3. Dezember 2013

Zum Tag der Menschen mit Behinderung

Weil die OZ sich seit der Bundestagswahl wieder gemein macht mit der sPD, war gestern auf der Blickpunktseite zum Tag der Menschen mit Behinderung zu lesen:
Große Koalition plant Bundesgesetz für Behinderte
Dagegen ist nichts einzuwenden, wäre da nicht dieser Satz:
... „Dabei werden wir die Neuorganisation der Ausgestaltung der Teilhabe zugunsten der Menschen mit Behinderung so regeln, dass keine neue Ausgabendynamik entsteht.“ ...
Mehr Geld soll nicht eingesetzt werden; dafür wird der bürokratische Aufwand größer werden:
„Die Leistungen sollen sich am persönlichen Bedarf orientieren und entsprechend einem bundeseinheitlichen Verfahren personenbezogen ermittelt werden“, heißt es. ...
Also mit gleichbleibenden Mitteln soll mehr erreicht werden. Der Landkreis Vorpommern-Greifswald ist da schon ein Stück weiter. Der will mit weniger Mitteln weniger erreichen. Die OZ hatte vor einiger Zeit mitgeteilt, der Landkreis wolle die Mittel für die Eingliederung behinderter Menschen um 400000 für das Jahr 2014 kürzen. Später wurde mitgeteilt, dass die Ausgaben für Soziales um zwei Millionen Euro gekürzt werden sollen.

Das mit der Eingliederungshilfe funktioniert u.a. so:

Nach Schließung der einzigen Fördergruppe auf der Insel Usedom im Frühjahr 2012 gibt es keine neue Gruppe und wird es auch keine neue Gruppe geben. Unsere Tochter war Betroffene. Da sie wegen des Impfschadens sonderfürsorgeberechtigt ist, wurde ihr Platz in der Gruppe von der Kriegsopferfürsorge (KOF) in Thüringen bezahlt. Der Platz der zweiten jungen Frau in der Gruppe wurde jedoch vom Sozialamt des Kreises bezahlt.
Monatelang wurden wir hingehalten. Es sollte geprüft werden, die beiden Frauen einer Beschäftigungsgruppe in der Einrichtung in Zirchow einzugliedern. Das misslang, da es sich um eine stationäre Einrichtung handelt, die beiden Frauen aber nur für fünf bis sechs Stunden dort gefördert werden sollten - ein schier unüberwindbares Hindernis, zumal für beide behinderte Frauen eine Heimunterbringung nicht in Frage kommt. Den Eltern der anderen jungen Frau war vom Sozialamt mehrfach nahegelegt worden, die Tochter in einem Heim unterzubringen - wegsperren und schon wäre das Thema erledigt gewesen.

Da es sich um lediglich zwei Betroffene handelt und der Kreis nicht einmal eine Analyse hatte, aus der hervorginge, wie viele ähnlich gelagerte Fälle in den nächsten Jahren zu erwarten sind - daran lässt sich das Interesse der Kreisverwaltung am Thema Eingliederung einfach ablesen - war unsere Tochter nun das bildliche Zünglein an der Waage. Das Problem wurde gelöst, indem die KOF eine Begutachtung des Zustandes unserer Tochter anordnete. Die Begutachtung verlief etwa so: Die Amtsärztin begrüßte unsere Tochter, die im selben Zimmer wie die Amtsärztin und meine Frau saß, besprach den Zustand unserer Tochter, freute sich über ein Gutachten, das vor etlichen Jahren erarbeitet worden war (nach stundenlanger Prüfung der geistigen und körperlichen Fähigkeiten), jedoch nicht in der Thüringer Akte der Tochter aufzufinden ist, verabschiedete sich nach etwa anderthalb Stunden - und bescheinigte unserer Tochter, sie sei nicht förderfähig, weil sie 24 Stunden täglich gepflegt werden muss. Dabei spielte keine Rolle, dass eine Förderung auch darin besteht, die noch vorhandenen Fähigkeiten zu erhalten. (Unsere Tochter hat schon so viel gelitten und wird noch weiter leiden, weil ihr Zustand sich nie bessern wird. Da ist es selbstverständlich, alles Erdenkliche zu tun, um die Leiden zu lindern, ihre geringen geistigen und körperlichen Fähigkeiten zu trainieren, um diese so lange wie möglich zu erhalten und ihr das Leben so angenehm wie möglich zu machen - meinen nicht nur wir.) Die KOF folgte natürlich dem Gutachten, zahlt also den Platz nicht. Der Widerspruch wurde abgelehnt.

Wir entschieden uns, nicht zu klagen, denn eine andere Klage ist nun schon vier Jahre lang anhängig, und seitdem wurde keine unserer Forderungen bearbeitet. So haben wir z.B. die Ersatzpflegekräfte aus eigener Tasche bezahlt, die uns 24 Stunden täglich vertreten, wenn wir z.B. Urlaub nehmen. Das Geld steht uns zu. Jedoch wurden die Anträge wegen des Verfahrens nicht bearbeitet. Vor einigen Tagen sind wir auf einen Vergleich eingegangen, den uns das Versorgungsamt angeboten hatte. Damit dürfte das Thema in wenigen Monaten erledigt sein.

Wir trafen eine weitere Entscheidung: Da es keine Fördergruppe geben wird, eine Heimunterbringung der Tochter nicht in Frage kommt, wir sie also seit mehr als anderthalb Jahren rund um die Uhr betreuen, begannen wir, ab dem Frühjahr eine Mietwohnung zu suchen. Wer das in Heringsdorf probiert hat, weiß, wie schwer eine Mietwohnung zu finden ist, die auch noch behindertengerecht gebaut und ausgestattet wurde. Nach etlichen vergeblichen Versuchen entschlossen wir uns, eine Eigentumswohnung zu kaufen. Auch das war schwierig, gelang aber im Herbst. Statt dass wir Geld für die Förderung der Tochter in einer Gruppe erhalten, haben wir alles, was wir zusammenkratzen konnten, in die Wohnung investiert. Das Land erhält fünf Prozent des Kaufpreises als Grunderwerbssteuer. So läuft das mit der sparsamen Eingliederungshilfe.
Inzwischen testen wir eine Pflegekraft, die unsere Tochter ab März 2014 in der neuen Wohnung tagsüber pflegen, betreuen und fördern soll.

Nicht Behörden oder Parteier haben uns geholfen, im Gegenteil: Wir haben alles selbst bildlich in unsere Hände genommen. Das war und ist sehr anstrengend. Aber dafür wissen wir wenigstens, dass es klappt. Die andere betroffene Familien ist weiterhin schlecht dran. Die Tochter ist zu Hause, die Mutter kann deshalb nicht arbeiten.

Wie weit entfernt von den Problemen die Behörden und Parteien wie die sPD verdummendes Zeug schwadronieren, macht auch dieser Eintrag deutlich, in dem gezeigt wird, was nötig wäre.

Apropos sPD. Wir hatten uns im Frühjahr 2012 auch sie gewandt. Die Fraktion wollte in den Kreistag einen Beschluss einbringen, mit dem die Verwaltung gezwungen werden sollte, auf der Insel wieder eine Fördergruppe einzurichten. Doch die Fraktion ließ sich von der Kreisverwaltung für dumm verkaufen: Wir haben das alles schon in Gang gebracht, brauchen also keinen Beschluss. Was dabei herausgekommen ist, nämlich nichts - wir müssen sparen - habe ich geschildert. Und genau so lassen sich die Genossen z.Zt. von ihren Klein- und Oberbonzen einwickeln.

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