12. März 2010

Über Nähe zum Krawalljournalismus

Langsam wird klar, was mit dem Umstrukturieren der Greifswalder Redaktion gemeint war: mehr Boulevard, mehr Halbgewalktes. Heute:
Rathaus: Mit goldenem Handschlag in die Rente
Angestellten der Stadt Greifswald winkt kurz vor dem Ruhestand das große Geld: Mit Abfindungen bis zu 30 000 Euro versüßte die Verwaltung 2009 sieben Mitarbeitern den Ausstieg aus dem Berufsleben. ...
Häh? 30000 Euro sind das große Geld? Hat der Strukturbenjamin ein wenig nachgedacht? Hat er z.B. gefragt, welche Renteneinbußen Frühpensionäre hinnehmen müssen und in welchem Zeitraum ihres Rentnerlebens die maximal 30000 Euro aufgebraucht sind, um die Einbußen von etwa sieben Prozent der Rente auszugleichen, wenn die Person zwei Jahre vor der Pensionierung aufhört zu arbeiten? Ich las darüber nichts in dem mit Vorwürfen gespickten Text.

Strukturbenjamin zieht sich an einem Fall hoch, von dem er glaubt, dass durch den frühzeitigen Ruhestand keine Stelle eingespart würde, weil eine neue geschaffen wurde. Er erweckt damit den Eindruck, die Stadtverwaltung werfe nur so mit Geld um sich, bleibt aber den Beweis schuldig. Ganz nebenbei könnte er so auch Hungerlöhner gegen Besserverdiener aufbringen, weil er Neid schürt.

Er erwähnte zwar:
Weiteren Angaben der Stadtverwaltung zufolge hatten drei der sieben Mitarbeiter, die 2009 ausschieden, das 60. Lebensjahr bereits überschritten, als sie ihren vorzeitigen Ausstand gaben.
Er unterließ es aber nachzufragen, welcher finanzielle Effekt auf Dauer in der Stadtverwaltung durch das vorzeitige Ausscheiden der sieben Mitarbeiter erzielt wird (z.B. kosten junge Mitarbeiter weniger). Er fragte auch nicht, welche finanziellen und sonstigen Vorteile die Stadtverwaltung durch den vorzeitige Ruheständler in früheren Jahren hatte. Oder wird in der Stadtverwaltung erst seit 2009 frühverrentet? Keine Ahnung, passt auch nicht in den Artikel. Warum wohl nicht?:

Strukturbenjamin versucht, einen Einzelfall hochzuspielen. Weitere Zusammenhänge interessieren nicht, passen ja auch nicht in die vorgefertigte Aussage des Artikels. Das ist journalistisch höchst bedenklich und außerdem ein Beleg dafür, dass Zusammenhänge auch in der neuen Redaktionsstruktur fehlen werden, die also in diesem Punkt die alte bleibt.

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