit zeigen, dass wir weiter um den Erhalt des Standortes und der Arbeitsplätze kämpfen." ...Hier habe ich das Lesen des Textes beendet, um nicht einzuschlafen.
Welchen Sinn hat es, eine Werft zu besetzen, auf der es bald nichts mehr zu tun gibt? Ein Zeichen setzen? Für wen, wozu?
Wäre es nicht einen Kommentar wert zu zeigen, wie die Vereinzelung - jeder kämpft für sich allein - verhindert, dass vor allem im Interesse der Werftarbeiter gehandelt wird? Gäbe es Solidarität unter den Arbeitenden/Arbeitslosen, die in fast 20 Jahren Gesamtdeutschland aberzogen wurde, würde mit Generalstreiks etwas zu erreichen sein. Streiks auf den betroffenen Werften sind natürlich albern, da es bald nichts mehr zu tun gibt. Und was mit Großdemonstrationen zu erreichen ist, wissen zumindest jene, die vor 20 Jahren dabei waren.
Wer wie die OZ nicht mehr weiß als die Werftarbeiter, spendet per Kommentar wenigstens verständnisvoll Trost:
Das Bangen der Wadan-Arbeiter
Die Hoffnung stirbt zuletzt
... Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Dass die Werftarbeiter ihr Unternehmen besetzten, beweist: Sie werden so schnell nicht aufgeben. Weil sie wissen, was ihre Arbeit wert ist. Weil sie ihre Jobs wollen, weil sie ihre Jobs brauchen. Immerhin sind ihre Werften jetzt auf der Agenda der politischen Spitzen in Moskau und Berlin. Auch das ist ein Verdienst der hartnäckigen Schiffbauer. Vielleicht geht ja doch noch was . . . ...
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