Zukunft des Journalismus (15)
"Presse ist Vergangenheit"
Über die Schockstarre in Printredaktionen und Wege ins Online-Zeitalter spricht der amerikanische Journalismusexperte und Medienvisionär Jeff Jarvis.
sueddeutsche.de: Mr. Jarvis, die Medienbranche wartet seit einiger Zeit mit immer apokalyptischeren Szenarien über das Verschwinden der Zeitung auf. Wie erklären Sie sich diese extremen Befürchtungen?
Jarvis: Heutzutage gerieren sich zu viele Redakteure und Verleger als Opfer des Schicksals, die hilflos mit ansehen müssen, wie ihre Leser online gehen und entweder informative Alternativen finden oder ihre Nachrichten gleich selbst generieren. Sie verharren einfach nur ängstlich, bis die Budgetaxt auf sie niedersaust, obwohl sie eigentlich darüber nachdenken sollten, wie sie Redaktionen und Geschäftsmodelle neu erfinden können.
sueddeutsche.de: Gilt das auch für überregionale Titel?
Jarvis: Auf den nationalen Zeitungsmärkten sehen wir beispielhaft, wie Wettbewerb zu Innovationen führt. Doch in der Regionalzeitungsindustrie, die auf ihren Märkten durch den Segen des Monopols häufig fett und faul geworden ist, beobachten wir einen fast schon kriminellen Mangel an Innovation, weil Verleger versuchen, ihre existierenden Produkte zu schützen. Aber Bewahrung alter Modelle ist keine Strategie für die Zukunft.
sueddeutsche.de: Wie viele Jahre geben Sie der Zeitung noch?
Jarvis: Eines ist sicher: Zeitungsredakteure sollten sich einen festen Termin setzen, an dem sie ihre Druckerpressen anhalten werden müssen, und zwar weit früher als sie es eigentlich für möglich halten. Das ist die einzige Art und Weise, mit der Medienhäuser perspektivisch ihre Angebote planen und produzieren werden, und der einzige Weg, mit dem sie ihre Belegschaften, Nutzer und Werbekunden in Richtung Zukunft führen werden. Die Presse ist Vergangenheit; wer sich nicht auf eine Zukunft nach der Zeitung vorbereitet, handelt selbstmörderisch. ...
Hervorhebung von mir
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