7. Februar 2008

Kohlekraftwerk: Meinungen statt Fakten

Die Lokalredaktion der Usedom-Peene-Zeitung widmete dem Thema Kohlekraftwerk ihre Titelseite. Doch statt Fakten zu vermitteln, wurden fast nur Meinungen veröffentlicht. Zu den meisten Stellungnahmen habe ich eine gegenteilige Auffassung.
Das sagt der Landesvater:
Modernste Verfahren prüfen
Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD), lange Zeit starker Unterstützer der Dong-Pläne, gibt sich derzeit öffentlich zurückhaltender: "Wir müssen mit dem Investor reden, ob er die Kraftwerksgröße nicht von 1600 auf 800 Megawatt halbieren kann", sagte er kürzlich gegenüber OZ. Und: "Wir sollten Dong dazu bringen, modernste Verfahren wie CO2-Abscheidung einzusetzen, sobald sie auf dem Markt verfügbar sind."
Das ist doch Käse und soll rational sein. Ringstorff sagte am 21. Januar im NDR Info:

Ich bin der Auffassung, dass man das Kraftwerk auch in der ursprünglichen Größe bauen kann. Voraussetzung ist natürlich, dass die strengen Umweltauflagen erfüllt werden. Aber alle gutachterlichen Unterlagen, die bisher vorliegen, machen deutlich, dass das eingehalten werden kann.


Wie rational es ist, von CO2-Abscheidung zu schwafeln, kann unter anderem hier nachgelesen werden.
DER MEILER:
Schornstein ist 110 Meter hoch
... Für das Werk ist ein Schornstein von 110 m Höhe und ein 85 m hohes Kesselhaus geplant. Der Meiler soll mit einem CO2-Ausstoß von 730 Gramm pro Kilowattstunde und einem Wirkungsgrad von 47 Prozent zu den modernsten seiner Art gehören. ...
Seltsam ist, dass der Bebauungsplan geändert wurde, der jetzt eine Schornsteinhöhe von 150 Metern zulässt. Würde der Schornstein 40 Meter niedriger gebaut, verteilten sich der Dreck und die Gifte auf einem kleineren Gebiet und damit in höherer Konzentration.
Aber das ist wohl scheißegal; Hauptsache der Schornstein fällt nicht auf - aus den Augen, aus dem Sinn.

Dann sind vielleicht auch die Touristiker auf der Insel Usedom zufrieden. Etliche scheinen mit ihrer Behördengläubigkeit in einem Märchen zu leben:
Das sagt der Chef des Tourismusverbandes, Gerd Schulz:
Grenzwerte sind einzuhalten
... "Nun erwarten wir natürlich, dass die Genehmigungsbehörde unsere Forderungen als Verband berücksichtigt und die Planungen des Investors darauf hin genau prüft", meint Vorstandschef Gerd Schulz. Die Hauptfrage sei, dass die Behörde dies aufgreift. Dann müssen Einsicht und Auflagen dafür sorgen, dass regelmäßige Klimanalysen, etwa zur Luftbelastung, erfolgen, um Grenzwerte keineswegs zu überschreiten, so Schulz. Das müsse auch "in die Genehmigung rein."
Es kann doch nicht Ziel der Touristiker auf der Insel sein, dass die Gegend bis an die Grenze des Erlaubten (nichts anderes bedeutet der Begriff Grenzwert) verdreckt werden darf und mit Ausnahmegenehmigungen darüber hinaus. Wer das zulässt, verdirbt sich die Zukunft seines Unternehmens. Stattdessen müsste es wichtigstes Ziel der Touristiker sein, die Umwelt zu verbessern. Ich wiederhole mich:

Ist das dem Dong-Schönschreiber schon jemals durch den Kopf gegangen, der Gedanke, dass die Umweltbedingungen auf der Insel und um die Insel herum verbessert werden müssten? Sie sind nämlich nicht so rosig, wie zu oft bejubelt wird:
Wer schon einmal im Sommer vor Usedoms Küste den Kopf unter Wasser steckte, konnte nicht seine Hand vor Augen sehen.
Dass es Blaualgen bereits gab, sollte auch bekannt sein.
Und dass auch jetzt schon alle möglichen Schadstoffe ins Wasser der Pommerschen Bucht gelangen, ist auch nicht geheim.
Nicht zu schweigen von der Belastung der Insel durch den Autoverkehr während der Saison, hervorgerufen durch hemmungsloses Bauen von Hotels und anderen Übernachtungsstätten, das immer noch fortgeführt wird.
Das sagt der Unternehmer-Präsident, Gerold Jürgens:
Wir brauchen die Jobs
... "Wir brauchen die Arbeitsplätze", sagt er nun und verweist auf zwei Milliarden Euro Investitionssumme für das Projekt. Schon in der Bauphase könnten etliche Aufträge von einheimischen Firmen übernommen werden. Hinzu kämen die Jobs direkt im Meiler und für regelmäßige Wartungen. "Das Kraftwerk wird auch Sogwirkung auf andere Investoren haben", meint Jürgens.
Naja, wenigstens spricht der Mann nicht vom Ringstorff'schen Urknall (auch so ein rationaler Gedanke).

Kürzlich
las ich in der OZ, die Flächen bei Lubmin seien so begehrt, dass der Platz knapp werde. Wozu dann das Kohlekraftwerk?

Wenn Unternehmer aus der Region, wie Jürgens, auf Aufträge hoffen, könnten sie schwer enttäuscht werden. Es fing schon an mit der Öffentlichkeitsarbeit von Dong. Die wird in Hamburg erledigt. Und so wird es in vielen Fällen weitergehen.
Klar, die Billigjobs werden hier verteilt: Gebäudereinigung, Kantine und Objektwache. Meint Herr Jürgens das? Oder wer ist "wir"?

Noch so einer, der sich sonstwas ausrechnet:
Wolgasts Bürgermeister hofft auf Synergieeffekte
... OZ: Was sagen Sie zu den umwelt- und tourismuspolitischen Ängsten der Menschen?

Kanehl: Wenn das Kraftwerk allen gesetzlich geforderten Parametern gerecht wird, ist es genehmigungsfähig, sonst nicht. Es gibt keinen Grund zur Aufregung.
Siehe die Märchengläubigen vom Tourismusverband. Wer sich zufrieden gibt, wenn nicht mehr Dreck in die Luft gepustet wird als erlaubt, was sehr fraglich ist, dem ist der Tourismus egal, dem sind Scheuklappen angewachsen.
Übrigens hoffen ist Mangel an Wissen.
OZ: Sehen Sie sich in Wolgast in Ihrer Haltung mit dem Stadtparlament einig?

Kanehl: Ja, die Abgeordneten haben sich auf der Dezembersitzung mit zwölf zu acht Stimmen für die Kraftwerksansiedlung, soweit alle Vorgaben eingehalten werden, ausgesprochen.
Ein Drittel der Abgeordneten ist gegen den Kraftwerksbau und die übrigen träumen wie der Bürgermeister und der Tourismusverband auf der Insel von eingehaltenen Grenzwerten. Hat Dong die Gedanken vieler Abgeordneter mit Euros vernebelt, als das Unternehmen die Jubiläumsfeier Wolgasts unterstützte?

Schließlich kamen mir die Tränen:
Protest-Flut macht Amt zu schaffen
... Der StAUN-Chef bestätigt, dass seine Behörde mit der Auswertung enorm beschäftigt sei.
Natürlich fragte ich mich, wie es möglich ist, dass 1000 Einwände dem STAUN zu schaffen machen, wenn doch 4000 Widersprüche vor der Jahreswende wie ein Klacks in wenigen Tagen abgearbeitet wurden. Jedoch kam keiner der Autoren auf die Idee, danach zu fragen.

Was mich wundert, ist das Mitleid für jene, die mit dem Bearbeiten der Widersprüche ihr Geld verdienen. Wer hat auch nur einen Anflug von Mitleid mit jenen gezeigt oder gar unterstützt, die sich in ihrer Freizeit, ohne Geld für eine saubere Natur einsetzen? Doch die Einseitigkeiten in Sachen Kraftwerk sind mittlerweile unübersehbar.
... Sie weiß, dass eine Volksinitiative allein das Kraftwerk nicht kippen kann, über die Zulässigkeit entscheidet das Genehmigungsverfahren. Aber die Gegner gewinnen Zeit. Wie durch die vielen Einwände beim StAUN. Wirkung zeigen die Maßnahmen schon. Aufgrund der vielen freiwilligen Überplanungen des Projektes sei man bereits ein halbes Jahr im Zeitverzug, bestätigte Dong-Generalbevollmächtigter Albert Schön.
Haben Sie den Widerspruch entdeckt? Klar, die vielen Einwände zeigen Wirkung und deshalb hat Dong ganz freiwillig die Pläne geändert. Es ist unverantwortlich, so etwas freiwillig zu zitieren, hat mit Journalismus nichts zu tun.

Übrigens habe ich Verständnis für Albert Schön. Klappt es nicht mit dem Kraftwerksbau, dürfte die fette Provision für die Vermittlung des Standortes mager ausfallen oder gar nicht gezahlt werden. Da kann er ganz schön freiwillig werden.

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