Billiglöhne: Arbeiten für 56 Cent
Perverse Realität
... Immer mehr Menschen in MV arbeiten für einen wahnwitzig anmutenden Stundenlohn von drei, vier oder weniger Euro. (u.a. auch, weil Medien wie die OZ das Thema monatelang vernachlässigten)... Aber bisher ist die Arge in Stralsund offenbar die einzige, die zumindest gegen die ärgsten Auswüchse vor Gericht zieht. Es dürfte ein frommer Wunsch bleiben, dass viele andere Hartz-IV-Ämter dem Beispiel folgen. Den ohnehin überlasteten Behörden fehlen dafür meist die Möglichkeiten. ...Soso, ein frommer Wunsch. Wie einst mehrfach in der OZ zu lesen war, haben Argen Gruppen gebildet, die unter Alg 2-Beziehern Alg 2-Betrüger aufstöbern sollen, auch unangemeldet morgens um acht Uhr, was gesetzwidrig ist, der OZ aber egal war, der Arge natürlich auch. (Was ist daraus geworden? Wie viele Betrüger wurden dingfest gemacht?)
Dafür waren also Mitarbeiter und Geld vorhanden.
Es ist ein fataler OZ-Trugschluss, mit Frömmigkeit quasi zu verteidigen, dass die Argen es nicht schaffen, solchen Betrug aufzudecken, wie es in Stralsund gelang und der wahrscheinlich massenhaft vorkommt. Es ist die Pflicht der Argen, dass sie nach allen Seiten dafür sorgen, Alg 2-Missbrauch zu verhindern. Das hat mit einem frommen Wunsch nichts zu tun, außer in der OZ und einigen Argen (Wie denkt der Arge-Chef in Greifswald darüber? Die OZ-Leser haben keine Ahnung).
Es ist ebenso fatal, in der OZ Hoteleröffnungen, Verleihungen von Sternen und anderen Titeln zu feiern und nichts über die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten zu berichten. Beispiel von heute gefällig? Bitte:
Heringsdorfer "Strandidyll" holt Award
Das Hotel aus dem Kaiserbad ist vom Reiseunternehmen "HolidayCheck" zu den bundesweit besten Häusern im Bereich "Aktiver Lebensstil" gekürt worden. ...Warum ist das so interessant, dass es mit 404 Wörtern gefeiert werden musste, ohne ein Wort über die Arbeitsbedingungen und Einkünfte des Personals zu verlieren?
Wie viele OZ-Leser mag interessieren, dass dieser Preis, den jährlich 99 Hotel erhalten, diesem Hotel verliehen wurde?
Wie viele OZ-Leser von der Insel Usedom und aus Wolgast werden in diesem Jahr im Strandidyll logieren, dass sie 404 Wörter lang wissen müssen, welchen Preis das Hotel erhielt?
Was unterscheidet solche Berichte von PR-Berichten?
Auch fatal: In der kommenden Saison werden wieder Tausende Alg 2-Empfänger von Argen in diese schlecht bezahlten Tätigkeiten gezwungen, weil es die Hartzgesetze vorsehen, dass sich die Vermittelten dagegen nicht wehren können?
Wer hat dazu ausführlich geschrieben, statt die geringere Zahl von Arbeitslosen zu feiern?
Deshalb ist die Aufregung wegen der perversen Realität für mich scheinheilig. Ich frage Sie, ob ein Medium, das von sich behauptete, hier zu Hause zu sein, nicht regelmäßig darüber schreiben müsste, was MV ist, das Armenhaus Deutschlands. Wer sich nur ernsthaft umhörte, fände Material genug, um die Wirklichkeit darzustellen, die eben nur beiläufig aus Preisverleihungen und anderen Ehrungen besteht.
Ein Letztes: Was mögen die Drei-Euro-Arbeitssklaven über jene Redakteure denken, deren Hauptaufgabe im Sortieren und Kopieren besteht und die dafür 4500 Euro brutto monatlich erhalten?
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