5. September 2008

Hintergrund: Kampf um den niedrigsten Alg 2-Satz

Die große Stiefschwester der OZ, BILD, setzt ihre Hetze gegen Alg 2-Empfänger fort. Die kleine Schwester OZ tut das nicht, sondern geht geschickter vor.

Heute noch ein Kleinschwesterlein-Beispiel für Kurz-Berichterstattung, als seien Arme in MV ein mickriges Randproblem:
Jeder Sechste in MV braucht Geld vom Staat
... Auf scharfe Kritik vom DGB und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband ist unterdessen eine Studie der TU Chemnitz gestoßen, nach der die staatlichen Leistungen für Hartz-IV-Empfänger keineswegs zu niedrig sind. Nach Berechnungen der Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Thießen und Christian Fischer reicht zur Existenzsicherung ein Betrag von monatlich 132 Euro aus. Maximal gerechtfertigt wären 278 Euro, heißt es in der Studie. Hartz IV-Experte Rudolf Martens sagte, das erinnere an die Armenfürsorge um 1900.
Mir fiel dazu dieser Eintrag ein, in dem ich, weil die OZ Unsinn verbreitet hatte schrieb:

Aha, dann sind also Alg-2-Empfänger dieses arbeitsscheue Pack, das sich auf Kosten der Steuerzahler schlaftrunken durchs Leben säuft und frisst?

OZ-Leser sollten dies lesen, damit ihr Horizont eine brauchbare Weite erhält:

Nochmals: „Die Sarazzins der Wissenschaft: Hartz-IV-Regelsatz von 132 Euro ausreichend“

Da es nicht mehr lange dauern kann, bis auch in anderen Zeitungen als der BILD wieder gegen Alg 2-Empfänger gehetzt werden wird, schon vorab dies:

Experten: Hartz-IV-Empfänger sind ehrliche Leute

... Brandaktuelle Statistiken über den Sozialmissbrauch gibt es wegen der Zuständigkeiten unterschiedlichster Behörden und Arbeitsgemeinschaften in Bund, Ländern und Kommunen kaum. Im Jahr 2006 aber hat die Nürnberger Bundesagentur laut Sprecherin Mirtschin in 126.600 Fällen Bußgelder verhängt oder Strafverfahren eingeleitet. Allerdings betrafen nur 47.300 und damit weit weniger als die Hälfte davon Hartz-IV-Empfänger. Bei rund fünf Millionen Beziehern von Arbeitslosengeld II ist das ein sehr geringer Anteil.

Hauptgeschäftsführer Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband hält dem eine andere Zahl entgegen. Im vergangenen Jahr gab es rund 100.000 Klagen gegen Hartz-IV-Bescheide, und allein im ersten Halbjahr 2008 waren es schon wieder etwa 60.000. Und jeder zweite Kläger hat vor Gericht Erfolg. „Es werden also vielen Menschen ihnen zustehende Sozialleistungen vorenthalten“, folgert der Experte.
Das ist der wahre, massenhafte Alg 2-Missbrauch, der in MV laut OZ nicht vorkommt.
Und auch von den weniger als drei Prozent Missbrauchsfällen seien das Gros ja eher kleine Fische – etwa wenn der Betroffene einmal schwarz gearbeitet oder Geld von seinen Verwandten bekommen habe....

Der Vertreter des Erwerbslosenforums weist darauf hin, dass die Ermittler der Sozialbehörden nicht ohne Weiteres das Recht haben, Wohnungen gegen den Willen der Betroffenen zu betreten. Auch seien nicht sie, sondern die Zollbehörden für den Kampf gegen Schwarzarbeit zuständig. Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband nimmt jedoch auch die Ermittler gegen unberechtigte Vorwürfe in Schutz. Die Behörden vor Ort handelten in aller Regel verantwortungsvoll, Beschwerden gebe es da kaum. „Es ist eher ein Medien- als ein Behördenproblem“, resümiert er. ...

Da irrt er. Es ist ein Kampagne, um den neu zu berechnenden Alg 2-Satz möglichst gering zu halten, und viele Medien lassen sich dafür missbrauchen.

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