6. September 2008

Hintergrund: Nazisymbole auf der Promenade

Usedom-Peene-Zeitung:
Rechte Schmierereien auf Marathonstrecke
Einwohner und Gäste des Ostseebades Heringsdorf sind über rechte Schmierereien entrüstet, die seit der Nacht von Donnerstag zu Freitag auf einem zwei Kilometer langen Promenadenstück zwischen dem Fischerstrand und Sackkanal sowie am Bansiner Hauptaufgang zum Strand Radweg und Anlagen verunstalteten. ...
Dass jemand entrüstet war, ist keine Nachricht, wird aber dennoch mitgeteilt - und langweilt die Leser.
Die 30 bis 35 Zentimeter großen Schriftzüge auf dem Gehweg, an Toilettenhäuschen und Stromverteilern lassen einen ausländerfeindlichen Hintergrund vermuten.
Mannomann, knallharte Recherche! Ganz wichtige Erkenntnis, die Möglichkeit eines ausländerfeindlichen Hintergrundes!
„Das ist eine Riesenschweinerei“, entrüstet sich Bürgermeister Klaus Kottwittenborg, der einen Zusammenhang mit dem heutigen Usedom-Marathon nicht ausschließen kann. ...
Noch so ein bedeutender Hinweis: er kann nicht ausschließen. Das Zitat wie der mutmaßlich Hintergrund heißen doch nichts anderes als: Wir wissen nichts. Warum wird das nicht so geschrieben?

Schadeschadeschade, dass jegliche Erinnerung an Vergangenes fehlte und damit das, was eine Lokalzeitung ausmacht, die von sich behauptet, hier zu Hause zu sein.

Hier ein Beispiel aus Zinnowitz, nachzulesen im unveröffentlichten Material der Historischen Gesellschaft:

Gemeindevorsteher(?) an den Landrat, Schreiben vom 10.06.1930

„Wie ich heute bereits telefonisch mitteilte, hat eine Horde Nationalsozialisten in Kaki-Anzug mit Hakenkreuzarmbinde heute Mittag gegen 12 Uhr die Reichsflagge vom Flaggenmast an der Seebrücke heruntergerissen. Die Täter sprangen dann auf ihre Motorräder und fuhren davon in Richtung Wolgaster Fähre.“

Der Gemeindevorsteher nennt die Nummern der Motorräder und eines Autos aus Berlin und bittet, der Gemeinde eine andere Reichsflagge zu überlassen, da sie täglich gestohlen werden und die Gemeinde keinen Ersatz leisten kann.

Der Landrat teilt am 24. Juni der Gemeinde mit, sie solle Strafanzeige erstatten.

Der Bürgermeister schreibt am 26.06.30 an die Redaktion des Volksboten Stettin. Er wehrt sich gegen den Vorwurf der Zeitung vom 25.06.30, er habe nicht genug unternommen, den „Reichsflaggendiebstahl“ aufzuklären und er habe als Stahlhelmer kein Vertrauen in der Gemeinde:

„…Wenn Sie sagen, dem Amtsvorsteher wird als Stahlhelmer kein Vertrauen entgegengebracht, so steht dies doch zu dem Verhalten der sozialdemokratischen Kreistagsfraktion völlig im Widerspruch, denn diese hat doch dem Stahlhelmer dazu verholfen, dass die Wahl auf ihn fiel, denn sie war ausschlaggebend und enthielt sich der Stimme.


Auf den Vorwurf der Zeitung, Hakenkreuzfahnen zugelassen zu haben:

Ein Ministerialerlass wonach Hakenkreuzfahnen auf Strandkörben oder überhaupt am Strande verboten sind, ist mir nicht bekannt …“


Landrat schreibt an die Gemeinde, 08.07.30 mit der Abschrift eines Schreibens vom stellv. Regierungspräsidenten (02.07.30):

Gemeinde hat die Flagge umgehend zu ersetzen

Anmerkung des Landrates:

Ersatzfahne sofort beschaffen und beim Polizeipräsidenten in Berlin Antrag auf Entziehung des Führerscheines zu stellen und beim Staatsanwalt Anzeige wegen unbefugten Waffenbesitzes zu erstatten.

Vermerk des Bürgermeisters (unter Jahreszahl 1924) v. Potenberg auf Rückseite des Schreibens:

Beides erledigt am 15.07.30.

Nirgendwo fand sich ein Hinweis darauf, dass die Horde von Flaggendieben bestraft wurde. Wahrscheinlich verlief die Angelegenheit im Zinnowitzer Strandsand oder auf einer Rasenfläche an der Spree in Berlin.

Noch zwei Fotos aus der Zeit um 1930 und schwuppdiwupp wäre eine Lokalseite gefüllt gewesen.

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