11. November 2008

Kohlekraftwerk: Ein Dutzend offener Fragen

Die OZ veröffentlichte eine sehr gute Geschichte, genau das, was ich unter Journalismus verstehe. Allemal lesenswert! Mein Dank an die Autorin Elke Ehlers!
"Da möchte man mit der Faust auf den Tisch schlagen"
Peter Martens aus Karlshagen verlor seine Frau durch Bakterien im Seewasser. Wird in Lubmin das Kohlekraftwerk gebaut, treten die Keime möglicherweise verstärkt auf. Der Usedomer verlangt, solche Warnungen ernst zu nehmen. ...
Nun gut, wie sich zeigt, verlor Martens seine Frau nicht, sondern sie starb an den Folgen einer Infektion mit Vibrionen.

Bei allem Lob, warum erschienen solche Artikel nicht schon vor Monaten in der OZ? Er hätte Abertausende Leser erschüttert und ihre Aufmerksamkeit für das Thema erregt.

Warum wurde stattdessen über das geplante Steinkohlekraftwerk zu oft so geschrieben, als müsste Vorpommern ohne Dong untergehen?

Warum wurde des Urknallers Lüge verbreitet und nie berichtigt?

Wo waren die Kommentare, die darauf hinwiesen, was für eine völlig überflüssige Dreck- und Gift-Schleuder am Bodden gebaut werden soll?

Warum durften Leute bildlich ihren Senf abliefern, erhielten ellenlange Interviews, obwohl die Leute keine Ahnung hatten oder haben wollten, worüber sie sich ein Urteil anmaßten?

Warum wurde viel zu wenig über die Gefahren des Kraftwerkes berichtet, stattdessen gebetsmühlenartig das Investitonsvolumen und die paar Arbeitsplätze beschworen?
Warum beteiligte sich die OZ monatelang daran?

Warum musste über den Dong-Projektdirektor Peter Gedbjerg ein herzerweichendes Porträt geschrieben werden, das keinerlei kritischen Abstand erkennen ließ, dafür aber den Eindruck erweckte, die OZ gehöre zur PR-Agentur Dongs?

Wo blieben die Geschichten über die vielen Gegner aus dem Verbreitungsgebiet der OZ, die mit fachlichem Sachverstand viele der Ungereimtheiten, Fehler und Auslassungen in Dongs Antragsunterlagen ermittelten, die Lebenszeit, Geld opfern und Stress auf sich nehmen, um das Projekt zu verhindern, dass wer in MV braucht? Die Wem-nützt-es-Frage hat die OZ ihren Lesern immer noch nicht beantwortet.

Wann setzten sich Redakteure selbst mit mit den Antragsunterlagen oder wenigstens mit einem Teil auseinander und nutzten die Kenntnisse ihrer Leser, die auf jeden Fall hier zu Hause sind, um interessante, faktenreiche Geschichten zu schreiben?

Warum kam der einst in der OZ umjubelte Träger des alternativen Nobelpreises, Prof. Succow ("Das von Dong Energy geplante Kohlekraftwerk ... verstößt gegen alle ökologische und ökonomische Vernunft!") in der OZ nicht zu Wort?

Warum stellte die OZ, weil sie vorgibt, hier zu Hause zu sein, nicht von Anfang an einen Redakteur ab, der systematisch und regelmäßig eines der wichtigsten Themen bearbeitet, dass es in Vorpommern seit der Wende gab?

Warum brachte es die OZ nicht fertig, wenigstens ausgewogen über das Thema zu berichten?

Jetzt mit solch einer Geschichte herauszurücken, ist besser als gar nicht. Ich stelle mir jedoch vor, welch eine Protestbewegung in Gang gekommen wäre, hätte diese Geschichte und hätten ähnliche Geschichten vor Monaten in der OZ gestanden. Dann nämlich meinten nicht so unglaublich viele Leute, das Kohlekraftwerk beträfe sie nicht.

Es ist nicht die Aufgabe der OZ, Widerstand herbeizuschreiben, richtig. Doch es ist die Aufgabe einer Tageszeitung, die ganze Wahrheit zu berichten und nicht, ihre Leser in trügerischer Sicherheit zu wiegen.

Dasselbe passierte über Monate hinweg mit der Berichterstattung über die beginnende Weltwirtschaftskrise.

Dasselbe passiert in den unsäglichen, verantwortungslosen PR-Geschichten über das Impfen.

Dasselbe passiert, wenn in grandioser Ahnungslosigkeit über die private Altersvorsorge geschrieben wird.

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