13. September 2008

Was Gutachten wert sind

Wenn Zeitungen den Nachteil haben, einen Tag langsamer zu sein als elektronische Medien, könnten sie den Nachteil in einen Vorteil verwandeln, indem sie Hintergrund liefern, den Leser anderswo nicht erhalten.
Hier verschenkte ein Wirtschaftsweiser eine Gelegenheit oder wollte sie nicht nutzen oder erkannte sie nicht oder ihm ist der Zusammenhang fremd und schrieb deshalb so schön es nur ging:
Tunnel noch in roten Zahlen
Der Warnowtunnel ist das erste deutsche Verkehrsprojekt mit Mautpflicht. Nach fünf Jahren kommt der Betreiber nur langsam in Tritt. ...
Als Vorzeigebauwerk in einer Werbekampagne für privatfinanzierte Verkehrsprojekte (Public Private Partnership - PPP) eignet sich der Rostocker Warnowtunnel kaum.
Welches PPP-Projekt eignet sich denn? Welches wurde eine Erfolgsgeschichte?
Warum nennt der Autor keins?
Nach zwei Jahren schrammte 2005 die Betreibergesellschaft „an der Insolvenz vorbei“ ...
Auch heute schreibe das Tunnel-Unternehmen keine schwarzen Zahlen ...
Jetzt kommt, worauf ich hinaus will:
Einst waren 20 000 Fahrzeuge prognostiziert worden, die pro Tag durch die beiden Betonröhren unter der Warnow verkehren sollten. Die aktuelle durchschnittliche Anzahl liegt bei 10 500. Wäre die Zeitspanne zur Refinanzierung der 220 Millionen Euro teuren Investition nach der Beinahe-Pleite nicht von 30 auf 50 Jahre gestreckt und der Kreditrahmen durch das beteiligte Bankenkonsortium deutlich erhöht worden, wäre der erste Verkehrsbau auf Basis PPP als gescheitert in die Annalen eingegangen. ...
Was die Leser nicht erfahren: Wer hat in seinem Gutachten die Mondzahlen genannt? Wer hat sie dem Gutachter abgenommen, weil sie so gut passten? OZ-Leser müssen das nicht wissen, weil sie sich fragen könnten, was in anderen Fällen die Aussagen von Gutachten wert sind.

Demnächst werden sich im Genehmigungsverfahren für das Kohlekraftwerk Lubmin gewissenlose Landesparlamentarier und Pragrafenreiter aus Behörden auf die Aussagen von Gutachten berufen und keine anderen Ergebnisse zulassen, um das Projekt um jeden Preis zu verwirklichen. Einige dieser anderen Ergebnisse werde ich in den kommenden Tagen veröffentlichen.

Hier der Beleg für die Aussage, "Was kümmern uns schöngeschriebene Gutachten von gestern":
"Wir rechnen im Verkehrsaufkommen weiter mit einem jährlichen Zuwachs von ein bis zwei Prozent", gibt Herrmann die Marschroute vor. In "20 bis 25 Jahren" sollen 15 000 bis 16 000 Fahrzeuge täglich den Tunnel queren.
Stoppmal, Herr Schwandt! Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass die vorausgesagte Zahl der Kraftfahrzeuge nicht einmal in 25 Jahren erreicht wird, also wahrscheinlich nie? Ist das keine Nachfrage wert?

Wie völlig unkritisch und ohne jeden journalistischen Abstand Schönschreiber Schwandt ist, zeigt auch diese Passage:
Trotzdem spricht Geschäftsführer Herrmann von "einer Erfolgsstory Warnowtunnel". Und erhält dafür Flankenschutz: Die "Rostocker Pioniertat" habe sehr dazu beigetragen, den dritten Weg "Privatfinanzierung" in Deutschland in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken, ergänzte Sebastian Schröder, Staatssekreträr im Bau- und Verkehrsministerium von Mecklenburg-Vorpommern, gestern bei einem Branchentreff in der südlichen Tunnelröhre. In deutschen Landen werde Public Private Partnership immer noch "mit viel Skepsis begleitet". Dabei sei dies ein geeigneter Weg, die öffentlichen Kassen zu entlasten und der Baubranche erkleckliche Aufträge zukommen zu lassen, betonte Rolf Paarmann, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer zu Rostock. ...
Das ist übelste Propaganda! Herr Schwandt gab sich dafür her, sie unkritisch zu verbreiten.
Spätestens jetzt können Sie sich ausrechnen, wie die OZ über das Genehmigungsverfahren für das Kohlekraftwerk berichten wird.

Und darauf ein Margarinebrötchen?

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