27. Februar 2009

Lokalchef kuschelt mit Dong und tischt Lesern Lügen auf

Das Auftischen ist natürlich bildlich gemeint.

Mittlerweile es kurios, leider auch bedrückend und sehr bitter, wie die Greifswalder Zeitung das Thema Steinkohlekraftwerk behandelt. Heute veröffentlichte sie ein Interview, das der Lokalchef mit dem Geschäftsführer der Dong Energy Kraftwerke Greifswald GmbH & Co KG führte:
Dong rechnet weiter mit einer Genehmigung
Das geplante Steinkohlekraftwerk Lubmin spaltet die Meinung der Bevölkerung. Nahrung gab dem jetzt auch Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) mit seiner Absage an die Investition. ...
In dem Interview durfte Geschäftsführer Gedbjerg mehrfach lügen. Bereitwillig wurden die Spinnereien vom Lokalchef an die Leser weitergegeben, wie Torsten Jelinski von der Rügener Bürgerinitiative gegen das Kraftwerk in einem Leserbrief an die OZ nachwies:
OZ: Die Vorbehalte dagegen scheinen immer größer zu werden. Nun hat sich auch der Ministerpräsident dagegen ausgesprochen. Sind Sie weiter optimistisch?

Gedbjerg: Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass unser Vorhaben genehmigungsfähig ist. Was die Aussage des Ministerpräsidenten anlangt, habe ich sie nicht selber gehört. ...
Jelinski: Herr Gedbjerg lügt, wenn er sagt, er hätte nicht selbst gehört, dass der Ministerpräsident gegen den Bau des geplanten Kraftwerkes ist. Er saß am 17.02.09 in der zweiten Reihe der Propagandaveranstaltung der IHK für DONG in Neubrandenburg, als der Ministerpräsident dies äußerte. (Allerdings sagte der Minipräsident nicht wörtlich, er sei gegen das Kraftwerk, sondern benannte seine Vorbehalte gegen das Vorhaben.)
OZ: Dong ist in der Erörterung aufgefordert worden, Unterlagen an die Genehmigungsbehörde nachzureichen. Ist das erledigt?

Gedbjerg. Nein. Ich denke, dass wir dies in den nächsten zwei Monaten abschließen können.
...
Jelinski: Herr Gedbjerg lügt, wenn er behauptet, die StAUN-Auflagen könnten in zwei Monaten erfüllt werden. Neben vielen anderen Aufgaben ist der Herbstvogelzug zu dokumentieren. Die Pinocchio-Nase wird immer länger.

OZ: Die Vorbehalte dagegen scheinen immer größer zu werden. Nun hat sich auch der Ministerpräsident dagegen ausgesprochen. Sind Sie weiter optimistisch?

Gedbjerg: ... Ich kann nur wiederholen, was uns 2006 sowohl Ministerpräsident als auch Wirtschaftsminister gesagt haben: Damals meinten sie, dass unser Projekt Mecklenburg-Vorpommern viel bedeutet. Wir hätten es nicht begonnen, wenn diese Signale nicht gekommen wären. Außerdem ist im Punkt 37 des Koalitionsvertrages der Landesregierung festgeschrieben, dass diese die Ansiedlung von Gas- und Kohlekraftwerken in Lubmin befürwortet.
Jelinski: Peter Gedbjerg lügt, wenn er sagt, unter Punkt 37 der Koalitionsvereinbarung sei festgeschrieben, dass die Landesregierung den Bau befürwortet. Dort ist ausschließlich der Ausbau von erneuerbaren Energien vereinbart. Aber trägt der Punkt 38 die Handschrift von DONG? (Herr Jelinski, ist ja anerkennenswert, dass Sie sich mit der Frage an die OZ wenden. Aber glauben Sie im Ernst, dass jemand von der OZ nachlesen, nachfragen und das Gelesene und Erfahrene verbreiten wird? Schreiben Sie mir und den Bloglesern doch bitte, was unter Punkt 38 steht.)
Gedbjerg: ... Wir haben in der Region immerhin 80 000 DVD verteilt, auf denen wir unser Vorhaben vorgestellt haben. OZ: Wie sind diese angekommen? Haben Sie ein Feedback (Gemeint sind wohl Rückmeldungen)?

Gedbjerg: Viele Leute haben uns mitgeteilt, dass sie die Idee gut fanden. Sie hätten dadurch viele Informationen zum Kraftwerk bekommen. Wir stellen nämlich immer wieder fest, dass es schwierig ist, mit den Menschen über etwas zu diskutieren, das sie nicht kennen. Manch einer hat gar das alte Kraftwerk Peenemünde vor Augen. Da verstehe ich dann auch, warum immer wieder von einer Dreckschleuder geredet wird. ...
Jelinski: Wenn Herr Gedbjerg meint, manch einer hätte das Kraftwerk Peenemünde als Dreckschleuder vor Augen, versucht er vom Kern der Sache abzulenken.
(Herr Jelinski, Gedbjerg hat es nicht nur versucht, sondern es ist ihm gelungen, bei dem Interviewer keine Kunst.)
Erstens hat der Peenemünder Schornstein keine sichtbaren Rauchwolken ausgestoßen und zweitens soll das DONG-Kraftwerk mehr als 50 Mal größer werden. In Peenemünde wurde hochwertige schlesische Steinkohle verarbeitet, Dong will billigste Importkohle mit hohem Schwermetallanteil verbrennen. Auf den Werbe-DVD´s wird sogar zugegeben, dass Müll verbrannt werden kann. Das hat Herr Gedbjerg mir auch schon früher persönlich bestätigt.

Wenn wirklich alle 80.000 DVDs angesehen worden wären, hätte es in OVP schon einen Volksaufstand gegeben. Ich empfehle allen, die dieses Werbemittel noch nicht umweltfreundlich entsorgt haben, Titel 2, Kapitel 6 genau anzusehen.


Ist es nicht gruselig, dass OZ-Leser, die ja die Zeitung bezahlen, in Sachen Dong nun schon mehrfach die Recherche erledigen mussten, die den gut bezahlten Redakteuren zusteht?
Ist es nicht schlimm, wenn ein mit Lügen gespicktes Interview veröffentlicht wird, obwohl dem Lokalchef, der für eine Zeitung arbeitet, die hier zu Hause sein will, all das Wissen angeboten wurde, das vor und während der Anhörung in Greifswald präsentiert wurde? Ich erinnere daran, wie er dieses Wissen ablehnte:

Herzlichen Dank für Ihre kritischen Anmerkungen zur Berichterstattung der Lokalredaktion Greifswald und Ihr Angebot, uns 200 Tage lang Interessantes zum Thema Kraftwerksanhörung zu schreiben. Ich möchte aber auf Letzteres verzichten, weil ich denke, dass über dieses Thema in den vergangenen Tagen in der OZ ausführlich berichtet worden ist.

Soviel ich weiß, hörte der Lokalchef keine Minute der Anhörung zu, sondern ließ einen Artikel schreiben, in dem berichtet wurde, wer wo saß. Wie daraus Wissen zu schöpfen wäre oder welchen anderen Nutzen Leser davon haben, wird nicht einmal jemand in der OZ erklären können. Die Greifswalder Zeitung ließ sich das Thema des Jahres entgehen, statt sich mit Wissen auszurüsten, um die Spinnereien Gedbjergs entlarven zu können.
Fragt sich, ob die Greifswalder Zeitung das wollte, Wissen erwerben und es anwenden, wenn ich mich der Propagandaartikel erinnere, die zum Thema erschienen.

Selbst wenn Jelinskis Leserbrief morgen erscheint,
das Interview hat bereits heute auf unbedarfte Leser gewirkt. Das ist das Tragische. Der Leserbrief wird als Lesermeinung in der Zeitung stehen und nicht annähernd die Wirkung haben, wie sie ein redaktioneller Beitrag hätte. Das weiß der Lokalchef ganz genau.
Vor allem weiß er, dass er mit dem Abdruck des Leserbriefes jegliche Möglichkeit der öffentlichen Beschwerde beschneidet. Außerdem hat er für die nächste Ausgabe schon wieder ein Loch gefüllt, ohne eine Zeile schreiben zu müssen - eine für ihn komfortable Angelegenheit.

Einige Anmerkungen noch von mir:
In der OZ stand zu Beginn des Interviews:
OZ: Im Juni läuft der Sponsorvertrag Dongs mit dem Greifswalder SV 04 aus. Wird er verlängert?

Peter Gedbjerg: Da es sich hier um einen Vertrag handelt, werden Sie verstehen, dass ich mich nicht dazu äußern möchte. Uns bedeutet die Unterstützung des GSV 04 sehr viel. Der Verein entstammt dem alten Kernkraftwerk, da ist eine gewisse Kontinuität gegeben. Deshalb streben wir eine längere Zusammenarbeit an. Sie hängt aber natürlich davon ab, ob wir unser Vorhaben, den Bau des Kraftwerkes, verwirklichen können.
Haben Sie die versteckte Drohung gelesen? Kein Kraftwerk, keine Spenden für den Sportverein. Traurig für den Verein, traurig für die Anhänger. Schlussfolgerung: Also her mit dem Kraftwerk.

OZ: Wie viel Geld hat Dong bereits ins Vorhaben gesteckt?

Gedbjerg: Direkt in Mecklenburg-Vorpommern sechs bis sieben Millionen Euro. Die Gesamtkosten sind aber deutlich höher.

OZ: Wofür wurde das Geld ausgegeben?

Gedbjerg: Für viele Gutachten sowie die Auftragserteilung für Kessel und Turbinen. Hier haben wir allerdings die Option, den Auftrag zurückzunehmen, sollte das Kraftwerk nicht genehmigt werden. Aber auch das kostet Geld.
Mir kommen beinahe die Tränen. Da hat der Investor schon so viel investiert und müsste noch mehr investieren, wenn er nicht bauen darf. Wir wollen doch nicht vergessen, dass mit Dong ein großer dänischer Staatskonzern sein Projekt durchdrücken will undzwar um fast jeden Preis, weil er es anderswo nicht dürfte.

Im Gegenzug ist doch wohl daran zu denken, dass es die Gegner des Projektes waren, die auf die unfassbar vielen Fehler und Unterlassungen in den Gutachten hinwiesen, in Gutachten, die für den Bau des Kraftwerkes sprachen. Es müsste doch berechtigt sein, die Gegner zu würdigen, die hier zu Hause sind, die Zeit verwendeten und Geld aufbrachten, damit tatsächlich nach den Gesetzen verfahren wird, damit die Umwelt in einer Tourismusregion (in der übrigens immer noch ziemlich viele Menschen wohnen, die nicht nach ihrem Urlaub aus der Region verschwinden, in der sich Menschen ansiedeln, weil sie Wert auf eine einigermaßen gesunde Umwelt legen) nicht geschunden wird. Sie sind die Helden Vorpommerns der Jahre 2007/08, die erfolgreich versuchten, eine verbohrte Regierung und ihre Landesbehörden aufzuwecken (die die Gegner auch noch mit ihren Steuern durchfüttern), ihnen klarzumachen, was sich Vorpommern mit der Dreckschleuder tatsächlich aufhalst. Sie sind diejenigen, denen wesentlich mehr Platz in der Regionalzeitung gegönnt werden müsste, statt Spinnereien des Investors und die Lüge des abgehalfterten Urknallers zu verbreiten.

Ich kann nur jedem zahlenden Leser empfehlen, sich schriftlich in der Chefredaktion zu beschweren, wenn er mit der Leistung des Autors unzufrieden ist und das zu begründen. Die OZ müsste angesichts des sich andauernd verringernden Zahl von Abonnenten an jedem zahlenden Leser interessiert sein. Manchmal zweifle ich sogar daran.

Nur so nebenbei:
Mitunter ist von der Presse als der vierten Gewalt im Staat die Rede und Schreibe. Den Begriff in seiner ursprünglichen Bedeutung auf die OZ anzuwenden, finde ich lächerlich. Im übertragenen Sinne ist allerdings etwas dran. Das allerdings ist gar nicht lächerlich.

6 Kommentare:

  1. Anonym27.2.09

    Hornfisch meint,
    Lupe du warst nicht in Neubrandenburg als der MP das Kohleprojekt als überflüssig bezeichnete ich aber war da und ich weiß Jelinski war auch da. Das kann man in der Anwesenheitsliste nachlesen.

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  2. Anonym27.2.09

    Gern komme ich deiner Bitte nach.
    Punkt 37. KV besagt,
    Die erneuerbaren Energien bilden einen politischen Schwerpunkt in der neuen Legislaturperiode. Die Koalitionspartner werden hierzu die Strategie "Energieland 2020"u.a. mit folgenden Themen untersetzen:
    Ausbauszenarien, Nutzung von Biomasse,
    Windkraft: Repowering im Onshor-Bereich und Ausbau von Offshor-Anlagen in ausgewiesenen Eignungräumen,
    Ausbau der Solarenergienutzung und- produktion,
    Nutzung der geothermischen Potenziale,
    Energieeffizienz und
    gezielte Ansiedlung und Unterstützung von Forschungs- und Produktionsunternehmen im Bereich erneuerbare Energien.
    Kein Wort von KOHLE...

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  3. Hat Sellering wirklich gesagt: "Ich bin gegen das Kraftwerk."?
    Oder hat er gesagt, dass zwei Gaskraftwerke und der Windpark ausreichend seien?

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  4. Zu Pkt. 37:
    Was sagt Amler dazu?

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  5. Anonym27.2.09

    Hallo Lupe,
    er hat gesagt für den Standort sind die Gaskraftwerke und die Windparks ausreichend.
    Der Punkt 38 KV lautet,
    Mit der Anbindung an das internationale Gasnetz kann Lubmin bei Greifswald in den kommenden Jahren zum herausragenden Energiestandort unseres Landes werden. Durch den Bau und den Betrieb neuer Gas- und Kohlekraftwerke und die Ansiedlung anderer energieerzeugender Betriebe können neue Arbeitsplätze im Landesteil Vorpommern entstehen. Die Koalitionspartner werden diese Entwicklung unterstützen.

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  6. Anonym27.2.09

    zu deiner Frage,
    er sagte op nun 37 oder 38 so wichtig ist das ja nicht...

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