1. Juni 2013

Alles ist guuuut (aktualisiert)

Die unternehmerfreundliche OZ bejubelte heute auf etwa drei Vierteln der Wirtschaftsseite den Bau eines Werkes in Schwerin, in dem Kaffeekapseln hergestellt werden sollen.
Etwa zehn Prozent der Investition für das Werk zahlen wir Steuerzahler, ein Grund, es in MV zu bauen. 
Gründe für die Ansiedlung sollen laut OZ sein:
Die Landeshauptstadt ... hatte am südlichen Stadtrand noch viel Platz in einem Industriepark, mit dem sich der Norden einst erfolglos um die BMW-Ansiedlung bewarb. Und sie liegt „praktisch vor der Haustür des Hamburger Hafens, einem der wichtigsten Rohkaffee-Umschlagplätze der Welt“, wie Bundeskanzlerin Merkel es ausdrückte. Über Autobahnen ist Hamburgs Hafen in einer Stunde erreichbar, der von Wismar sogar noch schneller. ...
Einen Grund verschwieg die Autorin, die geringen Lohnkosten, die der Minipräsident bildlich so übertünchte:
Ausdrücklich lobte der Regierungschef, dass die 450 versprochenen Arbeitsplätze alle tarifgebunden sein werden. ...
Ja, Osttarif, und nach welchem Tarif genau? Für solche Kleinigkeiten war kein Platz auf der Seite, jedoch Platz für die Selbstreinwaschung des Unternehmens, mit den Kapseln eine Menge Abfall zu produzieren:
Eine Kapsel besteht nur aus 3,4 Gramm Polypropylen (PP), das ist weniger als ein Jogurtbecher. Der Kunststoff lässt sich über das Grüne-Punkt-System gut recyceln. Kunden sollten die Kapseln deshalb nicht in den Hausmüll werfen, sondern in den gelben Sack oder die gelbe Tonne. Nestlé zahlt für die Wiederverwertung Lizenzgebühren beim Dualen System. ...
Natürlich war die Frage blöd gestellt, bezog sie sich doch nur auf Plastik, nicht auf das Aluminium, aus dem die Kapseldeckel bestehen.

Der Reihe nach:

Nur 3,4 Gramm PP summieren sich zu 27200 Tonnen Plastikmüll, denn (nach eigenen Angaben von Nestle) hat das Unternehmen bisher 8 Milliarden Kapseln ausgeliefert. Hinzu kommen die Kapseln für die Sorte Nespresso.
Offensichtlich hat das Unternehmen keine Zahlen zur Zahl der tatsächlichen Wiederverwendung des Palstikmülls, schon gar nicht über den Anteil Kapseln, die im Hausmüll landen. Aber der Nestle-Vertreter ahnt zumindest, dass da nicht alles so läuft, wie sich das Klein-Fritzchen vorstellt, und er ermahnt deshalb die Kunden.
Großartig der Verblödungsversuch mit den Lizenzgebühren, die natürlich an die Kunden weitergegeben werden.
Zu schlechter Letzt sei erwähnt (natürlich nicht von der Jubel-OZ), dass nur etwa ein Drittel der gesammelten Verpackungen weiterverwendet werden. Alles andere wird verbrannt.

Noch ein Beispiel dafür, wie sich der Nestle-Mann die Welt vorstellt:
Die Kapseln enthalten aber Kaffeesatz...
Gebrauchte Kapseln werden in den Sortieranlagen geschreddert, dabei wird der Kaffeesatz ausgeschwemmt und später als nachwachsender Rohstoff zur Energiegewinnung genutzt. ...
Na klar. Ich weiß nicht, in welcher Anlage der Mann das gesehen haben will.

Bleibt das unerwähnte Aluminium. Kleine Nachhilfe:
... Das in diesem Erz enthaltene Aluminiumoxid/-hydroxid-Gemisch wird zunächst mit Natronlauge aufgeschlossen (Bayer-Verfahren), um es von Fremdbestandteilen wie Eisen- und Siliciumoxid zu befreien ...
Zur Herabsetzung des Schmelzpunktes wird das Aluminiumoxid zusammen mit Kryolith geschmolzen (Eutektikum bei 963 °C;[17]. Der Prozess ist aufgrund der hohen Bindungsenergie des Aluminiums und seiner Dreiwertigkeit recht energieaufwändig. Der Energieeinsatz liegt bei 12,9–17,7 kWh pro produziertem Kilogramm Roh-Aluminium. ...
Tatsächlich fand ich auf der OZ-Jubelseite einen ganzen Satz voller Kritik an den Kapseln, (natürlich nichts in der OZ zu den Preisen für die Kapseln, die sauteuer sind, wesentlich teurer als in der Kaffeemaschine zubereiteter Kaffee, auch nichts zur Gleichmacherei, denn die Menge in den Kapseln kann der Kunde nicht verändern), am Ende eines Kellertextes der diese Schlagzeile hatte:
Kaffee aus Kaffeekapseln erzielen die höchsten Zuwächse
Vermuten Sie da Kritik an der Kapseltechnik? Dochdoch, ganz am Ende:
... Verbraucherberater sehen die Kaffeekapseln allerdings kritisch: Sie seien teuer und absolut unökologisch, heißt es.
Heißt es, schreibt, wer nicht weiß, wer etwas gesagt oder anderweitig veröffentlicht hat - Recherchemangel.

Eine ganz kurze Zusammenfassung finden Sie auf der Seite der Netzfrauen, ohne Jubelreklame, ohne Foto mit Kaffee trinkender Kanzlerin und kostenlos.

Update:

Ein Leser wies mich darauf hin, was alles mit dem Giftmüll, der beim Verhütten von Bauxit zu Aluminium entsteht, passieren kann (Danke!) und passiert ist. Er fügte hinzu:
So eine Giftmüllhalde gibt es auch in Hamburg-Finkenwerder, Aluminiumstraße.
Auch im Grünenblog Greifswald wird getan, was die OZ mit einem lumpigen Satz erledigte, auf kritische Punkte hingewiesen. Allerdings ist die Schlagzeile Kammschererei.

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