5. April 2011

OZ hilft beim Jammern und Werben

Unternehmer aus der Tourismusbranche durften per Titelgeschichte erneut jammern und zugleich eine Lehrstellenanzeige abgeben, die die Abonnenten der unternehmerfreundlichen OZ bezahlten:
Azubis gesucht: Gastronomie braucht Köche und Kellner
Auf 790 Lehrstellen nur 144 Bewerber. Gaststättenverband wirbt auch in Polen. ...
Warum das so ist, wird so erklärt:
Der Branchenverband Dehoga MV sieht die Ursache für den wachsenden Bedarf in erster Linie im demografischen Wandel. „Den Rückgang der Schulabgängerzahlen spüren wir seit zwei, drei Jahren“, erklärt Dehoga-Geschäftsführer Uwe Barsewitz.

Laut Arbeitsagentur wird in diesem Jahr mit knapp 10 000 die geringste Zahl an Schulabgängern im Nordosten erwartet. „Vor 20 Jahren waren das noch 30 000“, sagt Goecke. ...
Im Kommentar des kritischen Hochwertjournalisten (Definition laut OZ-Chefredakteur) ist zu lesen:
Der Nachwuchsmangel schlägt immer stärker auf die Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern durch. Aber nicht nur das Hotel- und Gaststättengewerbe findet kaum noch Lehrlinge. Das Problem betrifft nahezu alle Branchen — von Bäckereien über Pflegeeinrichtungen bis hin zum Einzelhandel. ...
Das sind jene Branchen, in denen am wenigsten Lohn gezahlt wird. Das hat der Hochwertjournalist aber nicht gemerkt, denn auch er hat herausgefunden:
Im Vergleich zu 1990 steht den Betrieben in Mecklenburg-Vorpommern heute nur noch ein Drittel der Schulabgänger zur Verfügung. Die Abwanderung junger Leute verschärft das Problem zusätzlich. Viele Unternehmen beklagen zudem eine mangelnde Ausbildungsreife der Bewerber mit fehlenden Grundkenntnissen, etwa in Mathematik oder Deutsch. ...
Die demografische Entwicklung droht damit zu einer echten Krise für die Wirtschaft zu werden — nachdem die Spuren der letzten noch nicht beseitigt sind. ...
Seit 21 Jahren verlassen Jahr für Jahr tausende Menschen das Land, weil sie überall bessere Arbeitsbedingungen und vor allem -stellen finden. In den Jahren 1990 bis 1993 wanderten weit über 77000 Deutsche aus M-V ab, davon über die Hälfte Frauen. Daher fehlen nun auch jene, die ausgebildet werden könnten, die Kinder der Abgewanderten. Die Halbierung der Geburtenrate macht das Dilemma wahrlich nicht allein aus, wie diese Auszüge aus der Erfassung der Wanderungen ergeben:
 
Warum hat der Hochwertproduzent nicht einmal gefragt, wie viele der Ausgebildeten eine Festanstellung zu welchen Bedingungen erhalten werden? Er hat nicht einmal herauszufinden versucht, wie viele Ausgebildete von den Betrieben übernommen wurden.
Nicht ein Wort wurde über die Arbeitsbedingungen in der Tourismusbranche verloren.
Warum las ich nichts über die Einkommensverhältnisse in den Branchen?

Die Antwort ist ganz einfach: Es wäre kein Jammerartikel, keine versteckte Lehrlingsanwerbung möglich gewesen. Besonders verwerflich ist die einseitige Jammer/Werbeschrift, weil auf diese Weise Unbedarfte angeregt werden könnten, sich zu bewerben, statt dass einfach erklärt wird, dass jener keine Personalnot haben wird, der Lehrlinge nicht nur ausbeutet, sondern nach der Lehre auch übernimmt, zu anständigen Arbeitsbedingungen und Löhnen.

Ebenso hat die OZ schon mehrfach geholfen, Kanonenfutter für die Bundeswehr anzuwerben, und indirekt dabei geholfen durch Wergschauen, wie z.B. hier belegt ist:

Umstrittene Nachwuchsgewinnung - Streit um den Einsatz von Wehrdienstberatern an Schulen

... Beispiel Gesamtschule in Prerow – Mecklenburg-Vorpommern ...

Was dort geschildert wird, ist bedrückend. Einige Beispiele:

"... Meine Aufgabe ist es halt, jetzt in die Schulen  zu fahren, um  junge Leute für die Bundeswehr zu begeistern, die Bundeswehr  vorzustellen, und halt dementsprechend für die Bundeswehr zu werben. Die Bundeswehr ist ein ganz normaler Arbeitgeber, wie jeder andere auch, so sehe ich das. So als wenn ich bei BMW oder bei Mercedes oder auf einer Werft irgendwo anfange zu arbeiten.“ ...

Die Schüler hören sich den 90-minütigen Vortrag geduldig an. Gebhardt stellt die Vorzüge der Bundeswehr geschickt heraus: Kostenloses Studium plus Gehalt, Berufsausbildung, Teamarbeit und viel Sport. So mancher  Schüler bekommt da Lust, sich bei der Truppe zu verpflichten ...

Apropos Auslandseinsätze. Das Thema kommt im Vortrag vor, da heißt es, wenn man sich verpflichte, zeige man damit auch seine Bereitschaft für einen Auslandseinsatz. Was das allerdings bedeuten kann,  -  schwere Verletzung, Trauma oder gar Tod – davon spricht der Wehrdienstberater nicht. Die Worte Krieg oder kriegerische Auseinandersetzung fallen nicht ein einziges Mal in dem Vortrag. ...

Alles nichts für die kritisch-hochwertige OZ?

3 Kommentare:

  1. Anonym5.4.11

    In der Gastronomie werden auch so "tolle" Löhne gezahlt, da ist sicher jederJugendliche wild auf solch einen Arbeitsplatz!

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  2. Anonym5.4.11

    Das Buch: "Feldpost - Briefe deutscher Soldaten aus Afghanistan" ist erschienen.
    Der NDR berichtete darüber, die Bundeswehr versuchte das Buch zu verhindern.
    Das ist Lektüre für junge Leute und nicht das geheuchelte Gelaber von Rattenfänger Gebhardt.

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  3. Anonym6.4.11

    Ein Buch, dass ich selbst gelesen habe, ist eines von Todenhöfer: "Warum tötest du Zaid?"
    Er beschreibt, welches Unheil die USA im Irak angerichtet haben. Fast das gleiche trifft auf Afghanistan zu.

    Ich weiss nicht, warum junge Menschen als Zeitsoldaten in der Bundeswehr dienen wollen. Sicher spielen die Ausbildung wie das Geld eine grosse Rolle. Aber die Bundeswehr und alles was damit zu tun hat mit jedem anderen Beruf gleichzustellen, ist eine üble Täuschung.
    Würde jeder junge Mensch sich darüber im Klaren sein, dass er in Notsituationen andere Menschen töten muss, um nicht selbst getötet zu werden und sich fragen, wofür mache ich das eigentlich und für wen, dann dürfte die Entscheidung nicht schwer fallen.
    Der Geschichtslehrer beschreibt es sehr gut:
    "Und wir wissen ja aus der Geschichte, dass der Enthusiasmus, der Glaube junger Leute immer wieder missbraucht wird."

    In Gesprächen mit meinen erwachsenen Kindern muss mein jüngstes Kind etwas aufgeschnappt haben.
    Aus Kindermund kamen Sätze wie:
    "Mama, Soldatsein ist sehr gefährlich. Da kann man erschossen werden."
    Ja, das stimmt, Soldaten können erschossen werden und manchmal müssen sie auch andere Menschen erschiessen, obwohl sie das gar nicht wollen, gab ich zur Antwort.
    "Töten Soldaten auch kleine Kinder?"
    Eine schreckliche Frage.
    Lügen will ich nicht und so muss ich antworten: "Ja, leider, es gibt Soldaten, die auch Kinder töten, nicht viele, aber im Krieg gab und gibt es auch diese Soldaten und sie sind sehr böse."
    Ich will auf gar keinen Fall, dass sich eines meiner Kinder zum dummen und dämlichen Bauernopfer irgendwelcher Werweisswas - Leuten macht und habe noch weiter erzählt.
    "Weisst du, es gibt sogar schon junge Mädchen, die zur Armee gehen und Soldatinnen werden, aber du, wenn du mal gross bist, machst das bestimmt nicht.
    Eine beruhigende Antwort: Nein Mama, bloss nicht, das ist mir viel zu gefährlich.
    Na, da bin ich ja beruhigt, denn wir wollen uns doch lieber alle vertragen.
    Das sind so Gespräche, die mich freuen.
    Mag für den einen oder anderen naiv klingen, aber was rechtfertigt die Auslandseinsätze in fremden Ländern? Ich werde jedenfalls alles daran setzen, dass mein Kind ein friedliebender Mensch bleibt.

    G. Bieck

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