18. September 2006

Lassen Sie mich allgemein werden

Ich habe den Eindruck gewonnen, dass zwischen dem, was Journalisten über ihr Tun denken und dem, was sie tun, ein Widerspruch besteht. Bestärkt wurde ich beim Lesen zweier Veröffentlichungen im Medienmagazin „Journalist“, das der Deutsche Journalisten-Verband herausgibt: In einer Studie der Universität Hamburg wurde festgestellt:  

Ein überwiegender Teil von ihnen (den deutschen Journalisten) will sein Publikum möglichst neutral und präzise informieren, komplexe Sachverhalte erklären und Informationen möglichst schnell vermitteln. Die meisten Journalisten glauben dabei, dass sie imstande sind, die Realität so abzubilden, wie sie ist. (Siegfried Weischenberg und Armin Stoll: Darsteller und Souffleure.- Journalist 9/2006, S. 26-31) 

Jedoch: In seinem Artikel Reduzierte Vernunft.- Journalist 7/2006, S. 26/27 berichtete Hans-Jürgen Schild, die Unabhängigkeit des Journalismus stehe auf dem Spiel.  

Die Grenzen zwischen redaktionellen Inhalten und Werbung werden sich verwischen. Bislang anerkannte Standards weichen dem was man euphemistisch eine lebendige und rezipientenfreundliche Berichterstattung nennt.  

Einige Anhaltspunkte, die Schild nennt: - Die Informationsvermittlung verzichtet auf Zusammenhänge - Die Trennung zwischen Nachricht und Kommentar gerät in Vergessenheit - Kommentatoren simplifizieren ihren Gegenstand bis zur Unkenntlichkeit und lassen die eigenen Maßstäbe dabei im Dunkeln - Bilder verdrängen den Text - Für informative Hintergrundberichte bleibt wenig Platz - Sachprobleme werden auf persönliche Konflikte reduziert. - Private und öffentliche Sphäre gehen nahtlos ineinander über. - Immer neue Kampagnen sollen das Publikum bei der Stange halten. - Die Kontinuität der Berichterstattung bleibt auf der Strecke. - Die Form bestimmt den Inhalt und der verliert an Bedeutung. 

Der Autor warnt: Geht dem Publikum einmal auf, dass Journalisten ihm insgeheim intellektuelle Fähigkeiten absprechen, wird es andere Wege der Informationsbeschaffung suchen, um ein adäquates Bild der Wirklichkeit zu gewinnen. Etwa im Internet. Insofern könnte sich die am kurzfristigen Erfolg orientierte Strategie von Medienunternehmen als ausgesprochen kurzsichtig erweisen. die Medien bieten sich in bunter Abwechslung mal als Sachwalter des Allgemeinwohls, mal als Interessenvertreter, als Beschützer des kleinen Mannes, Reklametreibende, als Animateure oder Klatschtanten. Was aber wollen sie wirklich? Eine Antwort bleibt aus. Umfragen bestätigen in schöner Regelmäßigkeit: Der Berufsstand bewegt sich im Dunstkreis des Fragwürdigen und Zweifelhaften, verliert an Wertschätzung ...  

Der Artikel entstand nach Auswertung der ersten Ergebnisse von 3743 Fragebögen für das Projekt „Zukunft des Journalismus“ (Lehrstuhl Journalistik der Universität Halle). Grundsätzlich gilt für alle Medien: Nicht alles, was in den Medien wiedergegeben wird, ist das, was wirklich passiert ist.

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