27. September 2008

Nagelprobe nicht bestanden

Was ist denn nun los in der OZ?
Nachdem die OZ über Monate hinweg schlichteste Propaganda und sogar ein Lüge der Kraftwerksbefürworter vervielfältigte und als Nachrichten an die Leser verkaufte, nun ein zeitweiliger Sinneswandel?

Nachdem auch in der OZ klar geworden ist, wie groß der Widerstand gegen das geplante Kohlekraftwerk am Bodden ist, las ich diesen Kommentar, der, so sehr er (bildlich) den Gegnern aus dem Herzen spricht, bedenklich stimmt:
Nagelprobe
Seit Jahren werden in Deutschland regenerative Energien gefördert. Hersteller und Betreiber von Windkraft- und Solaranlagen freuen sich über Subventionen. Hausbesitzer werden belohnt, wenn sie ineffiziente Heizungen ersetzen, Wände dämmen. Fazit: All dies, der drohende Klima-Kollaps und explodierende Energiepreise sorgen dafür, dass immer mehr Deutsche zu Umweltschützern und Energiesparern werden.
Das ist zum Teil Unsinn.
Die meisten Leute, die sich für die Umwelt und damit für ihr eigenes Wohl und das anderer einsetzen, tun es nicht wegen Subventionen. Das ist abwegig, zeigt aber sehr schön die Gedankenwelt des Kommentators: Wenn ich mich für etwas einsetze, dann tue ich es für Geld.

Jene Abertausende, Vorpommern, Mecklenburger, Gäste an der Küste und nun auch Polen, die den Kraftwerksbau als Frevel an der Umwelt erkennen und jene Hunderte Mitglieder der Bürgerinitiativen, die den Widerstand organisieren, geben Geld für ihre Idee einer sauberen Umwelt und noch viel mehr: Sie geben von ihrer Lebenszeit ab. Das ist in der OZ noch mit keiner Zeile beschrieben worden.

Die Kraftwerksgegner mühen sich als Laien, die meisten sind Laien, und einige als Auskenner gegen Leute, die sich hauptberuflich - und sozusagen mit Milliarden in der Hinterhand - für den Kraftwerksbau einsetzen, die nichts anderes tun, als den Bau gegen jeden Widerstand durchzusetzen. Hinzuzurechnen sind jene Politiker und Behörden, die vor dem Investor im Kohledreck kriechen oder das dänische Unternehmen zumindest hofieren, statt sich um das Wohl der Bürger zu kümmern und dafür mit viel Steuergeld bezahlt werden.
Auf der anderen Seite plant Dong Energy ein Zwei-Milliarden-Euro-Kraftwerk, das Steinkohle verfeuert, die zuvor um den halben Globus geschippert werden muss. Zugleich wird auf die Nutzung der entstehenden Abwärme verzichtet und lieber der Greifswalder Bodden beheizt. Abgase, Feinstäube und Lärm bedrohen eine sich gerade entwickelnde Tourismusbranche und höchst sensible Naturräume. Da scheinen fast 9000 Einwendungen gegen das Großprojekt nur folgerichtig.
Es scheint nur so? Was stand dem Autor im Wege zu erkennen, dass es folgerichtig ist, alles Mögliche zu tun, um die Dreckschleuder zu verhindern? Kann er sich nicht wenigstens vorstellen, selbst Einwände zu erheben?
... Und die Landesregierung? Verzögert, mauert, verharmlost. Schwerin lässt Bauanträge von Ministerien zuarbeiten, Gutachten frisieren, Proteste verhindern.
Der Kommentator hat die große Gelegenheit verpasst zu schreiben, dass in der Regierung auch gelogen wurde. Er hätte nicht einmal dazuschreiben müssen, dass die OZ die Lüge des Ministerpräsidenten vervielfältigte und bis heute nicht zugab, diese Lüge verbreitet zu haben - aus welchen Gründen auch immer. Das ist für mich die Nagelprobe, die die OZ nicht bestanden hat: Solange sie die - zumal plumpe - Lüge nicht als Lüge berichtigt, ist solch ein Kommentar für mich scheinheilig.
Jedoch: Der Umgang mit diesem höchst umstrittenen Projekt und den Argumenten seiner Gegner - das könnte die größte Herausforderung für den künftigen Ministerpräsidenten werden.
Ich kann jetzt schon sagen, was passieren wird. Sellering wird die Schultern heben und sagen, das Kraftwerk müsse gebaut werden, denn das Verfahren sei rechtsstaatlich abgesichert. Die Gutachten hätten gezeigt, dass die Umwelt nicht über Gebühr belastet würde usw., was natürlich lächerlich ist, hätte es nicht so schlimme Folgen.
Im Übrigen bleibe ich dabei: Sellering werden wir auch überstehen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.

Google