9. November 2009

Auch Zahlen, falsch interpretiert, sind Schall und Rauch

Am Wochenende hatte die Greifswalder Zeitung gemeldet:
H1N1: Schon über 60 Fälle im Landkreis!
In Ostvorpommern gibt es seit gestern doppelt so viele Schweinegrippe-Fälle wie noch zu Wochenbeginn. "Wir haben aktuell 63 bestätigte Erkrankungen und 14 Verdachtsfälle", sagte Verwaltungssprecher Christoph Krohn auf OZ-Nachfrage. Auffällig: Der Landkreis hat in Vorpommern deutlich am stärksten mit Schweinegrippe zu tun. ...

Warum gerade in OVP ein relativ sprunghafter Anstieg erfolgt, können die Fachleute bislang nicht sagen. Außergewöhnliche Zentren der Ansteckungsgefahr gebe es jedenfalls nicht. ...
Und das macht auch niemanden stutzig, den Aufschreiber sowieso nicht, auch nicht den Kopierer in der Greifswalder Redaktion. Das Peinliche dieser Ahnungslosigkeit ist nur schwer zu überbieten.
Einen Erklärungsversuch finden Sie hier.

Ich verweise auf diesen hochwertigen Artikel, den Sie kostenlos lesen können:


Die Gesellschaft ist unfähig, mit Unsicherheit umzugehen. Dies trifft insbesondere beim Thema Schweinegrippe zu, findet Gerd Antes von der Ständigen Impfkommission. ...

Für Sammler von Beispielen, wie man Zahlen nicht interpretieren sollte, herrschen goldene Zeiten. Alles, wovor man Erstsemester warnt, wird geboten. Dabei sind die Regeln einfach. Grippetote oder Impfschäden einzeln zu zählen ist sinnlos, wenn nicht gesagt wird, wie viele Menschen infiziert oder geimpft wurden. Das ist der Nenner, auf den Fälle bezogen werden müssen. Absolute Anzahlen wecken Emotionen, für die Beschreibung von Risiken haben sie keine Bedeutung. Nutzen und Risiken werden mit Quotienten beschrieben! ...

Noch wichtiger ist: Risiken befinden sich immer im Wettstreit mit anderen Risiken. Ihre Bewertung bedeutet eine Abwägung. Hier gilt es, das Risiko durch Schweinegrippe gegen das Impfrisiko zu gewichten. Ob der Nutzen einer Impfung größer ist als die Risiken durch Infektion oder Nebenwirkung, muss im fairen Vergleich ermittelt werden. Die Methoden dafür sind klinische Studien und systematische Beobachtung der Praxis.

Was einfach klingt, ist es in der Realität leider nicht. Statt uns auf eine vertrauenswürdige Basis für eine Nutzen-Risiko-Abwägung stützen zu können, stehen wir vor einem erstaunlich großen Wissensloch. Sogar die einfache Frage, was ein milder Verlauf bedeutet und wie viele Infizierte nur einen solchen erfahren, findet noch keine empirische Antwort. Erstaunlich angesichts der Prognosen, dass die deutsche Wirtschaft durch Fehlzeiten schwer Schaden nehmen könnte. ...

Besonders irritierend für die Öffentlichkeit sind Aussagen zur Sicherheit des Impfstoffs. Den Impfstoff als sicher zu bezeichnen, ist falsch und wird durch regelmäßige Wiederholung durch die Präsidenten von Paul-Ehrlich-Institut und Robert-Koch-Institut nicht richtiger.

Genauso falsch ist es, den Impfstoff als unsicher zu bezeichnen, so oft Impfgegner das auch wiederholen. Das Wort "sicher" ist irreführend, da es die wünschenswerte Sicherheit nicht gibt und nicht geben kann. Das ist kein spezielles Problem dieses Impfstoffs, sondern gilt allgemein. ...

Im Gegensatz zu dem Käse in der Greifswalder Zeitung und dem bisherigen Quark aus der Mantelredaktion ist der Artikel absolut lesenswert, auch wenn ich auf Ähnliches bereits hinwies.

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